NGOs zu ausgelagerten Asylverfahren "Unsolidarisch und menschenrechtlich bedenklich"
Bund und Länder wollen morgen über die Auslagerung von Asylverfahren in andere Staaten diskutieren. Mehr als 300 Organisationen warnen in einem offenen Brief davor - und sprechen von einer Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit.
Mehr als 300 Organisationen haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder in einem offenen Brief dazu aufgefordert, Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage zu erteilen. Diese Pläne funktionierten in der Praxis nicht, seien "extrem teuer" und stellten "eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar", heißt es in dem Schreiben.
Hintergrund ist die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag. Bei dem Treffen soll ein vorläufiger Sachstandsbericht zur möglichen Auslagerung von Asylverfahren vorgestellt werden. Die Bundesregierung hat sich zu dem Thema bislang nicht eindeutig positioniert. Gefordert wird die Möglichkeit, Asylverfahren in Transit- oder Herkunftsländern abzuwickeln, von der CDU.
Sorge vor Menschenrechtsverletzungen
In anderen Ländern gibt es bereits konkrete Vorhaben zur Auslagerung von Asylverfahren. So will Großbritannien Asylverfahren nach Ruanda auslagern, und Italien plant Entsprechendes mit Albanien. Die Verlagerung der Verfahren würde aber "absehbar zu schweren Menschenrechtsverletzungen führen", heißt es in dem Brief weiter. Bisherige Versuche hätten gezeigt, dass sie zu mehr Leid bei den Betroffenen führen.
Zudem lösten solche Vorhaben bei Geflüchteten oft große Angst aus und erhöhten die Gefahr von Selbstverletzungen und Suiziden, vor allem bei besonders Schutzbedürftigen wie Kindern oder Menschen mit Behinderungen. Das hätte sich etwa im Elend auf den griechischen Inseln als Folge des EU-Türkei-Abkommens gezeigt. Die Aufnahme und Teilhabe von Geflüchteten können aber funktionieren, "wenn alle an einem Strang ziehen und der politische Wille vorhanden ist", heißt es in dem Schrieben weiter.
Forderung nach "gerechter globaler Verantwortungsteilung"
Die 309 Organisationen und Initiativen, darunter der Paritätische Gesamtverband, die Diakonie Deutschland, Sea-Watch und Terre des Hommes, forderten Scholz und die Ministerpräsidenten auf, sich für eine "glaubhafte, nachhaltige und gerechte globale Verantwortungsteilung" im Flüchtlingsschutz einzusetzen.
"Eine Auslagerung in ein Drittland ist eine Kapitulationserklärung vor den fremdenfeindlichen und rechten Kräften in Deutschland", sagte Sarah Reinke von der mitunterzeichnenden Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).
"Die Pläne, Asylverfahren an Drittstaaten auszulagern, sind unsolidarisch und menschenrechtlich bedenklich", sagte auch Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt. "Zudem sind sie realitätsfremd. Berichte unserer internationalen Partnerorganisationen legen nahe, dass Deutschland keine Länder finden wird, die zur Aufnahme einer größeren Anzahl von Geflüchteten aus Europa bereit sind."