Streit um Krankenhausreform Brandenburger Ministerin im Bundesrat entlassen
Brandenburgs Ministerpräsident Woidke hat seine Gesundheitsministerin Nonnemacher entlassen. Grund ist der Streit um die Krankenhausreform. Sie bekam ihre Entlassungsurkunde vor der entscheidenden Bundesratssitzung.
- Brandenburger Gesundheitsministerin Nonnemacher verliert ihren Job
- Woidke wollte bei Abstimmung im Bundesrat über die Krankenhausreform die Anrufung des Vermittlungsausschusses erreichen - Nonnemacher wollte sich bei Abstimmung darüber enthalten
- Leiterin der Staatskanzlei, Schneider, soll vorerst Gesundheitsministerium leiten
- Bundesrat hat Vorlage passieren lassen
Vor der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat über die umstrittene Krankenhausreform hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) entlassen. Das teilte die Staatskanzlei am Freitagvormittag mit.
Grund für die Entlassung war laut Woidke, dass er im Bundesrat eine Anrufung des Vermittlungsausschusses für die Krankenhausreform erreichen wollte und Nonnemacher diese Haltung nicht mitgetragen habe.
Im Streit um die Krankenhausreform hat Brandenburgs Ministerpräsident Woidke seine Gesundheitsministerin entlassen. Von den anderen Parteien im Parlament erntet er dafür viel Kritik - am deutlichsten von den Grünen.mehr
Das Gesundheitsministerium in Brandenburg soll jetzt bis auf Weiteres die bisherige Leiterin der Staatskanzlei, Kathrin Schneider (SPD), übernehmen.
Nonnemacher: "Tiefpunkt der politischen Kultur"
Nonnemacher hatte vor einem vorläufigen Aus der Krankenhausreform im Bundesrat gewarnt und angekündigt, sich bei der Abstimmung über die Annrufung eines Vermittlungsausschusses für Brandenburg zu enthalten. Damit wäre die Stimme des Bundeslandes nicht gezählt worden.
Nonnemacher sagte nach ihrer Entlassung, sie habe ihre Position in der Koalitionsrunde vor der Bundesratssitzung vertreten. Woidke habe ihr daraufhin angedroht, sie noch vor der Sitzung des Bundesrats zu entlassen. Am Rande des Bundesrats habe er ihr schließlich auf dem Flur das Entlassungsdokument übergeben.
Im Fernsehsender Phoenix begründete Woidke am Freitag seinen Schritt: "Ich kann als Ministerpräsident, auch für das öffentliche Bild des Landes Brandenburg, nicht zulassen, dass ein klares Votum, das wir auch im Land haben, eine klare Meinung, hier im Bundesrat konterkariert wird durch eine Ministerin, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben von mir beauftragt ist."
Nonnemacher bezeichnete den Vorgang ihrer Entlassung als bundesweit einmalig. "Ich bedauere diesen Tiefpunkt der politischen Kultur", sagte Nonnemacher im Gesundheitsministerium in Potsdam. Dass Ministerpräsident Woidke sie entlassen habe, noch bevor sie ihre geplante Rede im Bundesrat halten konnte, sei auch für sie überraschend gekommen, sagte die Grüne.
Nach der überraschenden Entlassung von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hat ihr Parteikollege, Umweltminister Axel Vogel, seinen sofortigen Rückzug aus der Brandenburger Landesregierung angekündigt.mehr
Ländliche Regionen befürchten Klinikschließungen
Die Länderkammer hatte Freitag zu entscheiden, ob sie das noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz passieren lässt - oder ob sie es in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schickt und die Umsetzung vorerst stoppt. Am Ende passierte die Vorlage die Länderkammer.
Das Reformgesetz von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht vor, dass sich Kliniken stärker spezialisieren. Kleinere Standorte sollen weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Vor allem in ländlichen Regionen wurden deswegen Krankenhausschließungen befürchtet.
Die Krankenhausreform kann kommen. Das umstrittenen Vorhaben war noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossen worden. Nun hat auch der Bundesrat mehrheitlich dafür gestimmt.mehr
Woidke war für Vermittlungsausschuss
Nonnemacher hatte am Mittwoch bei einem Treffen mit Woidke und Innenminister Michael Stübgen (CDU) dafür geworben, das Gesetz in seiner jetzigen Form anzunehmen. Sie verwies dabei unter anderem auf im Bundestag erreichte Verbesserungen für 28 sogenannte Sicherstellungskrankenhäuser in Brandenburg. Diese sichern die Grundversorgung ab.
Regierungssprecher Engels betonte, die Krankenhauskonferenz in der Staatskanzlei habe gezeigt, dass die große Mehrheit der Praktiker und der Kommunen "klar und sehr fundiert" für die Anrufung des Vermittlungsausschusses in der Bundesratssitzung am Freitag plädiert habe. Diese Position vertrete auch Woidke.
Art der Entlassung wird heftig kritisiert - Vogel kündigt Rückzug an
Von den anderen Parteien wurde die Entlassung Nonnemachers heftig kritisiert. Diese sei nicht nur inhaltlich falsch, teilten die Grünen mit. Sie sei auch "ein Affront gegen all jene, die sich eine verlässliche Gesundheitsversorgung in Brandenburg wünschen," so die Landesparteivorsitzender Alexandra Pichl.
Nonnemachers Parteikollege, Umweltminister Axel Vogel, kündigte am Nachmittag seinen Rückzug an. Die Entlassung seiner Parteikollegin markiere einen Tiefpunkt. "Vor diesem Hintergrund ist keine Zusammenarbeit mehr möglich", so Vogel.
CDU-Landeschef Jan Redmann sprach auf X von einer öffentlichen Demütigung Nonnemachers. So gehe man menschlich nicht miteinander um, kritisierte er. Auch die AfD äußerte sich kritisch: "Er hätte Nonnemacher schon gestern entlassen können, aber offensichtlich ging es um einen Show-Effekt im Wahlkampf", teilte Fraktionschef Hans-Christoph Berndt.
Ministerin war seit 2019 im Amt
Nonnemacher war seit 2019 Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Zuvor war die studierte Medizinerin zehn Jahre lang Abgeordnete im Landtag.
Nach der Abwahl der Kenia-Koalition bei der Landtagswahl im September war Nonnemacher zuletzt geschäftsführend im Amt. Die SPD verhandelt derzeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) über eine neue Koalition in Brandenburg. Dabei haben sich beide Parteien bereits darauf geeinigt, alle Krankenhausstandorte in Brandenburg erhalten zu wollen.
Sendung: rbb24 , 22.11.2024, 13:00 Uhr
Korrektur: Anders als zunächst berichtet wollte Gesundheitsministerin Nonnemacher nicht gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen, sondern sich bei der Abstimmung enthalten.