Abschied von Merkel als Kanzlerin "Politische Ausnahmeathletin"
Voraussichtlich nur noch wenige Tage ist Angela Merkel Bundeskanzlerin. Kurz vor ihrem Abschied vom Amt würdigen politische Weggefährten ihre Leistungen - unter ihnen auch einer, der zeitweise zu Merkels größten Widersachern zählte.
Der Abschied von Angela Merkel aus dem Amt der Bundeskanzlerin rückt immer näher. Läuft es nach Plan der künftigen Ampel-Koalition soll am Mittwoch Olaf Scholz als ihr Nachfolger gewählt werden. Kurz vor dem Machtwechsel haben mehrere politische Weggefährten Merkels Wirken in ihrer 16-jährigen Amtszeit gewürdigt.
Der scheidende Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lobt in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag" vor allem die "analytischen Fähigkeiten" Merkels, "mit denen sie früher als andere, nicht nur in meiner Partei, gesellschaftliche Veränderungen und Stimmungen erkannte". Schäuble war von 2005 an vier Jahre lang Bundesinnenminister in Merkels Regierungsmannschaft, anschließend wechselte er auf den Posten des Bundesfinanzministers.
Merkel habe "unser Land in vielem verändert", schreibt Schäuble weiter - und das "mit nüchterner Souveränität". Als "vielleicht wichtigstes persönliches Verdienst" nennt er Merkels "auf Ausgleich ausgerichteten Politikstil, der auch unter Nachbarn und Partnern für Vertrauen und Zutrauen in unser Land sorgte".
"Unglaubliche Präzision und Hartnäckigkeit"
Große Anerkennung äußert auch der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer. Ebenfalls in der "BamS" nennt er Merkel eine "politische Ausnahmeathletin":
Sie hat ihr Amt mit unglaublicher Präzision und Hartnäckigkeit geführt. Ich habe in 50 Jahren Politik kaum jemanden von ihrem Format getroffen.
Nicht immer war die politischen Beziehung zwischen dem ehemaligen CSU-Chef und Merkel eine einfache. Vor allem während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 zählte Seehofer zu den schärfsten Kritikern und Widersachern der Kanzlerin. Ein Beispiel: die von Seehofer vehement geforderte "Obergrenze" für Asylsuchende, die bei der Kanzlerin auf Ablehnung stieß. Der Streit hinterließ auch in den kommenden beiden Jahren Spuren im Verhältnis der beiden Schwesterparteien CDU und CSU.
"Ein positives Stück deutscher Geschichte geschrieben"
Auch der ehemalige SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel betont gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass das Land "in einer Zeit vieler Krisen" unter der Kanzlerschaft Merkel stabil geblieben sei. Das sei "ein sehr großes Verdienst dieser Kanzlerin, die damit ein positives Stück deutscher Geschichte geschrieben hat".
Merkel hatte das Kanzleramt im November 2005 übernommen. Im September 2018 hatte sie angekündigt, bei der Bundestagswahl im September 2021 nicht wieder anzutreten. Bereits am Donnerstag hatte die Bundeswehr die Noch-Kanzlerin mit dem traditionellen Großen Zapfenstreich verabschiedet.