Tafeln kommen an Grenze "So geht das nicht weiter"
Die Nachfrage steigt, die Spenden gehen zurück: Die Lage bei den Tafeln spitzt sich zu. Sie rufen zu mehr Spenden auf und fordern ein Umdenken der Politik. Eine Entlastung ist aber nicht in Sicht.
10.30 Uhr in Homburg. Die Warenausgabe der Tafel hat noch nicht begonnen, aber die Schlange für Neuanmeldungen ist schon lang - die meisten von ihnen sind Geflüchtete aus der Ukraine. Seit Kriegsbeginn haben sich schon 100 von ihnen hier registriert. Das ist viel für eine Tafel, die insgesamt 100 Haushalte pro Ausgabe versorgt.
Drinnen bekommt die Vorsitzende Anita Graf-Fischbach gerade einen Anruf. Das Telefon ist in den vergangenen Monaten sowieso ihr ständiger Begleiter. Ein Lebensmittelhändler hat Ware abzugeben. Jetzt muss es schnell gehen: Besprechung mit dem Team, schnell Fahrer vorbeischicken, denn die Lebensmittelspenden sind momentan knapp. Der Einzelhandel kalkuliert seit Wochen schärfer, es fällt weniger ab.
"Wir haben die vergangenen Wochen viel telefoniert, damit wir die Regale noch vollbekommen", sagt Graf-Fischbach. Trotzdem fehle es an allem.
Das merken auch die Kunden an diesem Morgen. Immer wieder kommen Nachfragen, ob es nicht noch eine Kartoffel oder Zwiebel mehr gebe. Normalerweise ist das Angebot üppiger. Trotz der Not bleibt die Atmosphäre stets freundlich.
Steigende Nachfrage seit Dezember
Seit Dezember versorgen sich immer mehr Menschen bei der Tafel. Im Februar sei dann eine weitere Welle wegen der stark gestiegenen Energiepreise hinzugekommen, seit Mitte März dann zusätzlich die Familien, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet seien. "Das alles trifft auf eine Situation, in der es eine Verknappung der Lebensmittel gibt", sagt Sabine Altmeyer-Baumann, Vorsitzende der Tafeln in Rheinland-Pfalz und im Saarland.
Das verschärfe die aktuelle Lage gegenüber der starken Flüchtlingsbewegung 2015 noch einmal. Gerade musste etwa eine Spendentütenaktion mit einer Einzelhandelskette verschoben werden, weil die Supermärkte nicht genug Waren hatten. Die hohe Nachfrage erklärt sich mit der Haushaltsstruktur der neuen Kunden. Während es bei syrischen Geflüchteten zunächst nur Männer gewesen seien, sind die Haushalte bei den Ukrainern mit Frauen und Kindern größer. Da wird die Einkaufsliste natürlich länger.
Bundesweite Not
Die Tafeln haben auch mit steigenden Betriebskosten zu kämpfen. Die Kühlung der Produkte wird teurer, die Fahrtkosten auch, denn die Transportstrecken werden länger. Mit diesen Problemen haben nicht nur die Tafeln im Saarland zu kämpfen, sondern im ganzen Bundesgebiet. Deshalb müsse die Politik nun handeln, fordert der Bundesvorsitzende der Tafel, Jochen Brühl. Vor allem kurzfristige Hilfen für Menschen mit niedrigem Einkommen hat er im Blick - etwa eine Erhöhung der Regelsätze auf 600 Euro. "Die Energieentlastungen mit der Gießkanne machen keinen Sinn. Warum bekommt jeder die Zuschüsse? Sie sollten genauer zugeschnitten werden", sagt Brühl.
Außerdem kämpften die Tafeln auch weiterhin mit der Corona-Pandemie. "60.000 Ehrenamtliche leisten bei uns Unglaubliches. Aber viele haben wegen Corona ihre Tätigkeit ruhen lassen - einfach aus Angst vor einer Ansteckung", berichtet Brühl.
Kein Grundversorger, sondern Zusatzangebot
Immer mehr Verbraucher leiden unter den hohen Lebensmittelpreisen. Die Inflation liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei 7,3 Prozent. Bei manchen Artikeln wie Sonnenblumenöl, Tomaten und Roggenmehl kletterten die Preise um mindestens ein Fünftel. Damit steigen auch die Anfragen bei den Tafeln. Ein Ende der Preisspirale erwarten sie bei der Homburger Tafel nicht.
Im Bericht aus Berlin sprach CDU-Chef Friedrich Merz davon, dass der Höhepunkt des Wohlstands hinter den Deutschen liege - zumindest für eine gewisse Zeit. Kinderreichen Familien müsse nun geholfen werden und auch den Tafeln, damit diese "ihre wichtige Arbeit leisten können".
Brühl sieht ebenfalls den Staat in der Pflicht: "Der Staat versorgt, wir sind nur ein Zusatzangebot." Die Behörden in Deutschland schickten Geflüchtete oft an die Tafeln. "Das können wir nicht leisten." Es brauche nun endlich Taten statt Worte. Auch Altmeyer-Baumann registriert, dass die Kommunen die Menschen nach der Ankunft an die Tafel verweisen.
Aufnahmestopp in Saarbrücken
Manche Tafeln mussten ihr Angebot bereits beschränken. In Saarbrücken haben sie seit Monaten einen Aufnahmestopp. "Der Andrang ist immer höher, wir haben zu wenig Personal. Wir sind am Limit", sagt die Pressesprecherin Vera Loos. Auch sie beklagt die fehlende Unterstützung durch die Stadt. Ursprünglich sei eine eigene Lebensmittelausgabestelle durch die Kommune geplant gewesen, davon sei nun keine Rede mehr.
Jemanden wegschicken, will auch hier niemand. "Wir öffnen alle Ressourcen, aber so geht das nicht weiter", bestätigt Loos. Um die Mitarbeiter in Homburg zu entlasten, wird die Essensausgabe nun geteilt.
Wie lange die zunehmenden Belastungen hier noch zu bewältigen sind, wissen sie nicht. "Wir arbeiten seit 15 Jahren hier in Homburg für Menschen in Not. So lange wir Lebensmittel retten und an arme Menschen weitergeben können, machen wir weiter", sagt Graf-Fischbach. Auch wenn es erstmal schwer bleibe.