Ukraine-Krieg So bereiten sich Schulen auf Geflüchtete vor
Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind viele Kinder. Die Schulen bereiten sich mit zusätzlichen Klassen darauf vor. Die Hilfsbereitschaft ist groß, doch nicht nur die Finanzierung ist bisher ungeklärt.
Eine Schaltkonferenz jagt die nächste. Ständig klingelt das Telefon. Für den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands gibt es gerade nur ein Thema: die Flüchtlinge aus der Ukraine. Heinz-Peter Meidinger sieht in diesem Zusammenhang zwei große Fragen, die alles weitere beeinflussen: Wie viele schulpflichtige Kinder werden es am Ende sein und wie werden sie über das Land verteilt?
Die erste Frage kann derzeit niemand mit Gewissheit beantworten. Die Kämpfe in der Ukraine dauern an und die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, steigt stetig. Die Beantwortung der zweiten Frage ist in Arbeit. Noch schultert vor allem das Land Berlin die Hauptlast. Die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine kommen dort an.
Eine Taskforce gibt es schon
Die Vorbereitungen, ukrainische Kinder zu unterrichten, laufen bereits in den Bundesländern. Die Kultusminister haben eine Taskforce gegründet. Sie soll die Integration von Flüchtlingskindern in Deutschland koordinieren. Karin Prien, die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein sagte, dass man sich in der Verantwortung fühle, geflüchtete Schüler und Schülerinnen unbürokratisch an den Schulen Willkommen zu heißen. Die meisten Länder setzen dabei vor allem auf zusätzliche Klassen. Die heißen, je nach Bundesland, mal Willkommensklassen, Vorbereitungsklassen, Intensivklassen oder Deutschklassen.
Schwierige Suche nach Lehrpersonal
In Berlin beispielsweise sind allein 50 solcher Klassen geplant, berichtet die zuständige Senatorin Astrid Busse. Derzeit gibt es in der Hauptstadt bereits 540 solcher Willkommensklassen. 6000 Schülerinnen und Schüler lernen dort vor allem deutsch. Sie sollen sprachlich fit gemacht werden, um sie danach möglichst schnell in Regelklassen zu integrieren. Für die Klassen, die jetzt neu aus dem Boden gestampft werden müssen, braucht es zügig Lehrerinnen und Lehrer.
Für Busse ist das ein Problem. Berlin leidet bereits seit Jahren unter einem teils massiven Lehrermangel. "Wir werben gerade intensiv um Lehrkräfte für Willkommensklassen und es haben sich schon viele Bewerberinnen und Bewerber gemeldet. Darunter auch Menschen, die aus der Ukraine kommen", berichtet die Senatorin. "Aber wir suchen weiter auf allen Kanälen".
"Wenn ihr mich braucht, ich würde es machen"
Der Deutsche Lehrerverband schlägt vor, dafür pensionierte Lehrkräfte zurückzuholen, um die Integration von geflüchteten Kindern aus der Ukraine zu stemmen. Meidinger erzählt, dass sich gerade viele ehemalige Lehrerinnen und Lehrer bei ihren alten Schulen melden und ihre Hilfe anbieten. Die Versuche pensionierte Lehrer zu reaktiven sei in der Vergangenheit kaum erfolgreich gewesen, so Meidinger. Das sei jetzt anders: "Die Hilfsbereitschaft und der Idealismus sind groß. Das stimmt mich optimistisch. Wir haben eine gute Chance, die Aufnahme der Kinder aus der Ukraine erfolgreich zu gestalten."
"Jede Flucht ist traumatisch"
Damit das gelingt, setzt man auch in Nordrhein-Westfalen auf das Konzept der Willkommensklassen. Die wurden 2015 geschaffen, als Tausende Flüchtlinge vor allem aus Syrien nach Deutschland kamen. Die zuständige Bildungsministerin, Yvonne Gebauer, kündigte an, dass es nicht allein darum gehen wird, den Kinder deutsch beizubringen. Sie hat außerdem schulpsychologische Hilfe versprochen. "Den zu uns flüchtenden Kindern und Jugendlichen wollen wir einen Schulbesuch ermöglichen, der ihnen ein Gefühl der Sicherheit zurückgibt und das Ankommen erleichtert."
Wie wichtig das ist, betont Julia Asbrand. Sie ist Juniorprofessorin für Kinder- und Jugendpsychologie von der Humboldt-Universität in Berlin. "Eine Fluchterfahrung ist immer erst einmal traumatisch. Was die Kinder aus der Ukraine jetzt erst dringend brauchen, sind geordnete Strukturen. Sie brauchen die Möglichkeit, sich in einen Alltag einzuordnen, das schafft für Kinder ganz große Stabilität."
Wer soll das bezahlen?
All diese Zusatzangebote werden Kosten auslösen. Vor allem Personalkosten. Berlins Bildungssenatorin und auch der Lehrerverband sehen in dieser Frage den Bund in der Pflicht. Der soll aushelfen, fordern beide unabhängig voneinander. Verbandschef Meidinger schlägt einen Fördertopf ähnlich dem Digitalpakt vor. Schulen würden, wenn sie zusätzliche Lehrer einstellen, Bundeszuschüsse erhalten, die allerdings das jeweilige Bundesland verwaltet. Busse geht noch weiter: "Es geht ja nicht nur ums Personal. Es muss Starterpakete geben für die Kinder - und wir brauchen Unterstützung für zusätzliche Materialien."
In Berlin werden bereits die ersten Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine unterrichtet. Die neu geschaffenen Willkommensklassen sind allerdings noch in der Vorbereitungsphase. Das lässt sich nach Ansicht der Senatorin verschmerzen: "Stellen Sie sich vor, Sie sind tagelang unterwegs durch mehrere Länder. Dann ist Schule nicht sofort im Fokus", sagte Busse. "Die Menschen müssen erstmal einen Moment zur Ruhe kommen."