Autobahnbaustelle (Archivbild 2016)
Hintergrund

Parteien zu Haushalt Wie hältst du's mit der Schwarzen Null?

Stand: 21.11.2019 16:54 Uhr

Die Kritik von Ökonomen an der Schwarzen Null ist laut - dennoch hält die GroKo eisern an ihr fest. Wie stehen die anderen Parteien dazu? Ein Überblick über die unterschiedlichen Positionen.

Union: Festlegung per Parteitagsbeschluss

Seit Jahren feiert sich die Union für inzwischen sechs ausgeglichene Haushalte hintereinander - und will sich nun auch per Parteitagsbeschluss darauf festlegen. In einem Leitantrag heißt es, man bekenne sich "zum Vertrag von Maastricht, zum EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt, zur grundgesetzlichen Schuldenbremse sowie zur Schwarzen Null". Auch für Investitionen in den Klimaschutz will die Union den ausgeglichenen Haushalt nicht aufgeben.

Die CSU warnte erst vor Kurzem den Koalitionspartner SPD davor, sich von der strikten Sparpolitik zu verabschieden. "Einfach mal die Schwarze Null infrage zu stellen und dann zu sagen, wir finanzieren damit große Wohlfühlprogramme, das wird es nicht geben", sagte Generalsekretär Markus Blume der "Süddeutschen Zeitung".

Allerdings gibt es einzelne Stimmen, die vorsichtig ein Umdenken fordern. "Wir werden die Schwarze Null nicht mehr auf Dauer halten können", sagte CDU-Bundesvorstand Olav Gutting dem "Spiegel". "Je rascher wir uns eine Strategie ausdenken, um uns davon zu verabschieden, umso besser." Gerade in Zeiten einer drohenden Rezession müssen Milliarden in Forschung, Infrastruktur und Klimaschutz investiert werden. Allerdings höre die Parteispitze solche Äußerungen nicht gerne: "Jeder, der sich da im Moment aus der Union vorwagt, wird zurückgepfiffen", sagt Gutting, Mitglied im Finanzausschuss und Fraktionsvorstand.

Gegenwind in der SPD

Finanzminister Olaf Scholz setzt in punkto Haushaltsdisziplin die Politik seines Amtsvorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) fort. Doch innerparteilich stößt sein Kurs auf immer mehr Gegenwind. Mehrere führende Sozialdemokraten fordern, dem Sparzwang zu entsagen und neue Schulden aufzunehmen - etwa, um in den Klimaschutz zu investieren. So spricht sich der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, der sich unlängst um den Parteivorsitz bewarb, einen "massiven staatlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Schwarze Null ist ökonomisch und ökologisch unsinnig." Er stellt sogar die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse infrage.

Ähnlich äußerte sich Michael Roth, der sich ebenfalls um den SPD-Vorsitz beworben hatte, aber mit Christina Kampmann als drittplatziertes Duo nun nicht mehr im Rennen ist. "Wenn wir diese Zukunftsinvestitionen jetzt unterlassen, ist das eine viel größere Belastung für nachfolgende Generationen als die Infragestellung der Schwarzen Null in Zeiten historisch niedriger Zinsen."

Eine Gruppe von SPD-Abgeordneten fordert in einem Antrag für den Bundesparteitag im Dezember, das Investitionsvolumen von etwa 40 Milliarden Euro jährlich auf 60 Milliarden hochzuschrauben. "Die Zeiten von Schwarzer Null und Schuldenbremse müssen nun vorbei sein", heißt es in dem Papier.

FDP: Ohne Wenn und Aber für Schwarze Null

Die Liberalen wollten zwar 2017 nicht mit der Union (und den Grünen) zusammen regieren - beim Thema Haushaltspolitik hätte es aber wohl wenig Differenzen gegeben. Die Partei steht ohne Wenn und Aber zur Schwarzen Null. Der Grund: Sie habe eine "hohe symbolische Wirkung", so Parteichef Christian Lindner. "Weit über unser Land hinaus ist sie ein Zeichen von Stabilität." Sollte Deutschland dahinter zurückfallen, wäre das ein Signal für alle anderen EU-Staaten, auch Schulden zu machen. Und es drohe eine Rückkehr der Eurokrise.

Allerdings fordert die Partei, den Haushalt anders zu gestalten und mehr zu investieren. Von den Steuermehreinnahmen der vergangenen Jahre sei nur ein sehr geringer Betrag in Investitionen geflossen, kritisiert Haushaltsexperte Otto Fricke. "Der Rest wurde vor allem für sehr teure Prestigeprojekte ausgegeben, etwa die Mütterrente, das Baukindergeld oder die Rente mit 63", so Fricke in der "Passauer Neuen Presse". Das sei "das Gegenteil von vorausschauender und klug kalkulierender Haushaltspolitik, die dazu beiträgt, die wirtschaftlichen Grundlagen unseres Landes durch angemessene Investitionstätigkeit zu erhalten".

Grüne machen Druck auf Koalition

Druck auf die Bundesregierung machen vor allem die Grünen. Auf ihrem jüngsten Parteitag forderte die Partei bereits, die Schuldenbremse zwar nicht abzuschaffen, aber zumindest im Rahmen der EU-Regeln zu lockern. Parteichef Robert Habeck kritisiert schon länger, eine Schwarze Null sei uneuropäisch, weil von der größten Volkswirtschaft in Europa keine Wachstumsimpulse ausgingen. Es bringe Deutschland nichts, "eine Schwarze Null im Haushalt, aber ein Schwarzes Loch in Europa" zu haben.

Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler sieht die Sparpolitik der Bundesregierung zudem als Gefahr für künftige Generationen. "Dieser Haushalt hat keine Zukunft, er gefährdet sie." Auf die Klimakrise, die stotternde Konjunktur und soziale Ungleichheit gebe die Koalition keine Antworten. Angesichts von Nullzinsen und mangelnder Investitionen sei es zudem unverantwortlich, auf neue Schulden zu verzichten. "Die Schwarze Null hat sich überlebt." Die Partei fordert vor allem Investitionen in Infrastruktur und den Klimaschutz.

Scharfe Ablehnung in der Linkspartei

Besonders scharf ist die Kritik der Linkspartei. Für Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch ist die Schwarze Null kein Symbol solider Haushaltspolitik, sondern eines gigantischen Staatsversagens: "Wir haben einen riesigen Investitionsstau in Deutschland, wir müssen uns nur unsere Brücken anschauen, unsere Schulen, unsere Krankenhäuser. Wir müssen mehr investieren, denn wenn wir unseren Kindern und Enkelkindern eine marode Infrastruktur hinterlassen, haben wir nichts gewonnen."

Der wirtschaftspolitische Sprecher, Klaus Ernst, sagt, die gesetzlich verankerte Schuldenbremse sei in Zeiten des Klimawandels sei "absoluter Unfug und gefährdet die Zukunft künftiger Generationen". Massive öffentliche Investitionen etwa in Infrastruktur und Bildung seien notwendig. Die Kosten dafür will die Partei zumindest teilweise durch eine höhere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften auffangen.

AfD für Beibehaltung des ausgeglichenen Haushalts

Die AfD ist auch in Zeiten historisch niedriger Zinsen für die Beibehaltung eines ausgeglichenen Haushalts. Gegenüber tagesschau.de erklärt der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Peter Boehringer, eine "konsumtive Schuldenaufnahme in der Gegenwart ist immer negativ für kommende Steuerzahlergenerationen".

Gleichzeitig will die Partei aber in Verkehr und Breitbandausbau investieren - und massiv die Steuerpolitik umgestalten. Experten haben ausgerechnet, dass allein die von der AfD geforderte Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 12 Prozent und die Erhöhung von Freibeträgen Schätzungen zufolge rund 100 Milliarden Euro kosten würden. Ein ausgeglichener Haushalt dürfte so nur schwer umzusetzen sein.