Interview mit "Die Linke"-Parteivize Kipping "Wir haben uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert"
Die Partei "Die Linke" gibt sich emanzipatorisch. Doch Parteivize Kipping beklagt Defizite bei der Etablierung von Spitzenpolitikerinnen. Daran habe die Fusion mit der WASG nichts geändert, sagt sie im tagesschau.de-Interview.
Keine linke Strömung ohne Emanzipations-Gedanken: Auch die Linkspartei beansprucht für sich die Attribute emanzipatorisch und feministisch. An ihrer Spitze stehen aber erneut zwei Männer. tagesschau.de hat mit Katja Kipping, Bundestagsabgeordnete der Partei "Die Linke", nach ihrer Wiederwahl als Parteivize beim Bundesparteitag in Cottbus über diese Kluft gesprochen.
tagesschau.de: Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Sie sind eine Vertreterin der Interessengruppe "Emanzipatorische Linke". Die zwei Chefposten wurden wieder mit Männern besetzt, Oskar Lafontaine und Lothar Bisky. Warum ist das so bei der Linkspartei?
Katja Kipping: Ich habe bereits vor einem Jahr dazu aufgerufen, dass wir in Zukunft mehr Frauen an der Spitze haben. Man muss ganz kritisch sagen: Uns ist es im letzten Jahr nicht gelungen, Frauen so aufzubauen, dass sie jetzt eine solche Kandidatur in Angriff nehmen konnten. Das ist eine Herausforderung, der sich die Männer an der Spitze stellen müssen. Aber auch die Frauen in der Partei müssen sich hier stärker zusammenschließen.
"Kann mir Parteiführung vorstellen"
tagesschau.de: Wenn heute noch keine Frau das Zeug dazu hat, welche könnte es dann in der Zukunft haben?
Katja Kipping ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei "Die Linke". Sie war zwischen 1999 und 2005 Abgeordnete des Sächsischen Landtags und zog 2005 über die Landesliste ihrer Partei in den Bundestag ein. Dort ist sie sozialpolitische Sprecherin der Fraktion "Die Linke".
Kipping: Ich kann mir das irgendwann mal für mich vorstellen, aber mit Anfang 30 gibt es noch Schöneres, als sein Leben komplett in den Dienst der Politik zu stellen. Das ist eine ganz persönliche Entscheidung. Aber wir haben viele tolle Frauen in der Partei und in der Fraktionsspitze. Ich werde jetzt keine Namen nennen, so lange das nicht endgültig unter uns Frauen abgesprochen ist.
tagesschau.de: Die Partei ist vorläufig also kein Aushängeschild der Gleichstellung?
Kipping: Wir haben uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Man kann das jetzt auch nicht nur auf die Männer an der Spitze schieben. Wir leben in einer patriarchalischen Welt. Auch die Medien bedienen dieses Muster, da ist es schwer, Frauen zu etablieren.
"Wollen wir alle Privilegien der Ehe abschaffen?"
tagesschau.de: Es heißt, durch die Westdeutschen, die vermehrt der Partei beitreten, werde die Partei noch "männlicher". Wie wollen Sie dagegen angehen?
Kipping: Wir haben aus dem Westen nicht nur Machos bekommen, wir haben auch viele Feministinnen bekommen. Wir haben mit der PDS lange versucht, im Westen Wahlen zu gewinnen. Es ist toll, dass "Die Linke" jetzt eine gesamtdeutsche Partei ist. Fakt ist, dass wir dadurch einige Diskussionen noch einmal führen müssen. Zum Beispiel die Frage: Wollen wir das Individualprinzip und schaffen damit alle Privilegien der Ehe ab? Es deutet sich inzwischen an, dass es auch in der neuen Linken eine Mehrheit dafür gibt. Aber das muss wieder hart erkämpft werden.
tagesschau.de: Wo sollen diese Diskussionen geführt werden: Sie hatten in Ihrem Vorstellungsstatement zur Vorstandswahl die "lebendige Mitgliederpartei" beschworen. Die haben wir hier in Cottbus bisher nicht gesehen, es ging eher bedächtig zu.
Kipping: Das lag zum Teil am Verfahren. Es gab unzählige Anträge, die wir alle behandeln mussten. Deswegen haben wir Themen-Hopping gemacht mit Redezeiten von einer Minute. Die Programmdiskussion werden wir stärker für die Debatte nutzen. Außerdem war die Aussprache zum Thema Rente zwar vor allem vom Willen zur Gemeinsamkeit, aber auch von kontroversen Positionen geprägt.
Das Interview führte Anja Mößner, tagesschau.de