Olaf Scholz gibt im Plenum des Bundestags eine Regierungserklärung ab.
analyse

Regierungserklärung von Scholz Eine Rede als Beruhigungspille

Stand: 06.06.2024 22:36 Uhr

Wenige Tage vor der Europawahl nutzt Bundeskanzler Scholz seine Regierungserklärung, um Sicherheit zu vermitteln. Dabei kündigte er auch Maßnahmen an, die sich mit seinen Koalitionspartnern vermutlich kaum umsetzen lassen.

Eine Analyse von Alexander Budweg, ARD Berlin

Als Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstagvormittag an das Rednerpult im Bundestag tritt, sind es nur noch drei Tage bis zur Europawahl. Es ist ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für eine Regierungserklärung so kurz vor einer großen Wahl. Der Verdacht liegt nah, es könnte reine Taktik sein. Doch da ist ja auch noch das zweite Großereignis in den kommenden Tagen: die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Der Kanzler will deshalb das Signal senden, dass die Bundesregierung für Sicherheit sorgt. 

"Olaf Scholz musste reagieren. Das hatte man erwartet, auch vonseiten der Opposition", sagt die Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp von der Freien Universität Berlin. So hätten der tödliche Messerangriff von Mannheim und die zahlreichen Attacken auf Politiker in den vergangenen Wochen das Sicherheitsgefühl der Bürger erschüttert. Scholz habe deshalb die Regierungserklärung nicht nur dazu genutzt, seine Position zu vermitteln, sondern auch um Emotionalität zu vermitteln. "Man fand sehr viele Wendungen, die auch in Richtung Beruhigung beziehungsweise Anteilnahme gedacht waren", so Kropp weiter. 

Grüne gegen Abschiebung nach Afghanistan

Doch nicht nur der Zeitpunkt der Rede ist ungewöhnlich. Auch manche Ankündigung lässt aufhorchen. So will der Bundeskanzler Straftäter abschieben, auch wenn sie aus Syrien oder Afghanistan stammen. Aber wohl nicht direkt dorthin, denn dazu müsste Deutschland diplomatische Beziehungen etwa zu den Taliban aufbauen. Das SPD-geführte Bundesinnenministerium suche nach anderen "rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen" und sei dazu in Gesprächen mit Afghanistans Nachbarländern.

Konkreter wird Scholz nicht. Ebenso lässt er offen, wie er seinen grünen Koalitionspartner davon überzeugen will. Außenministerin Annalena Baerbock etwa sitzt mit versteinerter Miene auf der Regierungsbank, während Scholz davon spricht. Sie hatte erst kürzlich Bedenken in Bezug auf Abschiebungen nach Afghanistan geäußert und sie ist mit ihrer Skepsis nicht allein. So wirft die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Hasselmann, die Frage auf, für welches Nachbarland Afghanistans es attraktiv sein soll, Terroristen und schwere Straftäter aufzunehmen.

Buschmann blockiert Pflichtversicherung

Doch nicht nur bei diesem Thema stößt Scholz auf Widerstand in seiner Koalition. So spricht er in Zusammenhang mit dem Hochwasser in Süddeutschland davon, dass es auch darum gehe, sich vor möglichen Schäden zu versichern, und verkündet vollmundig: "In Sachen Elementarschadenversicherung kommen wir voran."

Diese Versicherung gegen Schäden etwa durch Sturm, Hagel oder Überschwemmungen ist bislang noch freiwillig. Die Länder aber haben schon im März letzten Jahres im Bundesrat beschlossen, dass daraus eine Pflichtversicherung werden soll, damit nicht immer der Staat mit Millionenbeträgen einspringen muss. 

Doch bislang scheitert das Vorhaben vor allem an der FDP und an Bundesjustizminister Marco Buschmann. Aus seiner Sicht löst eine Versicherung nicht das Problem der Gefahr durch Schäden. Zudem sei der Aufwand viel zu groß, die Versicherungspflicht für alle 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland zu prüfen und zu bewerten. Vor allem aber würden dadurch die Wohnkosten für alle steigen, denn Eigentümer dürfen die Versicherungskosten an ihre Mieter weiterleiten.

Nicht alles ist neu, aber es soll beruhigen

Wie Scholz aus dem Nein des Justizministers ein Ja machen will, dazu sagt er nichts. Zumindest liefert er keine neuen Argumente. Dafür kündigt der Kanzler aber weitere Maßnahmen an, die in der Koalition weniger umstritten sind. So sollen Angriffe auf Sicherheitskräfte oder Politiker härter bestraft werden und dafür das Strafrecht angepasst werden. Zudem zählt Scholz auf, was seine Regierung schon alles getan hat: vom Verbot extremistischer Vereinigungen wie Samidoun bis hin zur Finanzierung von Küsten- und Hochwasserschutz. 

Das ist zwar alles nicht neu, aber es soll beruhigen. Das gilt auch für den letzten Teil seiner Rede, in dem er seine Entscheidung rechtfertigt, der Ukraine den Einsatz deutscher Waffen auch gegen Ziele in Russland zu genehmigen. Zugleich kündigt er an, sich auf diplomatischen Weg weiter für Frieden einzusetzen.

Zum Schluss betont der Kanzler etwas, das eigentlich selbstverständlich ist: Seine Bundesregierung stelle sich allen Bedrohungen entschieden entgegen, die die Sicherheit des Landes gefährden. Darauf könnten sich alle Bürgerinnen und Bürger verlassen. Es ist nicht der einzige Satz in seiner Rede, der eher wie eine Beruhigungspille daherkommt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 06. Juni 2024 um 22:30 Uhr.