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ARD-Rechtsexperte zum Fall Hoeneß Wann muss Hoeneß ins Gefängnis?

Stand: 14.03.2014 15:22 Uhr

Nach dem Revisions-Verzicht von Uli Hoeneß sind viele Fragen offen: Wann muss er hinter Gitter? Welche Haftbedingungen erwarten ihn? Wieviel Geld muss er zurückzahlen? ARD-Rechtsexperte Bräutigam gibt im tagesschau.de-Interview Antworten.

tagesschau.de: Uli Honeß will nun doch keine Revision. Warum akzeptiert er seine Strafe?

Frank Bräutigam: Zu seinen Motiven hat er ja eine persönliche Erklärung abgegeben. Aus juristischer Sicht ist es aber wichtig zu wissen: Wenn nur der Angeklagte Revision einlegt, wird sein Urteil entweder bestätigt oder es wird günstiger. Es darf aber nicht härter werden. Das ist wichtig zu wissen, weil man ansonsten vermuten könnte, dass Hoeneß auf die Revision verzichtet, um einer noch härteren Strafe zu entgehen.

tagesschau.de: Noch ist das Urteil aber nicht rechtskräftig, denn auch die Staatsanwaltschaft kann Revision einlegen. Für wie wahrscheinlich halten Sie diesen Schritt?

Bräutigam: Das hängt davon ab, was den Staatsanwälten wichtiger ist. Ob sie sagen: Wir müssen die rechtliche Grundsatzfrage vom Bundesgerichtshof klären lassen, welche strafmildernde Wirkung eine gescheiterte Selbstanzeige haben kann. Oder ob sie die persönliche Entscheidung von Uli Hoeneß akzeptieren und auf eine Revision verzichten. Sollten sie sich für eine Revision entscheiden, wird der Richterspruch nicht rechtskräftig und ein Haftantritt wäre nicht möglich. Man kann also zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher sagen: Hoeneß geht in einigen Wochen in Haft. Die Frist für die Einlegung der Revision läuft übrigens am 20.3. um 24 Uhr ab. Legt niemand Revision ein, wird das Urteil dann rechtskräftig.

tagesschau.de: Gab es bei Gericht einen Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft die Grundsatzfrage klären lassen will?

Bräutigam: Einen speziellen Hinweis habe ich in den Plädoyers nicht wahrgenommen. Es war jedoch im Vorfeld des Prozesses die Rede davon, dass es nicht schlecht wäre, diese Grundsatzfrage einmal anzugehen.

tagesschau.de: Wie lange würde es bei einer Anrufung des Bundesgerichtshofes dauern, bis das Hoeneß-Urteil rechtskräftig wäre?

Bräutigam: Eine endgültige Entscheidung aus Karlsruhe würde nach einem halben bis einem Jahr vorliegen. Solange würde Hoeneß auf freiem Fuß bleiben.

"Freigänger-Modell könnte für Hoeneß gelten"

tagesschau.de: Wenn es nicht zur Revision der Staatsanwaltschaft kommt, muss Hoeneß dann damit rechnen, dreieinhalb Jahre hinter Gittern zu verbringen?

Bräutigam: Die gesamte Zeit halte ich für sehr unwahrscheinlich. Häufig wird nach zwei Dritteln der Zeit die Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt. In Ausnahmefällen gibt es sogar die Möglichkeit, schon zur Hälfte der Zeit diesen Schritt zu gehen. Noch weiter vorher gibt es die Möglichkeit des sogenannten offenen Vollzugs, da kann man sich in der Haftanstalt freier bewegen. Oder man bekommt Freigang. Das bedeutet, dass man zum Beispiel tagsüber seiner Arbeit nachgeht und nur die Nächte in der Anstalt verbringt. Ab welchem Zeitpunkt das aber möglich ist, müssen die Justizbehörden im Einzelfall entscheiden.

tagesschau.de: Würde Hoeneß nach ihrer Einschätzung die Voraussetzungen für einen Freigang erfüllen?

Bräutigam: Bei dem Freigänger-Modell geht es darum, dass man eine Fluchtgefahr ausschließen kann und dass der Häftling in gefestigten familiären Verhältnissen lebt. Insofern sehe ich durchaus die Möglichkeit, dieses Modell auf ihn anzuwenden. Die Frage ist nur, ab wann. Erst einmal wäre Herr Hoeneß ein Häftling wie jeder andere auch. Die Behörden in Bayern sind nicht unbedingt bekannt dafür, ab dem ersten Tag Freigang zu gewähren.

Steuerschuld kann noch weitaus höher sein

tagesschau.de: In welches Gefängnis muss Hoeneß denn gegebenenfalls?

Bräutigam: Jedes Bundesland hat einen "Vollstreckungsplan". Im Fall von Hoeneß sieht der vor, dass die Haftanstalt in Landsberg zuständig ist. Das hat auch die Gerichtssprecherin bestätigt.

tagesschau.de: Jenseits der Haft - was erwartet Hoeneß nach dem Urteil finanziell?

Bräutigam: Er wird seine Steuerschuld nachzahlen müssen. Das muss nicht unbedingt die Summe sein, die jetzt für das Strafurteil zu Grunde gelegt wurde. Ich gehe eher davon aus, dass sich die Finanzbehörden nun die Unterlagen noch einmal anschauen und die Steuerschuld exakt ausrechnen. Auf diese Summe kommen dann noch Zinsen drauf. Das kann noch ein ganz schön dicker Batzen werden, den Hoeneß zu bezahlen hat.

Das Interview führte Florian Pretz, tagesschau.de