Demonstranten protestieren in Neumünster gegen ein von der AfD organisiertes Treffen zur Vernetzung rechter Kräfte.

Neumünster Proteste bei Treffen von AfD und Rechtsextremen

Stand: 20.07.2024 17:04 Uhr

Die AfD Schleswig-Holstein veranstaltet heute ein Vernetzungstreffen in Neumünster. Behörden rechnen mit der Teilnahme rechtsextremer Organisationen in den Räumen eines griechischen Lokals in Neumünster-Einfeld.

Den Veranstaltungsort hatte die Partei bis zuletzt geheim halten wollen, um großen Protesten aus dem Weg zu gehen. Doch bereits Freitagnachmittag verbreiteten sich unter anderem auf der Plattform X Aufrufe zu Demonstrationen zusammen mit dem genauen Veranstaltungsort - einem griechischen Restaurant in Neumünster-Einfeld. Am Sonnabendmittag waren nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein rund 140 Demonstrierende vor Ort. Unter anderem ein Bündnis aus CDU, SPD, Grünen, SSW und Volt hatte dazu aufgerufen.

Midyatli: "Die Maske ist gefallen"

Grünen-Politiker Jan Kürschner sprach von einem Schulterschluss, der zusammen für Demokratie einstünde. "Das ist ganz wichtig, hier ein Zeichen zu setzen. Denn die Gäste der Veranstaltung des "Tag des Vorfelds" sind Rechtsextremisten", sagte Kürschner. SPD Landesvorsitzende Serpil Midyatli wurde noch deutlicher: Die AfD Schleswig-Holstein tue sich mit dieser Veranstaltung mit Rechtsextremisten, Faschisten und Nazis zusammen. "Die Maske ist gefallen. Sie (die AfD - Anm. der Redaktion) sind die größte Gefahr für uns. Deshalb ist es so wichtig, dass wir alle aufrufen und auch hier Gesicht zeigen."

Auch die Omas gegen Rechts haben sich den Protesten in Neumünster angeschlossen. "Die AfD ist gefährlicher, als manche Leute das sehen wollen", begründete Manulea Kollmann das Engagement der Gruppe vor Ort.

Innenministerium: Mehrere Teilnehmer sind gesichert rechtssxtremistisch

Auf einem Flyer hatte die AfD die Veranstaltung mit einem "ganzen Samstag mit Vortrag und Ausstellern" beworben. Die Partei nennt das den "Tag des Vorfelds". Das Innenministerium in Kiel hingegen wird in seiner Bewertung der Veranstaltung weitaus deutlicher: Zu den Teilnehmern gehören mehrere Organisationen, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet werden, teilte das Ministerium in Kiel auf Anfrage mit.

Polizisten auf einer Straße, im Hintergrund eine rote Rauchwolke

Obwohl der genaue Treffpunkt der Veranstaltung erst spät bekannt wurde, haben sich rund 140 Demonstrierende in Neumünster versammelt.

Dorow: Einstufung kein Maßstab für die AfD

Konfrontiert mit der Frage, wieso als gesichert rechtsextrem eingestufte Organisationen zu der Veranstaltung eingeladen seien, sagte Kevin Dorow, Beisitzer im AfD-Landesvorstand: "Wir haben in der Vergangenheit immer wieder angemerkt, dass die Einstufung von politisch instrumentalisierten Behörden, die ja auch den jeweiligen politisch gesteuerten Innenbehörden der jeweiligen Länder unterstehen, dass das für uns jetzt nicht unbedingt ein Maßstab ist, mit wem wir uns treffen und mit wem wir uns nicht treffen." Denn nach diesen Maßstäben seien auch einige Landesverbände der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft.

"Compact"-Magazin von Veranstaltung ausgeschlossen

Auf dem ursprünglich in Umlauf gebrachten Veranstaltungsflyer ist auch das Logo des rechtsextremen "Compact"-Magazins zu sehen, das am Dienstag vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Das Magazin werde nach dem Verbot nicht teilnehmen, die Veranstaltung aber wie geplant stattfinden, teilte AfD-Landeschef Kurt Kleinschmidt auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein mit.

Verleger aus dem Kreis Plön eingeladen

Auf dem ursprünglichen Veranstaltungsflyer wird neben "Compact" auch mit dem "Zuerst"-Magazin geworben, hinter dem der seit Jahrzehnten als rechter Verleger aktive Dietmar Munier aus Martensrade im Kreis Plön steht. Aufgeführt werden auch eine Publikation sowie eine Online-Plattform mit Sitz in Österreich. Auch das Logo von "Einprozent" ist auf diesem Flyer zu sehen: Der Verein wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit 2023 als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft.

In einem mittlerweile gelöschten Facebook-Eintrag vom 16. Juni nannte die AfD Schleswig-Holstein "patriotische Radiosender, mutige Fernsehprogramme, unabhängige Medienschaffende" als Bestandteile ihres Vorfeldes. Unter Vorfeldorganisationen werden Gruppen verstanden, die Parteien nahestehen und mit diesen kooperieren. Am Montagmorgen war der Beitrag noch abrufbar.

Rechtsextremismus-Experten: Geeint durch völkische Ideologie

Für die "Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein" ist der Charakter der Veranstaltung eindeutig: "Das Treffen dient der Vernetzung verschiedener Gruppen und Strömungen innerhalb der Neuen Rechten, die durch völkische Ideologie geeint sind", heißt es auf Anfrage des NDR.

Auf dem Flyer wird auch mit Matthias Helferich geworben. In Nordrhein-Westfalen sitzt er dem AfD-Landesvorstand bei, sein Bundestagsmandat übt er ohne Fraktionszugehörigkeit aus. Er hatte sich in Chats als "das freundliche Gesicht des NS bezeichnet", was er später relativierte. Dennoch läuft gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren. Die AfD Schleswig-Holstein teilte dazu mit: "Der Ausschluss von Herrn Helferich ist eine Entscheidung der Bundestagsfraktion. Als Abgeordneter und Mitglied unserer AfD ist er ein gern gesehener Gast bei unserer Veranstaltung." Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein soll Helferich am späten Nachmittag einen Vortrag auf der Veranstaltung halten.

AfD kündigt "offenen Austausch" mit "freien Medien" an

Als Ziel der Veranstaltung nennt die AfD auf Anfrage den "offenen Austausch zwischen politisch interessierten Bürgern, unserer Partei und unserem politischen Vorfeld, zu dem unter anderem Vertreter der freien Medien, des Mittelstands und der Landwirtschaft zählen." In dem gelöschten Facebook-Post war die Partei konkreter geworden: "Ziele sind der Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Vorfeld, Vernetzungsarbeit untereinander und ein besseres Verständnis für die Rolle unserer Partei im Mosaik der patriotischen Bewegungen in unserem Land."

Die Beratungsteams gegen Rechtsextremismus erkennen bei der Partei einen Strategiewechsel: "Die AfD Schleswig-Holstein positioniert sich damit klar im rechtsextremen Spektrum und gibt sich keine Mühe mehr, den Schein der Bürgerlichkeit zu wahren."

Innenministerium beobachtet Entwicklung

Das Innenministerium kündigt an, die Entwicklungen rund um den "Tag des Vorfelds" zu verfolgen. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor dem Veranstaltungsort im Einsatz. "Beim Feststellen strafbarer rechtsextremistischer Äußerungen werden die Strafverfolgungsbehörden ihrem gesetzlichen Auftrag selbstverständlich nachkommen und entsprechende Maßnahmen ergreifen", kündigt das Ministerium an.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 20.07.2024 | 11:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. Juli 2024 um 13:25 Uhr.