Geflüchtete aus der Ukraine Merz beklagt "Sozialtourismus"
Laut dem Bundesinnenministerium sind bis Mitte September mehr als 990.000 Menschen aus der Ukraine als Kriegsflüchtlinge nach Deutschland gekommen. CDU-Chef Merz beklagte nun, man "erlebe nun einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge".
CDU-Chef Friedrich Merz hat einen "Sozialtourismus" von ukrainischen Flüchtlingen nach Deutschland beklagt. Er sagte Bild TV in einem am Abend gesendeten Interview.
Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.
Der Hintergrund laut Merz: Anfangs hatten Ukraine-Flüchtlinge Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger.
Merz sieht auch Flüchtende aus Russland kritisch
Noch größere Probleme erwartet Merz nach eigenen Worten mit Flüchtlingen aus Russland, "wenn die Bundesregierung das täte, was die Bundesinnenministerin vorgeschlagen hat, nämlich hier jetzt praktisch allen Verweigerern des Kriegsdienstes, der Mobilisierung in Russland, Zugang zur Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen". Die Union sei "strikt dagegen", erklärte Merz.
Faeser kritisiert Aussagen als "schäbig"
Kritik an den Äußerungen des CDU-Parteichefs kam unter anderem von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Diese bezeichnete die Aussagen von Merz als "schäbig". Es handle sich dabei um "Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind", schrieb Faeser am Morgen im Kurzbotschaftendienst Twitter - ohne Merz namentlich zu erwähnen.
Zudem bezog sich Faeser mit ihrem Tweet auf den von Merz benutzten Begriff "Sozialtourismus". Dieser sei 2013 "Unwort des Jahres" gewesen, erklärte sie. Es sei "auch 2022 jedes Demokraten unwürdig".
Faeser für Asyl - auch für Russen
Faeser hatte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zuvor gesagt, von schweren Repressionen bedrohte Deserteure erhielten im Regelfall internationalen Schutz in Deutschland. "Wer sich dem Regime von Präsident Wladimir Putin mutig entgegenstellt und sich deshalb in größte Gefahr begibt, kann in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen." Die Erteilung von Asyl sei jedoch eine Einzelfallentscheidung, in deren Rahmen auch eine Sicherheitsüberprüfung erfolge.
Empörung auch bei den Grünen und Melnyk
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, zeigte sich ebenfalls empört. Sie stellte auf Twitter die Frage, wie die Solidarität der Union mit der Ukraine mit den Aussagen von Merz von Sozialtourismus zusammenpassten.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann schrieb in dem Netzwerk: "Sich durch die Abwertung anderer Menschen profilieren zu wollen, ist ein Instrument zu dem Rechtspopulisten regelmäßig greifen." Außerdem warf Haßelmann Merz Eigenprofilierung vor.
Auch der scheidende ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, fand scharfe Worte zu den Aussagen des CDU-Chefs. Er schrieb auf Twitter: "Woher kommt dieser Unsinn über angeblichen 'Sozialtourismus' von ukrainischen Kriegsflüchtlingen?". An Merz gerichtet fügte er hinzu: "Sie haben das Recht, Ihre Heimat jederzeit zu besuchen. Woher dieser billige Populismus?"
Noch keine gemeinsame Linie der EU-Staaten
Nachdem Russland vergangene Woche eine Teilmobilisierung im Krieg gegen die Ukraine angekündigt hatte, suchen die EU-Staaten nach einer gemeinsamen Linie für den Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigerern. Die Positionen liegen teils jedoch weit auseinander. So sprachen sich etwa Polen und die baltischen Staaten - anders als etwa Faeser - strikt gegen eine Aufnahme dieser Menschen aus.
Auch ein erstes Krisentreffen der 27 Botschafter brachte keine gemeinsame Linie. Nach den Gesprächen teilte die derzeitige tschechische EU-Ratspräsidentschaft lediglich mit, man habe die EU-Kommission dazu aufgefordert, die jüngsten Leitlinien zur Visa-Vergabe "unter Berücksichtigung der Sicherheitsbedenken der Mitgliedstaaten zu überprüfen, zu bewerten und gegebenenfalls zu aktualisieren".
Weitere Beratungen sind bereits geplant: Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, man sei mit den Mitgliedstaaten in Kontakt. Für Dienstag sei ein Treffen auf Arbeitsebene geplant, an dem auch die für Migration und Sicherheit zuständigen EU-Agenturen teilnehmen würden.