Berliner Technoclubs und die A100 Tanzen, bis die Bagger kommen
Ende kommenden Jahres sollen die Pläne für die A100 in Berlin endgültig feststehen. Dann müssen voraussichtlich mehrere kulturelle Einrichtungen weichen - wie Techno-Clubs. Dabei gilt die Tanzmusik offiziell als Kulturerbe.
Elisabeth Steffen sitzt im Backstage-Raum des "://about blank" und zuckt mit den Schultern: "Also uns hat keiner gefragt. Unsere Sehnsucht, deutsches Kulturgut zu werden, fällt eher gering aus."
Dennoch gehört der Club, den sie gemeinsam mit einem Kollektiv führt, nun dazu: Seit Mitte März gilt Techno aus Berlin als "immaterielles Kulturerbe". So hat es die Kultusministerkonferenz in Zusammenarbeit mit der deutschen UNESCO-Sektion beschlossen. Techno ist also ein schützenswertes Gut, eine Kulturpraktik, die es zu erhalten gilt.
"Ich glaube, dass die politische Relevanz überschaubar ist. Und ich glaube auch, gegen die Autobahn wird uns das nicht helfen", sagt Steffen. Die Autobahn 100 schwebt seit Jahren wie ein Damoklesschwert über der Subkultur entlang der geplanten Strecke.
Rund zwei Dutzend Clubs, Kulturzentren und alternative Lebensorte wie Bauwagenplätze werden von dem geplanten 17. Bauabschnitt der A100 betroffen sein, so eine Schätzung der Berliner Clubcommission, der Interessenvertretung der Clubs der Stadt. "Das sind sehr wichtige Clubs, die auch kulturell sehr wichtige Nischen bespielen", sagt Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission.
Elisabeth Steffen vom "://about blank" will für ihren Club kämpfen.
Lange geplant, noch nicht beschlossen
Seit Jahren wird in der Stadt darüber gestritten, ob die Autobahnverlängerung überhaupt notwendig und sinnvoll ist. Die Befürworter, allen voran das Bundesverkehrsministerium, betonen, dass die Verkehrssituation deutlich verbessert würde.
Das Vorhaben sei seit Langem im Flächennutzungsplan verzeichnet. Wenn Clubs weichen müssten, käme das nicht überraschend. Das Bundesverkehrsministerium teilt mit: "Von Teilen der Clubszene derzeit genutzte Flächen sind somit bekanntlich Vorhalteflächen für die seit langem geplante A-100-Neubauverlängerung."
Gegner führen unter anderem die Kosten und Auswirkungen auf die Nachbarschaft ins Feld. Und die Clubs gehören zu den lautesten Stimmen gegen den Ausbau. "Man kann sich natürlich hinstellen und sagen: Sie Clubs haben jahrelang vom Schwebezustand dieser Grundstücke profitiert", sagt Clubcommissions-Sprecher Leichsenring. "Andererseits kann man aber auch fragen, ob 30 Jahre alte Pläne noch umgesetzt werden müssen."
"Immaterielles Kulturerbe"
Vor einigen Wochen hatte die Kultusministerkonferenz beschlossen, dass Techno in Berlin Kulturerbe ist. "Immaterielles", was heißt, dass es "an Menschen gebunden" ist, "die es ausüben und kreativ weiterentwickeln". Eine lebendige Subkultur also.
Das klingt sehr gewichtig - ist aber relativ zu sehen. Denn im selben Atemzug beschloss die Konferenz auch, Dinge wie die Schwälmer Weißstickerei oder das Bergsteigen in Sachsen zum immateriellen Kulturgut zu erheben. Nicht zu verwechseln mit dem "Weltkulturerbe" der UNESCO, zu dem beispielsweise die Chinesische Mauer, das Taj Mahal in Indien oder die griechische Akropolis gehören.
"Es geht nicht um bauliche Denkmale wie beim Weltkulturerbe, für das dann auch bauliche Begrenzungen und Regeln gelten", sagt auch Martin Peter, Pressesprecher der UNESCO Deutschland. Das heißt so viel wie: Das immaterielle Kulturerbe kann die A100-Verlängerung wohl nicht verhindern.
"Respektiert dieses Objekt": Im Biergartenbereich des "://about blank" in Berlin gibt es eine Miniaturnachbildung des Clubs.
Hängepartie für Clubs geht weiter
Und so geht die Hängepartie für die Clubs weiter. Ob die Autobahn kommt, ist noch immer nicht endgültig entschieden. Elisabeth Steffen vom "://about blank" will weiter für ihren Club kämpfen. Auch eine mögliche Umsiedlung an einen anderen Standort lehnt sie ab: "Wir sind ja keine Kröte, die man in einem Eimer über die Autobahn rübertragen kann und woanders wieder aussetzen."
Dabei liegt ihr Club noch nicht einmal direkt auf der geplanten Trassenführung der A100. "Mein Kenntnisstand ist, dass wir Abstellfläche für Bagger sein sollen", so Steffen.
Aus dem Verkehrsministerium heißt es noch, man sei sich der Bedeutung der Clubszene für Berlin bewusst. Dieses "Kulturgut" sei "bei der laufenden Planung zu würdigen". Was genau das für das "://about blank" und andere Clubs, in denen das "immaterielle Kulturerbe" Techno gespielt wird, bedeutet, dürfte erst in den kommenden Jahren klar werden.