Debatte um Arbeitszeitmodell Wer die Viertagewoche will
Ist die Einführung der Viertagewoche sinnvoll bei vollem Lohnausgleich? SPD-Chefin Esken hat mit ihrem Vorstoß die Debatte wiederbelebt. Für den DGB ist sie keine "allgemeine Lösung", Union und FDP sind dagegen.
Weniger Arbeitstage bei vollem Gehalt - für viele Arbeitnehmer würde eine Viertagewoche einige Probleme lösen. Befürworter dieses Arbeitsmodells verweisen auf Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, wonach eine Viertagewoche die Arbeitsbelastung senke und die Produktivität erhöhe.
SPD-Chefin Saskia Esken hat die Debatte um die Viertagewoche wieder angestoßen. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir mit einer Viertagewoche gute Ergebnisse erzielen", sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Gerade Eltern bräuchten andere, flexiblere und geringere Arbeitszeiten, um ihre familiären Pflichten und Bedürfnisse besser organisieren zu können. "Sicher braucht man einen Lohnausgleich", fügte Esken hinzu. Viele Menschen könnten von ihrem Lohn schon jetzt nicht leben.
DGB: Keine Lösung für alle Branchen
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi, begrüßte den Vorschlag für die Einführung einer Viertagewoche. Allerdings sah sie darin im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks keine allgemeine Lösung. Dies müsse "in jeder Branche und es muss vor allem über Tarifverträge geklärt und abgesichert sein". Zwar müsse die zunehmende Verdichtung der Arbeitszeit auch mit längeren Erholungsphasen einhergehen, sagte Fahimi. "Das kann man aber nicht generell beantworten."
Union: Viertagewoche schadet Wirtschaft
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe, warnte, ein solches Vorgehen werde Deutschlands Wirtschaft schaden. "In Zeiten von Fachkräftemangel die Arbeitszeit zu verkürzen und die Arbeit zu verteuern, würde der Wettbewerbsfähigkeit einen Bärendienst erweisen", sagte er dem "Tagesspiegel".
FDP: Viele Bereiche erfordern Präsenz
Auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sieht vor dem Hintergrund des "massiven Fachkäftebedarfs" in vielen Bereichen Eskens Vorschlag als "wenig verständlich". Die Vermutung, es würde generell bei geltender Viertagewoche produktiver gearbeitet, sei nicht richtig, weil viele Tätigkeiten, gerade im Care-Bereich, Polizei oder der medizinischen Versorgung, eine Präsenz des Arbeitnehmers erforderten.
"Wo eine Viertagewoche doch vereinbart werden kann, können dies Arbeitnehmer und Arbeitgeber selbst miteinander vereinbaren, ohne auf Ratschläge aus der Politik zurückgreifen zu müssen", so Kober.
Linkspartei pocht auf Wahlfreiheit
Die Linkspartei forderte Lohnzuschüsse für kleinere Betriebe für einen Übergang zur Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. Vor dem Tag der Arbeit am 1. Mai legte Parteichefin Janine Wissler einen Plan vor, wie die Arbeitszeitkürzung vonstatten gehen könnte. Dazu gehört, zunächst mit Modellversuchen zu starten und die Viertagewoche dann in drei Schritten in einem Zeitraum von zwei Jahren einzuführen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen aus Wisslers Sicht frei wählen können, ob sie vier oder fünf Tage arbeiten. "Studien zeigen, dass die Viertagewoche sowohl Produktivität als auch Wohlbefinden steigert", argumentierte Wissler. "Allerdings haben viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer große Bedenken, weil sie Angst vor Lohneinbußen haben." Deshalb müsse es vollen Lohnausgleich geben.
Wirtschaftliche Milchmädchenrechnung?
Der Arbeitgeberverband BDA wies die Forderungen nach einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich zurück. "Deutlich weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich - wirtschaftlich ist das eine Milchmädchenrechnung", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der "Bild am Sonntag". Er habe aber nichts gegen individuelle Lösungen in den Betrieben. Der BDA plädiere sehr für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts, dennoch sei eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit "ein falsches Signal in unserer Lage".
Der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, hingegen verteidigte den Vorschlag seiner Gewerkschaft. Er rechne damit, dass mit der Viertagewoche das Arbeitsvolumen insgesamt gesteigert werde. "Elf Millionen Beschäftigte, meist Frauen, arbeiten in Teilzeit. Das sind fast 30 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, das ist mit der höchste Anteil in Europa", erklärte Hofmann dem Blatt.
Die Beschäftigtenbefragungen der IG Metall hätten ergeben, dass bei einer Viertagewoche mit 32 Stunden mehr Frauen bereit wären, in Vollzeit zurückzukehren, weil das Modell auch mit Familie funktioniere. "Würden nur zehn Prozent der Frauen in Teilzeit auf die Vier-Tage-Vollzeit gehen, würde das Arbeitsvolumen stärker steigen als durch die von der Regierung angestrebte Fachkräfteeinwanderung von 400.000 Menschen pro Jahr", so Hofmann weiter.
Die IG Metall hatte sich zuletzt für die Einführung der Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich stark gemacht.