Abzug aus Afghanistan Untersuchungsausschuss auf der Zielgeraden
Nach mehr als zwei Jahren endet der U-Ausschuss zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Unter anderem wird den Ex-Ministern Maas und Müller vorgeworfen, damals große Fehler gemacht zu haben. Heute werden sie befragt.
Gerd Müller und Heiko Maas müssen sich wohl auf lange Befragungen einstellen. Sowohl der damalige Entwicklungsminister Müller (CSU) als auch Ex-Außenminister Maas (SPD) waren in den Wochen, Monaten und Tagen vor dem Fall der afghanischen Hauptstadt Kabul über die Entwicklungen im Land, über die sich zuspitzende Lage informiert und in die Entscheidungsprozesse eingebunden.
In beiden Ministerien ging man lange davon aus, die Arbeit in Afghanistan fortsetzen zu können. Dafür wurden die einheimischen Ortskräfte gebraucht. Worauf stützte zum Beispiel Entwicklungsminister Müller seine Einschätzung der Lage? Das will der Bundestagsabgeordnete Thomas Röwekamp, Obmann der CDU im Untersuchungsausschuss, den ehemaligen Minister fragen. Müllers Ministerium habe die Bedrohungslage der Ortskräfte durch die Taliban nicht "auf dem Schirm" gehabt, sagt Sara Nanni, die die Grünen im Ausschuss vertritt.
"Erst interessiert, als es geknallt hat"
Dass rund um den Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan durch die Bundesregierung "jede Menge" Fehler gemacht wurden, steht für die Bundestagsabgeordnete Nanni fest. Mit Blick auf die Zeugenbefragung von Ex-Außenminister Maas stellt sich für Nanni die Frage: "Inwiefern ihn das Thema Afghanistan überhaupt bewegt hat?" Nach dem Lesen der entsprechenden Dokumente beschreibt die grüne Bundestagsabgeordnete die Rolle von Maas vor dem Fall der afghanischen Hauptstadt an die Taliban als "abwesend".
So habe Maas an der ersten Krisenstabssitzung Mitte August 2021 gar nicht teilgenommen. Der Minister habe sich für die Lage "erst interessiert, als es geknallt hat." Der SPD-Obmann im Ausschuss, Jörg Nürnberger, kündigt vor der Zeugenbefragung seines Parteifreundes und ehemaligen Ministers an, man werde fragen müssen, ob Maas mehr Einfluss hätte nehmen können, um eine Eskalation der Lage zu verhindern.
Fehlender Wille, das Land zu verlassen?
CDU-Obmann Röwekamp kritisiert - vor den Aussagen der beiden Minister - die Vorbereitungen in deren Häusern auf eine mögliche Evakuierung. Diese waren aus Sicht Röwekamps unzureichend. Er nennt als Beispiel das Fehlen von Namenslisten ausreiseberechtigter Personen.
Sowohl im Auswärtigen Amt als auch im Bundesministerium für Zusammenarbeit fehlte aus Sicht Röwekamps der Wille, Afghanistan zu verlassen. Für seinen Ausschusskollegen Nürnberger waren die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Ministerien ein zentrales Problem. Man habe sich gegenseitig blockiert und Entwicklungen nicht vorangetrieben, sagt SPD-Obmann Nürnberger.
Die oberste Verantwortung für die Entscheidungen rund um das Ende des deutschen Afghanistan-Einsatzes trägt die damalige Kanzlerin, Angela Merkel. Sie soll in der nächsten Woche durch den Ausschuss befragt werden. Das Gremium muss seine Arbeit bald abschließen - durch die vorgezogene Bundestagswahl rund vier Monate früher als geplant.
Programm ermöglichte 35.000 Einreisen
Mit dem Abschluss dieser Legislaturperiode des Bundestages kommt nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und des NDR wahrscheinlich auch das Bundesaufnahmeprogramm für in ihrer Heimat besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen zu einem Ende. Es soll Personen die Einreise nach Deutschland ermöglichen, die durch ihr Engagement, zum Beispiel für Menschenrechte, sowie durch ihre Religion oder durch ihre sexuelle Orientierung in ihrem Heimatland einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sind.
Finanziert wird das Programm durch Haushaltsmittel des Bundestages. Bisher reisten rund 860 Menschen über dieses Programm nach Deutschland ein, wie das Bundesinnenministerium auf Nachfrage mitteilte. Weiteren mehreren Tausend Personen wurde eine Einreise in Aussicht gestellt. Diese schon gemachten Zusagen sollen den ARD-Recherchen zufolge auch dann gelten, wenn das Bundesaufnahmeprogramm nach dem Ende der Legislaturperiode nicht mehr fortgesetzt werden sollte.
Insgesamt wurde den Angaben aus dem Innenministerium zufolge rund 35.000 gefährdeten Menschen, zu denen auch Ortskräfte zählten, die Einreise nach Deutschland ermöglicht.