Debatte um Sozialreformen "Wir sollten uns nicht in Transferleistungen überbieten"
Weitere Sozialreformen werde es mit ihr nicht geben, betont die FDP. Die Regierungspartei argumentiert dabei ähnlich wie die oppositionelle CDU. Deren Chef Merz warnte vor einem Überbietungswettbewerb bei Transferleistungen.
Nach monatelangem Streit hatten Arbeitsminister Hubertus Heil, Finanzminister Christian Lindner und Familienministerin Lisa Paus am Montag die Einigung auf die Kindergrundsicherung gemeinsam verkündet. Heil nannte die Kindergrundsicherung neben der Bürgergeld- und der Wohngeldreform "das dritte große Reformvorhaben der Bundesregierung". Es zeige, dass sich alle Generationen auf den Sozialstaat verlassen könnten. Auch der Finanzminister von der FDP sprach von einem "guten Ergebnis", setzte aber andere Akzente als der SPD-Politiker Heil und die Grüne Paus.
Ihm sei es wichtig, dass die Reform "Erwerbsanreize" setze, betonte Lindner. Und schob direkt eine Art "Sozialreform-Stoppschild" hinterher: Angesichts der Kosten, die die Kindergrundsicherung verursache, werde sich der Bund absehbar keine weitere große Sozialreform mehr leisten können.
Djir-Saraij: Keine weitere Umverteilung
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte nun diese Haltung seiner Partei. "Es kann in der aktuellen Situation, im Angesicht von Inflation und hoher Zinsen, nicht um eine Ausweitung des Sozialstaats gehen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Eine "weitere Umverteilung" dürfe es nicht geben, vielmehr müsse es um das Erwirtschaften gehen. "Dafür müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden und darauf muss von nun an auch der politische Fokus liegen", sagte Djir-Sarai.
Der Vorsitzende der Jungen Gruppe in der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Teutrine, sprach sich zudem für eine Entlastung der Beschäftigten aus. "Dringend nötig" seien "Entlastungen bei Steuern und Sozialabgaben sowie eine deutliche Anhebung der Minijobgrenze, damit Arbeit sich immer mehr lohnt", sagte er der "Bild". Konkret schlägt Teutrine "eine deutliche Anhebung von steuerlichen Freibeträgen" vor sowie die Rücknahme der Anhebung der Arbeitslosen- und Pflegebeiträge.
Merz verweist auf Lohnabstandsgebot
Ganz ähnlich wie die mitregierende FDP argumentiert die oppositionelle Union. Bereits gestern hatte der Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn mit Blick auf die geplante Erhöhung des Bürgergelds von einem "falschen Signal" gesprochen und mehr Strafen für arbeitsunwillige Erwerbslose gefordert. "Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet", sagte Spahn der "Bild"-Zeitung.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz verweist bei der Debatte um die Sozialreformen auf das sogenannte Lohnabstandsgebot. "Diejenigen, die arbeiten, müssen netto mehr in der Tasche haben als die, die soziale Transferleistungen bekommen", sagte Merz im ARD-Morgenmagazin. "Wir sollten uns nicht in Transferleistungen überbieten", sagte der CDU-Chef, sondern an diejenigen denken, die "in den unteren und mittleren Einkommensgruppen" unterwegs seien. "Die morgens um sieben aufstehen und sich die Frage stellen, warum stehe ich eigentlich auf und gehe arbeiten, wenn ich ohne Arbeit für meine Familie genauso viel bekommen kann."
"Problem ist mangelnde Bildung"
Auf die Frage, ob er die Kindergrundsicherung rückgängig machen würde, sagte Merz der Funke Mediengruppe: "Wir machen in jedem Fall das Heizungsgesetz dieser Bundesregierung rückgängig. Bei der Kindergrundsicherung schauen wir, was tatsächlich kommt." Der richtige Weg sei mehr Bildung für die Kinder, nicht mehr Transferleistungen für die Eltern. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung für Bildung und Integration für Kinder", sagte der CDU-Chef.
Im Morgenmagazin ging Merz auch auf die Kosten bei der Verwaltung der Kindergrundsicherung ein. Nach seinen Angaben beläuft sich der Verwaltunsgaufwand bereits auf ein Fünftel der Leistungen. "Das stimmt doch hinten und vorne nicht mehr."
Für die Kindergrundsicherung, die 2025 eingeführt werden soll, hat Familienministerin Paus erstmals Zahlen genannt. Für diese könnten sich künftig Leistungen von 530 Euro für die Kleinsten bis 636 Euro für die ältesten Kinder ergeben, sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Das Bürgergeld soll im kommenden Jahr um rund zwölf Prozent steigen. Erwachsene Bezieherinnen und Bezieher sollen vom 1. Januar an monatlich 563 Euro bekommen - also 61 Euro mehr als derzeit. Aktuell beziehen mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld.