Migrationspolitik der Ampel Wie sich das Asylrecht ändern soll
In den vergangenen Jahren wurden das Asylrecht verschärft. Nun plant die Regierung einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik. Was haben die Maßnahmen gebracht - und was soll anders werden?
Ende Juli 2017. Bundesinnenminister Thomas de Maizière steht massiv unter Druck. In den Jahren zuvor sind Hunderttausende Schutzsuchende, vor allem aus Syrien, nach Deutschland gekommen. Allein 2015 waren es rund 850.000. Islamistische Gefährder konnten die Flüchtlingsrouten damals ausnutzen und unbemerkt mit den Schutzsuchenden einreisen. Einer dieser Gefährder, Anis Amri aus Tunesien, verübte Ende 2016 den größten islamistischen Anschlag in Deutschland - mit insgesamt 13 Toten.
De Maizières Schlussfolgerungen, die vom Parlament bestätigt werden: Ausreisepflichtige Ausländer, die eine Gefahr für Leib und Leben darstellen, sollen von nun an besser überwacht, leichter in Abschiebehaft genommen und schneller ins Herkunftsland zurückgebracht werden können. Sie sollen auch zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet werden können. Und diejenigen, die bei der Identitätsfeststellung nicht mithelfen oder gar täuschen, können seither sanktioniert werden. So kann zum Beispiel die Herausgabe der Handys verlangt werden.
Kritik von Pro Asyl
Für Wiebke Judith von Pro Asyl ist dies ein starker Eingriff in die Privatsphäre. "Wir alle wissen, wie intim das Handy ist, da sind alle wichtigen Daten drauf und natürlich ist es etwas Krasses, das einer Behörde zu übergeben und zu wissen, dass die da jetzt reinschauen."
Die Wirkung der Maßnahme ist überschaubar: Im vergangenen Jahr haben die Behörden mehr als 14.000 Handys und Datenträger ausgelesen, um die Identität von Geflüchteten festzustellen. In 30 Prozent der Fälle konnte die Identität bestätigt, in vier Prozent der Fälle widerlegt werden. Bei 66 Prozent der Fälle gab es keine verwertbaren Erkenntnisse.
Verschärfungen unter Horst Seehofer
Schon zwei Jahre später folgte eine weitere Verschärfung, dann unter Bundesinnenminister Horst Seehofer. Seine Begründung: Noch immer scheiterten zu viele Abschiebungen. 2018 in mehr als 30.000 Fällen.
Der CSU-Politiker ermöglicht ab 2019 Sanktionen für diejenigen, die ihre Identität verschleierten: Arbeitsverbote, Wohnsitzauflagen und Bußgelder. Für diejenigen, die bereits in anderen EU-Ländern Schutz erhalten hatten und trotzdem nach Deutschland weitergereist sind, streicht Seehofer die Sozialleistungen. Sie sollen nur noch das Nötigste bekommen. Für die Fälle, bei denen sich Ausreisepflichtige nicht kooperativ zeigen, sind zwar Kürzungen der Sozialleistungen möglich. Das finde aber in der Praxis nicht statt, berichten uns Mitarbeiter von Ausländerbehörden.
Zwar kann der Bund gesetzliche Rahmenbedingungen für Abschiebungen schaffen. Für die Abschiebungen sind am Ende aber die Bundesländer zuständig, genauer gesagt die dortigen Ausländerbehörden.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Regelungen
Ein Problem, das schon vor fünf Jahren ein großes Thema war, ist die Beschaffung der nötigen Pass-Ersatzpapiere. Beispiel Irak: Die deutschen Behörden haben zwar Zugang zur Botschaft, wo sie die Unterlagen in der Regel beantragen können. Für die Betroffenen, die mitwirken wollten, sei dies aber nur "sehr eingeschränkt" möglich und nur mit vorheriger Termin-Vereinbarung, heißt es in einem internen Schreiben, das den Ausländerbehörden vorliegt.
Rückführungen in den Irak seien prinzipiell denkbar, aber nur für ein "begrenztes Kontingent" mit der Fluglinie "Iraqi Airlines". Der Nordirak erlaube derzeit nur Rückführungen von irakischen "Straftätern mit einem Mindestmaß von fünf Jahren", sonst nicht. Das heißt konkret: Derzeit finden keine Rückführungen in den Nordirak statt.
Die behördlichen Prozesse binden viel Personal. So muss zum Beispiel die Beantragung einer Abschiebehaft gegenüber dem Gericht aufwändig und differenziert begründet werden. Polizisten, die die Ausreisepflichtigen abholen und zum Flughafen bringen müssen, führen Abschiebungen meist ungern durch. Oft spielen sich menschliche Dramen ab.
Und natürlich komme es immer wieder vor, dass Betroffene vor der geplanten Rückführung informiert werden, zum Beispiel durch NGOs, dann untertauchen und so die Abschiebung verhindern.
Bundesinnenministerium zieht positives Fazit
Trotz aller Probleme im Alltag zieht das von SPD-Politikerin Nancy Faeser geführte Bundesinnenministerium "ein insgesamt positives Fazit". Es sei erkennbar, dass die Asylrechtsverschärfungen - insbesondere durch das Geordnete-Rückkehr-Gesetz - einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Vollzugspraxis geleistet hätten, so eine Sprecherin gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. "Gleichwohl können die bestehenden Regelungen noch optimiert werden."
Bei den Koalitionsverhandlungen war noch von einer Rückführungsoffensive die Rede. Bislang sind allerdings nur Regelungen zur Verbesserung der Ausweisung von Straftätern auf den Weg gebracht worden. Unklar bleibt, ob es weitere Regelungen für alle Ausreisepflichtigen geben soll.
Paradigmenwechsel geplant
Die Ampelkoalition sei sich einig, und zwar inklusive der SPD: Die Regierung wolle mit der unsäglichen Tradition der Asylrechtsverschärfungen brechen, so die Grünen-Politikerin Filiz Polat. Das Motto sei künftig: Ausbildung statt Abschiebung. So plane die Ampelregierung, mehr jungen Menschen als bislang die Chance zu geben, noch während des Asylverfahrens eine Ausbildung zu beginnen - und zwar ohne Duldungsstatus. Wer eine Ausbildung macht, solle nicht in ständiger Angst leben müssen, abgeschoben zu werden.
Kritik von der Union
Aus Sicht der Union unternimmt die Ampelkoalition keine Anstrengungen mehr, Ausreisepflichtige abzuschieben. Sie versuche, illegale Migration zu legalen Migration zu machen, so der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. Sein Kollege Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU im Bundestag fordert die Regierung auf, Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern abzuschließen.