Wegen geplatzter Pkw-Maut Wissing schaltet Gutachter ein
Ein Gutachten soll klären, ob Ex-Verkehrsminister Scheuer im Zusammenhang mit der gescheiterten Pkw-Maut in Regress genommen werden kann. Sein Nachfolger Wissing erklärte, man könne "die Akte bei 243 Millionen Euro nicht einfach beiseitelegen".
Bundesverkehrsminister Volker Wissing will mögliche Schadensersatzforderungen gegen seinen Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) wegen der geplatzten Pkw-Maut gründlich klären lassen. "Wir können die Akte bei 243 Millionen Euro nicht einfach beiseitelegen", sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur dpa mit Blick auf fällige Zahlungen des Bundes an die einst vorgesehenen Mautbetreiber. Daher sollte man sich eine Forderung an Scheuer sorgfältig anschauen.
"Wir lassen ein externes Gutachten erstellen, um Rechtsfragen zu klären. Das ist letztlich keine politische Frage, sondern es ist eine rechtliche Frage. Dazu muss das Maß der Fahrlässigkeit untersucht werden." Es werde etwas dauern, bis das Gutachten fertig sei.
Wissing: Nicht einfach die Akten in den Keller legen
"Ich habe als Minister auch die Vermögensinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren", sagte Wissing. "Und wenn es die Möglichkeit geben sollte, jemanden in Regress zu nehmen, dann wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Regressforderungen durchgesetzt werden und nicht einfach die Akten in den Keller gelegt werden. Deswegen gibt es nun dieses Gutachten und diese Prüfung."
Der Bund muss als Folge der geplatzten Pkw-Maut 243 Millionen Euro Schadensersatz an die einst vorgesehenen Betreiber zahlen. Das hatte eine Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergeben.
Die Pkw-Maut - ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung - war 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Die Betreiberseite forderte zunächst 560 Millionen Euro Schadensersatz, nachdem der Bund die Verträge kurz nach dem Urteil gekündigt hatte. Scheuer hatte bereits Verträge unterschrieben, noch bevor endgültige Rechtssicherheit beim EuGH bestand.
Voraussetzungen prüfen
Das Ministerium hatte bereits grundsätzlich angekündigt, mögliche Regressforderungen gegen Scheuer zu prüfen. "Dass ein Schaden entstanden ist, steht außer Frage. Den kann man ja präzise beziffern", so Wissing.
Natürlich brauche man für eine Regressforderung eine Rechtsgrundlage. Das müsse man sich anschauen. "Aber ich möchte mich nicht dem Vorwurf aussetzen, das nicht mit aller Sorgfalt getan zu haben. Und deswegen lassen wir das jetzt durch ein externes Gutachten klären. Dann wissen wir alle Details und können dann auch der Öffentlichkeit erklären, warum wir so oder so entscheiden und können uns dann auch auf eine externe Bewertung beziehen."
Juristisch schwierig
Eine Regressforderung gegen Scheuer gilt juristisch als schwierig. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schrieb 2019 in einer Analyse, Artikel 34 des Grundgesetzes sehe die Möglichkeit des Staates vor, in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress beim "handelnden Amtswalter" zu nehmen.
Diese Möglichkeit bedürfe eines entsprechenden Gesetzes oder einer vertraglichen Grundlage. Im Verhältnis zu Bundesbeamten habe der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen. Das für Bundesminister einschlägige Bundesministergesetz sehe eine solche Rückgriffsmöglichkeit jedoch nicht vor.
Kritik von der CSU
Der CSU-Rechtsexperte Michael Frieser sagte der "Rheinischen Post": "Es gibt keinerlei Rechtsgrundlage, ein Mitglied des Bundeskabinetts, auch kein ehemaliges, in Haftung zu nehmen. Es ist völliger Mumpitz zu glauben, daraus irgendetwas konstruieren zu können." Wissing versuche davon abzulenken, dass er einem Vergleich zugestimmt habe, für den er weder einen Auftrag noch eine Ermächtigung gehabt habe. Auch gebe es für das Gutachten keine Grundlage.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan Müller, sieht eine Regressforderung ebenfalls als "vollkommen abwegig". Scheuer habe bei der Pkw-Maut als damaliger Bundesverkehrsminister einen Gesetzesbeschluss des Bundestages umzusetzen gehabt, dies müsse Wissing als Jurist eigentlich wissen, sagte er. "Das Sommerloch scheint groß zu sein, wenn Volker Wissing zum wiederholten Male mit der gleichen dünnen Ankündigung Schlagzeilen machen will."
Scheuer weist Vorwürfe zurück
Scheuer war Minister, als die Maut 2019 platzte. Zentraler Knackpunkt war, dass dem Modell zufolge nur inländische Fahrer für Mautzahlungen voll bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten. Dass Scheuer die Betreiberverträge bereits Ende 2018 abgeschlossen hatte - noch vor einer endgültigen Rechtssicherheit durch den EuGH - stand in der Kritik.
Mit dem Scheitern der Maut und den finanziellen Folgen befasste sich in der vergangenen Wahlperiode auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die damalige Opposition warf Scheuer Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vor und warnte vor Millionenkosten. Scheuer wies alle Vorwürfe zurück.
Wissing gegen neuen Anlauf zur Pkw-Maut
Wissing erteilte einem möglichen neuen Anlauf zu einer Pkw-Maut eine klare Absage: "Wir führen jetzt im europäischen Kontext eine höhere Lkw-Maut ein und wollen auch eine CO2-bezogene Lkw-Maut haben. Ich halte nichts von nationalen Alleingängen bei diesen Mautfragen. Wohin das führen kann, haben wir in Deutschland ja unter meinem Vorgänger erlebt."