Scholz und der Emir von Katar Heikler Besucher im Kanzleramt
Kann der Emir von Katar ein Vermittler nach dem Hamas-Angriff auf Israel sein - oder sollte man Distanz zu mutmaßlichen Finanzierern von Terrororganisationen halten? Inmitten dieser Debatte hat der Kanzler ihn empfangen.
Begleitet von kritischen Stimmen auch aus der Ampelkoalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Emir von Katar zu einem Mittagessen im Kanzleramt empfangen. Das Gespräch fand hinter verschlossenen Türen statt.
Scholz würdigt "humanitäre Bemühungen" Katars
Im Anschluss an das Treffen erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, Scholz habe die "humanitären Bemühungen" des Golfstaats im Zusammenhang mit den von der Hamas aus Israel verschleppten Geiseln gewürdigt: "Es wurde vereinbart, hierzu in engem Kontakt zu bleiben."
Das Schicksal der geschätzt 150 Geiseln, unter ihnen auch mindestens fünf deutsche Staatsangehörige, sei einer der Schwerpunkte des Gesprächs im Kanzleramt gewesen. Scholz unterstrich demnach, dass die Hamas die volle Verantwortung für das Wohlergehen der Geiseln habe. Er forderte, dass diese schnellstmöglich freigelassen werden.
"Deutschland unverrückbar an Israels Seite"
Der Kanzler bekräftigte in dem Gespräch mit Scheich Tamim bin Hamad Al Thani den Angaben zufolge, "dass Deutschland unverrückbar an der Seite Israels steht und den terroristischen Angriff auf das Schärfste verurteilt". Israel habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich und seine Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen.
Katar hatte Israel für Eskalation verantwortlich gemacht
Nach dem Angriff der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel hatte Katar allein Israel dafür verantwortlich gemacht und auf die "ständigen Verletzungen der Rechte des palästinensischen Volkes" verwiesen.
Nach Angaben der Hamas versucht Katar aber auch zu vermitteln, um einen Austausch israelischer Geiseln und palästinensischer Häftlinge in israelischen Gefängnissen zu erreichen. Katar gilt zudem als wichtiger Geldgeber der Hamas im Gazastreifen.
"Katar hat wichtige Mittlerrolle inne"
Scholz hatte am Morgen im Bundestag die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit dem Emirat nach dem Angriff auf Israel betont. Katar habe eine wichtige Mittlerrolle inne, "die es gerade dieser Tage auch nutzt". Er stehe zudem in engem Kontakt mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, der Gesprächskanäle auch nach Gaza habe.
"Unverantwortlich, nicht alle Kontakte zu nutzen"
Zudem kündigte Scholz an, noch heute mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu sprechen. "Alle drei können bei der Vermittlung und Deeskalation in der aktuellen Lage eine wichtige Rolle spielen", sagte Scholz und fügte hinzu: "Den Kritikern solcher Kontakte möchte ich sagen: Es wäre unverantwortlich, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen, die helfen können."
Dies geschehe "im Übrigen in enger Abstimmung mit Israel und für diejenigen, die von der Hamas entführt wurden", so Scholz.
Schuster fordert klare Worte
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte dem Sender Welt TV, der Kanzler müsse deutliche Worte finden, aber auch den Einfluss des Emirats auf die Hamas zur Freilassung von Geiseln zu nutzen. Er erwarte, "dass zum Thema Hamas, Hamas-Terror sehr klare Worte geäußert werden". Schuster verwies aber auch auf die Möglichkeit Katars, "im Interesse der Geiseln auch helfend eingreifen zu können".
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, forderte eine sofortige Aussetzung der Energiepartnerschaft mit Katar. Der von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geschlossene "Katar-Deal" müsse "umgehend auf Eis gelegt werden", sagte Kruse dem Portal Zeit Online. "Mit dieser indirekten Terrorfinanzierung muss Schluss sein."
Ab 2026 Flüssiggas aus Katar
Wegen des drohenden Ausfalls russischer Gaslieferungen in der Folge des Ukraine-Kriegs hatte Habeck den Golfstaat im Frühjahr 2022 besucht und den Weg für umfangreiche Flüssiggaslieferungen geebnet. Ab 2026 will das US-Unternehmen ConocoPhillips Flüssiggas aus Katar nach Brunsbüttel liefern. Der Vertrag mit QatarEnergy sieht eine Lieferzeit von mindestens 15 Jahren vor.
Kruse plädierte ebenso wie FDP-Fraktionsvize Michael Link stattdessen für eine Ausweitung der Gas- und Ölförderung in Deutschland. Link sagte der "Bild"-Zeitung, Katar arbeite "irritierend eng mit hochgefährlichen Organisationen zusammen". Es wäre ratsam, "endlich verstärkt die eigenen deutschen Gasvorkommen zu nutzen".
"Katar hält Hamas am Leben"
Auch der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan bekräftigte seine Forderung nach einer Aufkündigung des Gasdeals. Er verwies auf den Entschließungsantrag der Ampelfraktionen gemeinsam mit der Union, der im Bundestag beschlossen wurde. Darin werde gefordert, "allen Staaten entschlossen entgegenzutreten, die Terrororganisationen wie die Hamas finanziell, materiell oder ideell unterstützen".
Das stehe im Widerspruch dazu, dass die Bundesregierung "zeitgleich einen der größten Unterstützer der Hamas, das Emirat Katar, weiter als ihren Geschäftspartner hofiert", kritisierte Schirdewan. Katar sei "wichtigster Geldgeber für die Hamas und hält deren Herrschaft im Gazastreifen seit Jahren de facto am Leben".