Pilotprojekt zu Flüchtlings-Registrierung in Paderborn Schluss mit dem "System voller Unsinn"
Doppelt-Registrierungen, Flüchtlinge, die seit 18 Monaten auf ihre Anhörung warten: Auch sechs Monate nach Merkels "Wir schaffen das" holpert das System, mit dem Flüchtlinge registriert und Asylverfahren eingeleitet werden. Die Stadt Paderborn wird nun selbst aktiv.
Zehn Flüchtlinge sitzen im hellen Flur des Jobcenters Paderborn. Sie lachen, sie machen mit der Hand das Peace-Zeichen und schauen gebannt auf eine Tür. Wer sie durchschreitet, ist dem Asylantrag plötzlich ganz nah. Denn was im Jobcenter in Paderborn passiert, ist kein beschwerlicher Behördenalltag. Es ist ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt. Mitarbeiter des Kreises Paderborn erfassen an sieben improvisierten Arbeitsplätzen Flüchtlinge. In einem Raum machen sie selbst Fotos und nehmen Fingerabdrücke, nebenan erfasst ein Mitarbeiter mit einem Dolmetscher die Personalien und den Fluchtgrund. Das Ganze führen sie zu einer Akte zusammen und übermitteln die dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
"Diese Vor-Ort-Bearbeitung durch die Kommune klappt sehr gut", sagt Landrat Manfred Müller. "Wir sind als dezentrale Registrierungsstelle einfach viel effektiver." Von der Idee bis zur Eröffnung der Arbeitsplätze in Paderborn hat es vier Wochen gedauert. Sie nutzen noch immer langsame Mobilfunkverbindungen, um die Akten für den Asylantrag zu verschicken. Es soll bald für alle schneller gehen, hoffen sie hier. Für die wartenden Flüchtlinge und die Kommunen. "Wir haben 3.500 unbearbeitete Asylverfahren hier im Kreis, teilweise bis zu anderthalb Jahre alt", betont Landrat Müller. "Deswegen haben wir einfach gesagt: Gebt uns die technischen Möglichkeiten, wir stellen das Personal."
Monatelanges Warten auf einen Termin für den Asylantrag
Tausende Flüchtlinge warten teils monatelang auf einen Termin in den Außenstellen des BAMF. Waren es im Januar 2015 noch 600 Asyl-Entscheidungen pro Tag, so konnte die Behörde die Zahl der Entscheidungen im Dezember 2015 auf gut 2000 erhöhen. Ziel sind 6000 pro Tag. Ist das genug? Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW bemängelt den "Wahnsinn der Behörden": die Doppelt-Registrierung durch Bund und Land, der fehlende Austausch bei den Systemen.
Selbst wenn ab sofort kein Flüchtling mehr nach Deutschland kommen würde, wäre die Arbeit nicht vorbei: Das BAMF schiebt noch immer etwa 770.000 offene Asylfälle vor sich her. "Der Stau ist nicht erst letztes Jahr entstanden, sondern es ist ein Problem, das schon über Jahre besteht", sagt Birgit Naujoks. "Das ist ein System voller Unsinn, bei dem die Energien falsch eingesetzt werden."
Die Arbeit wird doppelt gemacht
In NRW gibt es drei zentrale Registrierungsstellen. Am Flughafen Münster-Osnabrück arbeitet in einer Halle das Land und nimmt die Daten in ihr System auf, in der Nachbarhalle wird für das BAMF registriert und es werden Fingerabdrücke genommen. Zwei separate Prozesse, zwei Mal Warten für die Flüchtlinge. Bislang wird die Arbeit doppelt gemacht. Die Computer von Bund und Land sind nicht vernetzt. Die Fingerabdrücke werden nur bei der Registrierung durch das BAMF erfasst. Es soll besser werden, sagt die Landesregierung NRW, mit einem einheitlichen PC-System und einem Flüchtlingsausweis mit Fingerabdruck. Das wird bereits in Pilotprojekten getestet, wie im bayrischen Zirndorf, und soll flächendeckend eingeführt werden. "Wenn man im Moment ankommt, kriegt man für Juli oder August einen Termin zur Asylantragsstellung", sagt Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW. "Das will keiner. Weder der Flüchtling, der schnell eine Entscheidung braucht. Noch die Behörde, die schnell den Flüchtling integrieren oder abschieben will."
Kommune übernimmt Aufgabe des Bundes
Im Januar 2015 wurden bundesweit 32.229 Geflüchtete per EASY-Registrierung erfasst. Im Januar 2016 waren es 91.671 Menschen. Bei den angenommenen Asylanträgen waren es im Januar 2015 25.042 und im Januar 2016 52.103. Die Zahlen zeigten den drängenden Bedarf, so der Flüchtlingsrat NRW, die Asylanträge schnell zu bearbeiten. Damit es nicht erst Kommunen braucht, die aus Eigeninitiative heraus das Problem lösen wollen. "Wir haben unheimlich lange Wartezeiten bei den Asylverfahren gehabt", sagt Landrat Müller. "Wir schaffen das relativ fix. Wir bearbeiten mittlerweile Asylverfahren, das hätte noch vor kurzer Zeit niemand für möglich gehalten." Die endgültige Entscheidung über den Asylantrag fällt weiterhin das BAMF. Die Flüchtlinge im Kreis Paderborn begrüßen die Bearbeitung vor Ort, damit das Warten endlich ein Ende hat.