Hintergrund Uran - ein Energieträger für Jahrhunderte?
Das Energieunternehmen E.ON ist sich sicher: Noch 200 Jahre lang wird die Menschheit Uran abbauen können - für den Konzern ein Argument für die Atomkraft. Doch derlei Vorhersagen sind gewagt. Verlässlichere Prognosen gehen von deutlich geringeren Uranvorräten aus.
Von Eckart Aretz, tagesschau.de
Die Atomindustrie hat schon schlechtere Zeiten erlebt. Atomkraftwerke erleben derzeit eine Renaissance. Insbesondere aufstrebende Entwicklungsländer setzen auf sie, selbst das ölreiche Iran will verstärkt in Atomkraft investieren und auch in Deutschland mehren sich die Stimmen, die wieder eine stärkere Förderung der Atomenergie verlangen. Ein Argument: Uran sei in sehr viel größerer Menge vorhanden als andere Energieträger.
Tatsache ist: Die Nachfrage nach Uran steigt spürbar. Seit zwei Jahren, stellt das Deutsche Atomforum fest, ist "ein deutlicher Anstieg“ des Uranpreises zu verzeichnen – seit Anfang 2003 stieg der Preis für das Kilo Uran auf das Dreifache.
Dabei war nach einem Boom in den siebziger und achtziger Jahren die Uranförderung in den neunziger Jahren deutlich gesunken. Atomkraft nein danke – diese Haltung wurde in vielen Ländern angesichts der Atomkatastrophe von Tschernobyl mehrheitsfähig. Der Bau von Kernkraftwerken war kostspielig, die Frage der Lagerung des Atommülls ungeklärt – viele Regierungen schreckte das von der Investition in eine umstrittene Technik ab. Die Nachfrage nach Uran stagnierte. Auch drückte den Preis, dass Stromversorger ihre Vorräte an Natururan auflösten und durch die Zerstörung von Atomwaffen zusätzliches Uran auf den Markt kam.
Eine Resource kehrt zurück
Doch nun steigern die Produzenten wieder die Förderung und sie sind zuversichtlich, noch viele Jahre Uran abbauen zu können. Die Quellen seien "ausreichend für über 200 Jahre“, jubelt der Energiekonzern E.on. Die imposante Zahl enthält jedoch einen kräftigen Schuss Spekulation. Gesicherte und verlässliche Erkenntnisse gibt es nur über einen deutlich kürzeren Zeitraum.
Derzeit liegen die bekannten und wirtschaftlich abbaubaren Vorräte an Natururan bei 1,8 Millionen Tonnen. Darüber hinaus befinden sich in militärischen und zivilen Lagern weitere 1,8 Millionen Tonnen Natururan, die Staaten nach und nach auf den Markt werfen. Nimmt man den weltweiten Jahresverbrauch von 2004 zum Maßstab, dann ergibt sich daraus eine Reichweite von 54 Jahren.
Suche wird forciert
Allerdings ist dies eine rein statische Herangehensweise, betont Ulrich Schwarz-Schampera von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Gespräch mit tagesschau.de. "Niemand kann realistisch sagen, welche Reserven wir in fünf Jahren haben“, betont der Uranexperte. Die Menge des verfügbaren Urans dürfte aber eher steigen, als abnehmen.
Der steigende Preis für das Schwermetall macht es wieder attraktiv, Vorräte auszubeuten, die zuvor als wenig profitabel galten. Viele Unternehmen und Firmen intensivieren die Suche nach Uran, "je mehr Leute suchen, desto mehr wird gefunden“, sagt Uranexperte Schwarz-Schampera. Viele Lagerstätten seien noch unbekannt, insbesondere Russland und Kanada hätten ein "hohes Potenzial“. Mancher träumt deshalb schon davon, auch aus dem Meerwasser Uran zu gewinnen. Es enthält die gewaltige Menge von vier Milliarden Tonnen des Schwermetalls - doch ein Abbau erscheint deshalb vorerst wenig profitabel.
Mehr Uran, geringerer Verbrauch
Allein seit 2002 stiegen die bekannten Uranreserven um 655.000 Tonnen. Das Deutsche Atomforum ist überzeugt: Durch den Preisanstieg scheinen wir "am Anfang eines neuen Explorationszyklus zu stehen, der zu einer deutlichen Erhöhung der Uranreserven führen wird“. Die Organisation verweist zudem auf den technischen Fortschritt, der den Abbau erleichtere und zugleich in den Kernkraftwerken den Verbrauch an Uran senken werde.
Größter Uran-Produzent der Welt ist Kanada gefolgt von Australien. Gut die Hälfte des in der Welt abgebauten Urans kommt damit aus westlichen Ländern, die politisch stabil sind – ein Hinweis, der gerne von den Befürwortern der Atomenergie fallen gelassen wird.
Nachfrage größer als Angebot
Allerdings wird auch die Nachfrage nach Uran steigen. Allein China will in den kommenden Jahren 12 AKW bauen, und auch Russland verfolgt ein ehrgeiziges Atomprogramm. Schon jetzt übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich - noch wird die Lücke mit der Auflösung der Lagerbestände geschlossen.
Der Abbau von Uran sei deutlich billiger als die Förderung von Erdöl, und die Urankosten betrügen heute nur fünf bis zehn Prozent der Stromerzeugungskosten bei Atomkraftwerken, wirbt das Atomforum. Die Produktionskosten sind allerdings nur die eine Seite der Medaille. So werden dabei die Umweltschäden durch den Abbau nicht eingerechnet - das gilt für Uran und Erdöl gleichermaßen. Allein in Deutschland dürfte die Beseitigung der Folgen des Uranabbaus durch die ostdeutsche Wismut 13 Milliarden Euro betragen. Und den Steuerzahler werden am Ende auch die Kosten für den Bau von Atomkraftwerken und Endlagern ebenso interessieren wie die Fragen nach der Sicherheit der Atommeiler.