Alexander Schweitzer
Porträt

Alexander Schweitzer Der neue Mann in Mainz

Stand: 10.07.2024 13:57 Uhr

Der rheinland-pfälzische Landtag hat Alexander Schweitzer zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. In der SPD in Rheinland-Pfalz ist er eine Größe, aber über das Bundesland hinaus nicht sehr bekannt.

Bei der Pressekonferenz vor drei Wochen wendet sich Alexander Schweitzer der noch amtierenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu. Sie hatte gerade ihren Rückzug bekannt gegeben, Schweitzer soll ihr im Amt nachfolgen. "Auch wenn das Bild jetzt etwas komisch ist", sagt der gerade frisch designierte Regierungschef, "es sind sehr große Fußstapfen."

Viele Journalisten im Presseraum der Mainzer Staatskanzlei lachen, denn Schweitzer misst 2,06 Meter und überragt alle Anwesenden deutlich. Die Herausforderungen für Schweitzer in den nächsten Monaten sind ebenso riesig.

Ein starker Redner

"Er ist für die Bewahrung und den Ausbau des Wohlfahrtsstaates. Schweitzer steht auch für einen starken Staat. Das hat er als Arbeits- und Sozialminister oft klar gemacht. Umweltpolitik hat bei ihm bislang weniger Gewicht", sagt Uwe Jun, Politikwissenschaftler an der Universität Trier.

Der 50 Jahre alte Jurist Schweitzer wurde bereits seit Jahren als möglicher Nachfolger von Dreyer gehandelt. Er ist seit 18 Jahren Berufspolitiker. 2006 zog er erstmals in den Landtag als Abgeordneter ein. Der frühere Ministerpräsident Kurt Beck hatte seinen Aufstieg gefördert. In der rheinland-pfälzischen SPD ist er seit langem eine etablierte Größe.

In den vergangenen drei Jahren war er Arbeits- und Sozialminister im von Dreyer geführten Kabinett in Mainz. Er lenkte das Ressort souverän, ohne aber mit großen Reformen und Ideen von sich reden zu machen. Zuvor war Schweitzer unter anderem Fraktionsvorsitzender der SPD im rheinland-pfälzischen Landtag. Rhetorisch gehörte er dort zu den stärksten Rednern.  

Alexander Schweitzer neuer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz - Johanna Wahl, SWR

tagesschau24, 10.07.2024 15:00 Uhr

Schweitzer will Kontinuität

Bundespolitisch ist Schweitzer einem größeren Publikum aber unbekannt. Nach der Machtübergabe setzte er zunächst demonstrativ die Zeichen auf Kontinuität: Er stehe inhaltlich und auch politisch hinter der in Mainz regierenden Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP.

Er sagt, er wolle dieses Bündnis auch nach der nächsten Landtagswahl in gut anderthalb Jahren fortsetzen - eine durchaus mutige Aussage angesichts der miserablen Umfragewerte der Ampel im Bund. Malu Dreyer hat die rot-grün-gelbe Koalition in Mainz bislang weitgehend geräuschlos und effizient geführt.

"Schweitzer dürfte auch bundespolitisch auf Kontinuität und Kooperation setzen", sagt Uwe Jun. Allerdings werde er ebenfalls eigene Akzente setzen.

So fordert der neue Regierungschef vor wenigen Tagen eine grundlegende Reform der Pflege. "Wir stehen vor einer Zeitenwende", begründet das der Sozialdemokrat. Die nächste Bundesregierung müsse diese Reform zur Priorität machen, fordert Schweitzer und fügt hinzu: "Auch die aktuelle Regierung sollte bereits jetzt bessere Bedingungen für die Pflege schaffen."

Politikwissenschaftler Jun sagt dazu: "Das ist ein gutes Beispiel, wie Schweitzer agieren dürfte. Er wird nicht davor zurückschrecken, die Ampel in Berlin in Einzelfragen zu kritisieren, wenn das seiner Überzeugung entspricht. Aber er wird sich nicht auf Kosten der unpopulären Bundesregierung profilieren."

Malu Dreyer und Alexander Schweitzer

Alexander Schweitzer spricht von Malu Dreyers "großen Fußstapfen", in die er als neuer Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz trete.

Rückzug mit Ansage

Der Rückzug von Malu Dreyer kam nicht überraschend. Schon länger war spekuliert worden, dass sich die Ministerpräsidentin zur Hälfte der Legislaturperiode zurückziehen würde. Dreyer hat elf Jahre regiert, zwei Landtagswahlen mit schwieriger Ausgangslage für die SPD doch noch gewonnen. Sie ist mittlerweile 63 Jahre alt und leidet bereits seit Jahrzehnten unter Multipler Sklerose.

"Malu Dreyer war auch bundesweit populär und kommunikativ stark. Sie war präsent in vielen Medien-Formaten. Das muss Schweitzer erst noch unter Beweis stellen. Frau Dreyer hat hier aber auch sehr hohe Standards gesetzt", erklärt Uwe Jun.

Die Machtpolitikerin Dreyer war lange Zeit in Rheinland-Pfalz parteiübergreifend in der Wählergunst unangefochten. Das änderte sich mit der Flut im Ahrtal vor drei Jahren. Nach massiver Kritik gab es zwar Rücktritte anderer Politiker, Dreyer selbst aber überstand die Krise und argumentierte stets, dass diese Naturgewalten nicht vorhersehbar gewesen seien. Zudem sei der Landkreis zuständig gewesen.

Eine politische Verantwortung lehnte die Ministerpräsidentin immer ab. Nicht nur in der Flutregion nehmen viele Menschen Dreyer bis heute übel, nicht um Entschuldigung gebeten zu haben - für das ausbleibende Handeln ihrer Regierung in der Flutnacht und für die teils chaotischen Zustände danach.

Das belegt auch eine aktuelle Umfrage des SWR in der Flutregion: Danach ist nur ein Fünftel zufrieden oder sehr zufrieden, was das Krisenmanagement angeht. Fast dreiviertel bewerten das Krisenmanagement der Landesregierung als weniger oder gar nicht zufriedenstellend.  

Schweitzer sucht noch Profil

Dieser Makel von Malu Dreyer ist eine Chance für Schweitzer. Als Sozial- und Arbeitsminister hatte er mit der Flut und den Folgen praktisch nichts zu tun. Schweitzer nutzte die gestrige Kabinettssitzung, um sich etwas von seiner Amtsvorgängerin abzusetzen.

Vom SWR auf den Frust und die Umfrage im Ahrtal angesprochen, antwortete er: "Offengestanden kann ich das verstehen." Er werde sich in Zukunft sehr stark dem Wiederaufbau widmen, sagte Schweitzer. Daran wird er sich messen lassen müssen und nun unbelastet versuchen, neues Vertrauen bei den enttäuschten Wählern über das Ahrtal hinaus zu gewinnen.

Denn die SPD in Rheinland-Pfalz liegt auch im bundespolitischen Abwärtssog: Bei den jüngsten Kommunalwahlen schnitten die Genossen schlecht ab. Sie erreichten in Rheinland-Pfalz nur rund 20 Prozent und lagen damit deutlich hinter der oppositionellen CDU mit mehr als 31 Prozent. Auch bei der Europawahl lagen die Christdemokraten vorn.

Anderthalb Jahre bis zur nächsten Wahl

Schweitzer hat jetzt noch anderthalb Jahre Zeit, sich als Nummer eins zu profilieren, einen Amtsbonus zu erarbeiten und die Stimmung zu drehen. Dafür dürfte er auch sein neues Amt und seine Berliner Bühne nutzen, erklärt Uwe Jun: "Schweitzer wird als Ministerpräsident in der SPD automatisch eine größere bundespolitische Rolle spielen. Aber er muss sich vor allem in Rheinland-Pfalz bekannter machen - wegen der Landtagswahlen in gut anderthalb Jahren."

Alexander Schweitzer dürfte den Fokus also zunächst auf Rheinland-Pfalz legen. In den vergangenen Jahrzehnten hat die SPD hier die Landtagswahlen immer aufgrund der sehr populären Spitzenkandidaten wie Kurt Beck und Malu Dreyer gewonnen. Die Fußstapfen seiner anderthalb Köpfe kleineren Amtsvorgängerin sind für den Hünen Schweitzer also politisch wirklich riesengroß.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 10. Juli 2024 um 14:00 Uhr.