Eine nackte Demonstrantin steht am 08.04.2013 in Hannover auf der Hannover Messe vor Angela Merkel und Wladimir Putin.
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Sicherheit von Politikern Personenschützer können nicht alles verhindern

Stand: 26.05.2023 18:12 Uhr

Es ist eine Gratwanderung zwischen Sicherheit und dem Wunsch, als Politiker "nahbar" zu bleiben: Während die aktuelle Sicherheitspanne um Kanzler Scholz offenbar harmlos war, hatten andere Fälle gravierende Folgen.

Für den Schutz von Bundespolitikern ist das Bundeskriminalamt zuständig. Prominente und ranghohe Politiker wie etwa Bundeskanzler Olaf Scholz werden in der Öffentlichkeit von Personenschützern begleitet. Doch auch sie können nicht jede ungeplante Annäherung verhindern, wie der aktuelle Vorfall mit Scholz am Frankfurter Flughafen zeigt. Dort war es einem Mann gelungen, im Sicherheitsbereich auf den Kanzler zuzustürmen und ihn zu umarmen.

Zwar habe Scholz sich nach Angaben seines Sprechers "zu keiner Zeit bedroht gefühlt". Doch auch der räumt ein, dass Schlimmes hätte passieren können.

Angriffe von psychisch Kranken im Wahlkampf

Tatsächlich gab es in der jüngeren Geschichte in Deutschland zwei Angriffe auf prominente Bundespolitiker in der Öffentlichkeit mit gravierenden Folgen: 1990 schoss ein psychisch kranker Mann nach einer Wahlkampfveranstaltung in einer Gaststätte im badischen Oppenau auf den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker wurde schwer verletzt und ist seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen.

Im selben Jahr wurde der damalige SPD-Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine nach einer Wahlkampfrede in der Köln-Mülheimer Stadthalle durch eine Messerattacke schwer verletzt. Die Angreiferin, die ihn nahe der Halsschlagader traf, war psychisch krank.

Wolfgang Schäuble begibt sich am 22.11.1990 in der Rehabilitationsklinik Langensteinbach bei Karlsruhe zu seiner ersten Pressekonferenz.

Der erste Auftritt des CDU-Politikers Schäuble nach dem Angriff 1990. Ein Mann hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung auf ihn geschossen.

Lokalpolitiker meist ohne besonderen Schutz

Anders als hochrangige Bundes- oder Landespolitiker werden Lokalpolitiker im Normalfall bei öffentlichen Auftritten nicht besonders geschützt. Von ihnen beklagen viele, dass sie zunehmend zum Ziel von Bedrohung oder gar Gewalt werden. Prominentestes Beispiel war hier die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie war 2015 im Wahlkampf auf einem Wochenmarkt von einem Rechtsradikalen mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt worden.

Reker war als damalige Sozialdezernentin der Stadt für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig. Der Täter wollte ein Zeichen gegen die Flüchtlingspolitik setzen. Er wurde 2016 wegen versuchten Mordes zu 14 Jahren Haft verurteilt.

2019 erschoss ein Rechtsextremer den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Der Mord geschah allerdings nicht bei einem öffentlichen Auftritt, sondern nachts an Lübckes Wohnhaus.

Ohrfeige für Schröder, Eierwürfe auf Kohl

Andere Fälle sorgten zwar für Schlagzeilen, blieben für die betroffenen Politiker aber ohne gravierende Folgen. 2004 etwa wurde der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in Mannheim bei einer Veranstaltung von einem Arbeitslosen geohrfeigt.

Und der langjährige Bundeskanzler Helmut Kohl wollte 1991 in Halle (Saale) am liebsten selbst gegen Demonstranten vorgehen, die ihn mit Eiern, Tomaten und Farbbeuteln beworfen hatten - Mitarbeiter und Absperrgitter konnten ihn stoppen.

Eiweiß tropft Helmut Kohl von der Brille. (Archivfoto vom 10.05.1991)

Der Eierwurf war für Kohl sichtlich ärgerlich, blieb für ihn aber ohne gravierende Folgen.

Merkel und Putin Ziel von Femen-Aktivistinnen

Auch politische Aktivistinnen und Demonstranten schaffen es immer wieder, Sicherheitsabsperrungen zu durchbrechen, um es mit ihren Anliegen auf die politische Bühne zu schaffen. 2021 eroberte ein als "Querdenker" bekannter Thüringer in Erfurt bei einer Wahlkampfveranstaltung das Mikrofon des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. 2019 wurde der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Schleswig-Holstein von zwei halb nackten Femen-Aktivistinnen überrascht, die gegen eine Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen protestierten.

Auch die langjährige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Erfahrung mit den Aktionen der Frauenrechtsgruppe gemacht - 2013 zusammen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auf der Hannover-Messe gelang es fünf entblößte Frauen, in ihre unmittelbare Nähe zu kommen - und das obwohl Merkel und Putin damals vermutlich zu den bestgeschützten Politikern überhaupt gehörten.