Corona-Pandemie Kliniken wollen Ausnahmezustand beenden
Nach wochenlangem Ausnahmezustand aufgrund der Corona-Pandemie fordern Deutschlands Krankenhäuser eine schrittweise Rückkehr in den Regelbetrieb. Planbare Operationen sollen wieder möglich sein.
Dicht an dicht stehen leere Krankenhausbetten, abgedeckt mit Plastikfolie, in einem Raum des DRK-Krankenhauses im rheinland-pfälzischen Alzey. Der Konferenzraum U326 wurde kurzerhand zum "Bettenparkplatz" umfunktioniert. Denn wie überall in Deutschland muss auch das DRK-Krankenhaus seit Beginn der Corona-Krise Kapazitäten für Covid-19-Patienten freihalten. Planbare Operationen wurden verschoben, der Regelbetrieb ausgesetzt. "Unsere Belegung hat sich praktisch innerhalb eines Monats halbiert", sagt der kaufmännische Leiter, Michael Nordhoff. "So etwas gab es noch nie."
Krankenhäuser unter finanziellem Druck
Damit die Kliniken Kapazitäten für Corona-Patienten freihalten, wird im Gegenzug jedes nicht belegte Bett durch einen staatlichen Schutzschirm mit 560 Euro pro Tag ausgeglichen. "Wir halten die Nase damit über Wasser, aber es ist eng", sagt Nordhoff über das DRK-Krankenhaus Alzey. "Für kleine Häuser sind die 560 Euro noch auskömmlich", meint der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, im Gespräch mit tagesschau.de. Doch besonders die großen Kliniken mit Maximalversorgung hätten finanzielle Nachteile. Weil die Corona-Krise die Krankenhäuser bis weit ins Jahr 2021 hinein beschäftigen wird, fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft jetzt, den Covid-19-Bereitschaftsdienst und die reguläre Versorgung in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.
Planbare Operationen wurden verschoben und die Zahl der Intensivbetten erhöht - auch in der Uniklinik Mannheim.
Spahn schickt Konzept an Länderkollegen
Das will auch das Gesundheitsministerium. Angesichts des abgeschwächten Verlaufs der Corona-Pandemie fordert Ressortchef Jens Spahn die Länder auf, die Zahl der in den Krankenhäusern für Infizierte reservierten Intensivbetten herunterzufahren und die Kliniken schrittweise wieder für die Versorgung anderer Patienten zu öffnen. Die Entwicklung bei den Neuinfektionen lasse es zu, ab Mai einen Teil der Krankenhauskapazitäten auch wieder für planbare Operationen zu nutzen, heißt es in einem Konzept Spahns, das er an seine Ressortkollegen aus den Ländern verschickt hat.
Zehn-Punkte-Plan vorgelegt
Druck macht auch die Deutsche Krankenhausgeselllschaft. Um die schrittweise Rückkehr zu einem regulären Betrieb in den Kliniken anzustoßen, schlägt die DKG einen Zehn-Punkte-Plan vor. So sollen Kliniken mit Intensivbehandlungsbetten, an denen künstliche Beatmung möglich ist, 20 Prozent dieser Betten für Covid-19-Patienten freihalten. Darüber hinaus soll flexibel reagiert werden: Erst bei entsprechend steigender Infektionsrate sollen die Kliniken innerhalb von 72 Stunden weitere Covid-19-Behandlungskapazitäten organisieren. Dass man dazu in der Lage sei, so DKG-Chef Gaß, habe man in den zurückliegenden Wochen bewiesen.
Rehakliniken sollten den regulären Betrieb wieder aufnehmen. Für Pflegeheime wiederum muss sichergestellt sein, dass Verdachtsfälle isoliert und Corona-positive Bewohner gut betreut werden können. Dabei sollen umliegende Krankenhäuser helfen. Ein weiterer Punkt: Ambulante Behandlungen sollen flächendeckend wieder aufgenommen werden. Außerdem soll schwerkranken Covid-19-Patienten aus dem Ausland weiterhin geholfen werden, solange auch für die deutsche Bevölkerung genügend Intensivbetten vorhanden sind.
Forderung an das Robert Koch-Institut
Bei all dem bleiben Hygiene und eine größtmögliche Infektionsprävention wichtig - zum Schutz sowohl der Patienten als auch des medizinischen Personals. Damit sich Infektionen nicht innerhalb der Krankenhäuser ausbreiten, fordert die DKG eine besondere Teststrategie. So sollen Corona-positive Patienten und Mitarbeiter frühzeitig erkannt und passende Maßnahmen ergriffen werden. Das Robert Koch-Institut solle diese Teststrategie entwickeln.
Auch die bei Krankenhäusern sowieso ungeliebte Abrechnung nach Fallpauschalen wird von der DKG hinterfragt. "Eine rein leistungsbezogene Vergütung", so heißt es im Zehn-Punkte-Plan, werde der besonderen Herausforderung durch die gleichzeitige Covid-19-Bereitschaft und den Regelbetrieb nicht gerecht.
Im DRK-Krankenhaus Alzey stellte man zuletzt eine große Verunsicherung bei Patienten fest: Einige sorgten sich, in einen durch Corona überforderten Betrieb zu geraten, andere hatten Angst, sich in der Klinik anzustecken. All diese Patienten bräuchten das Signal, dass es sicher sei, bei Beschwerden ein Krankenhaus aufzusuchen. DKG-Präsident Gaß sieht jetzt die Politik am Zug, die Mitte März erlassenen Verordnungen der Bundesländer anzupassen. Denn diese Landesverordnungen seien die aktuelle Rechtsrundlage für die Krankenhäuser. Und solange die gelten würden, dürften die Krankenhäuser die Patienten eben nicht ermuntern, ins Krankenhaus zu kommen.