Ökonom zum Klimaschutz "CO2 muss kosten"
Es werde endlich Zeit, dass die Politik konkrete Lösungen für das "Wie" im Kampf gegen den Klimawandel liefert, sagt Klima-Ökonom Ottmar Edenhofer im Interview mit tagesschau.de. Sein Vorschlag: eine CO2-Steuer. Erfolgreiche Modelle dazu gebe es bereits in anderen Ländern.
tagesschau.de: Herr Edenhofer, auf dem Bonner Weltklimagipfel haben Sie eine neue Klimawissenschaft gefordert. Was stört Sie an der alten?
Ottmar Edenhofer: Wir haben die Regierungen lange Jahre mit Argumenten versorgt, warum man Klimaschutz betreiben müsse. Diese Debatte ist jetzt zu Ende. Jetzt geht es um die Frage: Wie betreiben wir Klimaschutz? Mit welchen politischen Maßnahmen halten wir die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad - wie in Paris vereinbart? Dazu brauchen wir andere Studien.
tagesschau.de: Was schlagen Sie vor?
Edenhofer: Wir müssen weltweit die Emissionen jedes Jahr um etwa sieben Prozent reduzieren. So etwas hat die Menschheit noch nie gemacht. Wir müssen neue Fragen beantworten: Können wir eine Steuer für den Ausstoß von Kohlendioxid einführen? Wie sieht eine brauchbare Reform des europäischen Emissionshandels aus? Können wir uns noch leisten, den Diesel durch Steuersubventionen künstlich zu verbilligen?
Ottmar Edenhofer ist Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Lehrstuhlinhaber für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen Universität Berlin. Bis 2015 saß er acht Jahre an der Spitze des Weltklimarats, der die Vereinten Nationen und die Regierungen der Welt mit wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel versorgt.
tagesschau.de: Was bedeutet denn der billige Diesel für das Klima? Kann man das seriös bewerten?
Edenhofer: Dazu gibt es eine Studie. Wir wissen, dass Menschen an der Zapfsäule sehr empfindlich auf Preise reagieren. Wir wissen, wie sich das auf die Firmen auswirkt, die Dieselautos als Firmenwagen einsetzen. Allein die Abschaffung der Steuersubventionen beim Diesel würde Europa in die Lage versetzen, seine Klimaziele für 2020 zu erreichen.
tagesschau.de: Können in der Klimaforschung die Physiker also einpacken, weil jetzt die Ökonomen an der Reihe sind?
Edenhofer: Natürlich brauchen wir auch weiterhin Studien zum Klimawandel. Aber wichtiger ist es jetzt, der Politik zu zeigen, welche Möglichkeiten sie hat. Welche Maßnahmen sind politisch durchsetzbar? Wenn man eine CO2-Steuer einführt, muss man mit der Bevölkerung darüber reden, was mit den Einnahmen passieren soll. In Ländern, in denen das gelungen ist, erhöht sich das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung, weil jeder weiß, was mit dem Geld passiert. Und man muss einen Plan haben, wie man mit den Verlierern umgeht, wenn der Braunkohletagebau geschlossen und Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Denn natürlich gibt es beim Klimaschutz auch Verlierer.
Modelle gegen Mehrbelastung der Bürger
tagesschau.de: Jetzt redet bei den Jamaika-Sondierungen nun wirklich niemand von einer CO2-Steuer, selbst die Grünen nicht. Daran traut sich keiner, weil das als "politisch nicht durchsetzbar" gilt.
Edenhofer: Aber es gibt auch erfolgreiche Modelle: Im kanadischen British Columbia wurde dadurch das Wirtschaftswachstum von den Treibhausgasen entkoppelt. Das heißt, dass mehr Wohlstand nicht automatisch zu mehr klimaschädlichen Gasen in der Atmosphäre führt, wie es bei uns der Fall ist. In Schweden kostet der Ausstoß von einer Tonne CO2 150 Euro. Das hat eine enorme Wirkung auf die Senkung der Emissionen. In Deutschland sollten wir die Stromsteuer abschaffen und stattdessen die Energieträger nach ihrem Kohlenstoffgehalt besteuern.
tagesschau.de: Heißt das, dass eine Kohlendioxidsteuer für die Bürger keine finanzielle Mehrbelastung bedeuten würde?
Edenhofer: In British Columbia hat man begleitend zu einer CO2-Steuer die Einkommenssteuer gesenkt und den Bürgern aus den verbliebenen Mehreinnahmen an Weihnachten einen Scheck in die Hand gedrückt. Damit hat man die Mehrbelastung der unteren Einkommen teilweise ausgeglichen. Die Menschen dort finden das gut.
"Kohleausstieg muss sein"
tagesschau.de: Könnte man sich damit in Deutschland den umstrittenen Kohleausstieg sparen?
Edenhofer: Am Kohleausstieg führt kein Weg vorbei. Die Frage ist nur, wie wir das anstellen. Wenn wir einfach die schmutzigsten Kraftwerke abschalten, steigt der Strompreis. Die Betreiber der effizienten Kohlekraftwerke verdienen daran. Wenn wir stattdessen eine CO2-Steuer einführen, dann schöpfen wir diese Gewinne ab und die Öffentlichkeit verdient durch die Steuereinnahmen am Kohleausstieg mit. Wenn wir das der Bevölkerung erklären, bin ich der Meinung, dass sie das auch wollen wird.
Vor Beginn des Klimagipfels in Bonn hatten Teilnehmer einer Demonstration des Aktionsbündnisses "Ende Gelände" einen Kohleausstieg gefordert.
tagesschau.de: Sehen Sie eine brauchbare Idee zum Klimaschutz bei den laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin?
Edenhofer: Die Diskussion zwischen den Koalitionspartnern in Berlin ist noch ziemlich schräg. Wir sind ja mit dem Pariser Abkommen Verpflichtungen eingegangen, die wir einhalten müssen. Bei den Jamaika-Verhandlungen müssten die Grünen sagen: Wir wollen ambitionierten Klimaschutz. Und die FDP sagt: Wir zeigen Euch, wie man das mit marktwirtschaftlichen Instrumenten effizient und fair für alle machen kann. Aber dazu, so scheint es, muss die FDP beim wirtschafts- und klimapolitischen Sachverstand nachrüsten.
Das Interview führte Lorenz Beckhardt, WDR, für tagesschau.de