CDU-Grundwertekommission Ein Rücktritt und eine schwelende Debatte
Nach einem Streit über den Umgang mit der AfD gibt der Historiker Rödder den Vorsitz der CDU-Grundwertekommission auf. Die Parteispitze reagiert verhalten. Als Kritiker wird er der CDU wohl erhalten bleiben.
Die Antwort aus dem Konrad-Adenauer-Haus fällt knapp aus. Man könne bestätigen, dass Andreas Rödder den Vorsitz der Grundwertekommission niedergelegt hat. Ein Zitat von Generalsekretär Carsten Linnemann wird mitgeliefert: "Der Parteivorsitzende und ich respektieren die Entscheidung von Andreas Rödder."
Man danke ihm für die geleistete Arbeit und freue sich, dass er sich weiter in der Partei einbringen will. Letzteres, also dass Rödder unter dem Vorsitz von Friedrich Merz wieder eine Rolle spielen wird, klingt allerdings recht unglaubwürdig. Vor allem mit Blick auf den Brief, den Rödder gestern an Merz schickte und der auch dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Zuerst hatte das Online-Magazin "Nius" darüber berichtet.
Er liest sich wie eine Abrechnung mit der CDU. Das Verhältnis zwischen Rödder und der Partei scheint, wohlwollend gesagt, nachhaltig gestört. Rödder fühlt sich gedrängt, wie er schreibt, sich "zwischen meiner intellektuellen Freiheit und der Leitung der Grundwertekommission entscheiden" zu müssen. Das werfe kein gutes Licht auf die Debattenkultur in der CDU.
Wie umgehen mit der AfD?
Dabei gab es erst vor wenigen Tagen eine hitzige Diskussion, ausgelöst durch ein Interview mit Rödder im "Stern". Allerdings stand Rödder mit seiner Meinung öffentlich größtenteils allein da. Es ging um Thüringen und die Frage, ob die CDU dort nach der nächsten Wahl eine Minderheitsregierung bilden könnte, die sich von der AfD tolerieren lässt.
Rödder antwortete, dass bei einer Minderheitsregierung, die sich eine Mehrheit immer wieder neu suchen muss, dies völlig in Ordnung sei. Problematisch wäre es erst, wenn sich die CDU offiziell von der AfD tolerieren ließe.
Der öffentliche Aufschrei in der Partei, die wegen der Abstimmung in Thüringer Landtag sowieso sensibilisiert ist, war groß. Der Tenor: Die CDU dürfe sich in keiner Art und Weise von der AfD abhängig machen. Generalsekretär Linnemann betonte, dass Rödder nicht für die Partei spreche. Merz sagte: "Das ist ein absolutes No Go!" Rödder reagiert nun also mit Rückzug, die Debatte über den Umgang mit der AfD aber bleibt.
Thüringen-CDU im Dilemma
In knapp einem Jahr sind die Thüringer aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Viel spricht dafür, dass mit einer Koalitionsbildung schwer bis unmöglich wird. Denn die aktuell stärksten Parteien sind AfD, Linke und CDU. Sowohl mit den Linken und der AfD darf die CDU nicht zusammenarbeiten, so steht es zumindest in ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss. Eine Pattsituation, die viele in der Bundes-CDU bereits jetzt umtreibt, auch wenn sie öffentlich nicht darüber sprechen wollen.
Die Thüringer Linke unter dem als pragmatisch geltenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow ist für die meisten das kleinere Übel als die rechtsextreme Höcke-AfD. Die Gefahr ist allerdings auch, dass eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Linkspartei der CDU weitere Stimmen aus dem bürgerlichen Lager kostet.
Bei der Abstimmung über die Grunderwerbssteuer in Erfurter Landtag hat sich die Thüringer CDU im Umgang mit der AfD bereits pragmatisch gezeigt und einen Gesetzentwurf mit Stimmen der AfD gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung durchgebracht. Das Credo heißt: Wichtige Anliegen würden richtig bleiben, auch wenn die Falschen zustimmen würden. Das klingt in Teilen nach Rödder, der sich eine Minderheitsregierung vorstellt, die genau das tut: sich Mehrheiten beschaffen.
Als Kritiker wird er der Partei erhalten bleiben
Auch wenn Rödder nicht mehr Kopf der Grundwertekommission ist, die ihre Arbeit, so heißt es aus dem Konrad-Adenauer-Haus bereits abgeschlossen hat, und wohl auch kein tragendes Parteiamt mehr einnehmen wird: Der Geschichtsprofessor könnte eine Art Stachel im Fleisch der CDU bleiben.
Als Vorsitzender der konservativen Denkfabrik R21 organisierte der Geschichtsprofessor zuletzt immer wieder Veranstaltungen zu Themen, die innerhalb der CDU nur ungern auf offener Bühne diskutiert werden. Im März zum Beispiel ging es einen Tag lang um "Deutschland nach der Ära Merkel." Rödder gilt als ein heftiger Kritiker der Ex-Kanzlerin und ihrem vermeintlichen Kurs der Mitte.
Beim letzten Panel der Denkfabrik vor eineinhalb Wochen wurde in der sächsischen Landesvertretung diskutiert: "Deutschland zwischen Covid und Klima - Grundrechte unter Vorbehalt?". Mit dabei waren auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor. Andreas Rödder wird also wohl auch in Zukunft nicht ungehört bleiben.