Staatsangehörigkeitsrecht im Kabinett Schnellere Einbürgerungen - wo die Haken sind
Die Fristen für Einbürgerungen sollen verkürzt werden - das hat das Kabinett beschlossen. Für einige Menschen soll es leichter werden, die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen. Doch andere fallen durch das Raster.
Vor sechs Jahren kam Inas Sharif mit ihrem Sohn nach Deutschland - im Rahmen des Familiennachzugs. Heute lebt die Syrerin von ihrem Mann getrennt. Sie ist alleinerziehend. Gerne würde sie sich in Deutschland einbürgern lassen. Für sie und ihren Sohn würde die Staatsbürgerschaft Sicherheit bedeuten, sagt sie. "Wir wünschen uns, dass wir hier bleiben dürfen und dass wir keine Angst davor haben, dass wir irgendwann zurückgeschickt werden."
Eine geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die sich die Ampelkoalition schon im Koalitionsvertrag vorgenommen hatte, sollte eine Einbürgerung für Sharif eigentlich schneller möglich machen - doch an einer Stelle könnte es für sie zum Problem werden.
Nun hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschlossen. Danach soll eine Einbürgerung künftig in der Regel schon nach fünf Jahren - statt wir bisher nach acht Jahren - möglich sein. Bei besonderen Integrationsleistungen und fortgeschrittenen Sprachkenntnissen sogar nach drei statt bisher sechs Jahren.
Sicherung des Lebensunterhalts
Doch die Sache hat einen Haken: Die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts war und soll weiterhin Voraussetzung für eine Einbürgerung sein. Wer Geld vom Staat bekommt, soll in der Regel nicht eingebürgert werden. An dieser Stelle könnte das Staatsangehörigkeitsrecht strenger werden als bisher.
Für Sharif könnte das zum Problem werden. Im Moment macht sie eine Umschulung zur sozialpädagogischen Assistentin und ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Das könnte auch künftig so bleiben. Denn ihr Sohn ist autistisch und braucht viel Betreuung. Ein Job in Vollzeit ist für sie im Moment nicht möglich.
Bislang galt eine Ausnahme für all diejenigen, die die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen "nicht zu vertreten" haben. Darunter konnte beispielsweise fallen, dass jemand wegen einer Behinderung keinen Job findet. Behörden und Gerichte legten die Vorschrift in der Vergangenheit allerdings unterschiedlich streng aus.
Konkrete Ausnahmen
Nun soll der Passus ganz gestrichen und stattdessen konkrete Ausnahmen benannt werden - etwa für sogenannte Gastarbeiter, die in den 1950er- bis 1970er-Jahren zum Arbeiten in die Bundesrepublik Deutschland kamen, und für sogenannte Vertragsarbeiter, die bis 1990 in die DDR kamen. Auch für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten, aber in Vollzeit arbeiten und dies innerhalb der letzten 24 Monate mindestens 20 Monate getan haben, soll es eine Ausnahme geben - und für Elternteile, die mit ihrem Kind und einem anderen in Vollzeit arbeitenden Elternteil zusammenleben.
Im ersten Entwurf des Bundesinnenministeriums war diese Formulierung noch nicht vorgesehen. Sie kam erst in einer zweiten Version hinzu, die die SPD-Ministerin Nancy Faeser im Mai gemeinsam mit ihrem Kollegen von der FDP, Bundesjustizminister Marco Buschmann, präsentiert hatte. Der Gedanke dahinter: Wer eingebürgert wird, muss "wirtschaftlich integriert" sein.
Nicht erfasst von dem geplanten Ausnahmekatalog sind etwa Alleinerziehende, die wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht oder nur in Teilzeit arbeiten können, pflegende Angehörige, Menschen mit Behinderung und nicht zuletzt Auszubildende und Studierende. Das Bündnis "passtunsallen", die Diakonie Deutschland und Pro Asyl hatten das scharf kritisiert. Der Gesetzentwurf, der nun durchs Kabinett soll, benennt das Problem ausdrücklich in der Begründung und verweist darauf, dass diese Menschen über eine Härtefallregelung eingebürgert werden können, "wenn sie alles objektiv Mögliche und subjektiv Zumutbare unternommen haben, um ihren Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern".
Es handelt sich dabei um eine sogenannte Ermessens-Einbürgerung nach Paragraf 8 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Nach dieser Vorschrift gibt es keinen Anspruch auf eine Einbürgerung, sie liegt vielmehr im Ermessen der Behörde. In der Praxis profitieren davon derzeit zum Beispiel Profisportler, die in eine Nationalmannschaft aufgenommen werden sollen.
Mehrstaatigkeit und weniger Sprachnachweise
Eine weitere Änderung soll es noch an einem sehr grundsätzlichen Punkt geben: Die Voraussetzung, dass man seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben muss, soll gestrichen werden. In der Praxis ist es schon heute so, dass Mehrstaatigkeit bei Eingebürgerten die Regel und nicht die Ausnahme ist. Die Quote steigt seit Jahren, 2022 lag sie bei 74 Prozent. Das liegt an umfangreichen Ausnahmen etwa für Staatsangehörige von EU-Mitgliedsländern und der Schweiz - oder wenn die Aufgabe der Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich ist. So behielten nach Angaben des Statistischen Bundesamts etwa Syrerinnen und Syrer im vergangenen Jahr zu 99,9 Prozent ihre syrische Staatsangehörigkeit.
Erleichterungen soll es außerdem beim Nachweis von Sprachkenntnissen geben. Für Angehörige der Gastarbeitergeneration soll es etwa ausreichen, wenn sie sich im Alltag ohne Probleme verständigen können.
Die Bundesregierung will mit der Reform Ausländern, die dauerhaft in Deutschland leben, ein "deutlich attraktiveres Angebot" zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit machen als bisher. Sie erhofft sich davon einen Anreiz zur "zügigen Integration". Mit der Staatsbürgerschaft gehen Rechte und Pflichten einher. Insbesondere eine vollständige politische Teilhabe wie die Teilnahme an Bundestagswahlen ist nur mit deutschem Pass möglich.
Die Einbürgerungsquote lag dem Statistischen Bundesamt zufolge im vergangenen Jahr bei 3,1 Prozent der seit mindestens zehn Jahren in Deutschland lebenden ausländischen Bevölkerung - etwas höher als in den Jahren zuvor. Besonders viele Syrerinnen und Syrer, die seit 2015 gekommen sind, wurden eingebürgert. Inas Sharif würde demnächst auch gern zu den Eingebürgerten zählen: "Ich finde fünf Jahre genug, um ehrlich zu sein. Wenn wir unser Bestes geben, wenn wir uns integrieren, wenn wir die deutsche Sprache lernen."
Bis 2028 will das Bundesinnenministerium prüfen, ob die Änderungen zu einer höheren Einbürgerungsrate geführt haben. In einem nächsten Schritt muss der Gesetzentwurf aber erst einmal vom Bundestag beraten und beschlossen werden.