Illegale Einreise nach Deutschland Was bringen die stationären Grenzkontrollen?
Seit drei Monaten gibt es stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien. Das Fazit fällt gemischt aus: Die Zahl der illegalen Grenzübertritte sei gesunken - die der Asylanträge jedoch nicht.
An der Stadtbrücke von Frankfurt an der Oder, direkt an der Grenze zu Polen, stehen seit kurzem Container. Es sind provisorische Büros und Aufenthaltsräume für die Bundespolizei. Seit Mitte Oktober kontrolliert sie dort stichprobenartig. Es geht darum, illegale Einwanderer aufzugreifen.
Die stationären Grenzkontrollstationen sollen nun bis mindestens 15. März bleiben, hat Innenministerin Nancy Faeser verkündet. Das betrifft auch die Grenze zu Tschechien und der Schweiz.
"Die Bundespolizei hat seit Mitte Oktober im Rahmen der Binnengrenzkontrollen etwa 340 Schleuser festgenommen", heißt es auf der Seite des Bundesinnenministeriums. "Durch unsere vorübergehenden Grenzkontrollen, ist die Zahl der unerlaubten Einreisen bundesweit um mehr als 60 Prozent von über 20.000 im Oktober auf etwa 7.300 im November zurückgegangen."
Stübgen: Kontrollen haben sich bewährt
Auch Michael Stübgen, Brandenburgs Innenminister, ist sehr zufrieden mit den Kontrollen. Der CDU-Politiker zieht gegenüber dem RBB eine vorläufige positive Bilanz: "Man kann sagen, dass der illegale Migrationsdruck quasi in sich zusammengebrochen ist."
Das habe natürlich auch was mit der Jahreszeit und der Witterung zu tun, räumt Stübgen ein. Dennoch reisten inzwischen nur noch fünf Flüchtlinge pro Tag ein, im Vergleich zu durchschnittlich 60 Flüchtlingen im September. "Das heißt, hier bewähren sich die Grenzkontrollen", so Stübgen.
Ende November präsentierte er schon erste Erfolgsmeldungen: Bis dahin wurden 266 Schleuser festgenommen und 670 offene Haftbefehle vollstreckt. 4.790 Personen hätten ein Einreiseverbot erhalten.
Jetzt kontrollieren auch andere Länder
Die stationären Kontrollen von deutscher Seite hätten eine Art Dominoeffekt. Innenminister Stübgen erzählt, schon Tage, bevor die deutsche Polizei Mitte Oktober mit den Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze anfing, hätte Polen Kontrollen an der Grenze zu Tschechien eingeführt, und Tschechien gegenüber der Slowakei.
Die Realität bisher: Solange sich die Migranten in den Nachbarländern einfach Richtung Deutschland bewegten, kümmerte man sich nicht weiter, sondern drückte alle Augen zu. Hauptsache, sie bleiben nicht, sondern ziehen weiter. Seitdem Deutschland schon an der Grenze abweist, ist die Situation eine andere.
Mobile Kontrollen ausbauen?
Auch Thorsten Grimm, stellvertretender Bundesvorsitzender von der deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist von den Grenzkontrollen fest überzeugt. Für ihn sind sie derzeit die einzig wirkungsvolle Möglichkeit, gegen illegale Migration vorzugehen.
Personell komme die Polizei dabei dennoch an ihre Grenzen. Jeder Fall müsse individuell behandelt werden und noch immer kämen sehr viele ohne Papiere, so Grimm. Wenn es nach ihm ginge, sollten die Kontrollen noch ausgebaut werden. Denn durch die stationären Kontrollen suchten sich Schleuser neue Fluchtrouten, und die könnte man durch eine verstärkte Schleierfahndung, also durch mobile Kontrollen, besser erfassen.
"Wir müssen wissen, wer ins Land kommt. Von Geheimdiensten wissen wir, dass auch potenzielle Attentäter auf Fluchtrouten nach Deutschland geschickt werden", ist der Polizeigewerkschafter überzeugt.
Zur deutsch-tschechischen Grenze sagt Grimm: "Hier sind in diesem Jahr bereits mehr als 18.000 Aufgriffe erfolgt, die der irregulären Migration unterliegen." Das sei eine Steigerung um mehr als 26 Prozent gegenüber 2022. Der Schwerpunkt liege an der sächsisch-tschechischen Grenze.
An der bayerisch-tschechischen Grenze seien die Aufgriffszahlen rückläufig. "Das wiederum ist dem hohen Kontrolldruck und der Kontrolldichte geschuldet", so Thorsten Grimm.
Zweifel an der Wirksamkeit
Eine durchschlagende Wirkung auf die Anzahl der Asylantragssteller haben die Grenzkontrollen bisher nicht. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist die Zahl von Oktober zu November noch einmal kräftig angestiegen: von 31.887 im Oktober auf, 35.316 im November.
Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält nicht viel von verstärkten Grenzkontrollen innerhalb der EU. Damit werde die illegale Einwanderung nicht eingedämmt, ist er überzeugt. Wenn die Flüchtlinge es bis in die EU geschafft hätten, gingen sie nicht mehr zurück.
Sie würden dann immer wieder probieren, in ihr Wunschland zu gelangen und kein Staat habe so viel Polizei, die so flächendeckend kontrollieren und das verhindern könnte, so Knaus. Der gegenteilige Effekt sei sogar, dass sich die Flüchtlinge noch mehr Schmugglern anvertrauen, die sie auf geheimen, womöglich gefährlichen Wegen nach Deutschland schleusen würden.
Für Knaus besteht die Lösung unter anderem im konsequenteren Schutz der EU-Außengrenzen und in Rücknahmeabkommen mit anderen Ländern. Er glaubt, die deutsche Gesellschaft sei nicht gegen Migration. Das Problem sei die unkontrollierte, illegale Einwanderung. Und die würde auch klassische Einwanderungsländer wie Australien oder Kanada in Unruhe versetzen.
Stationäre Kontrollen bleiben vermutlich noch einige Zeit
Auch Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht die stationären Grenzkontrollen kritischer als die Kollegen von der anderen Gewerkschaft (DPolG). "Die große Masse aller Menschen, die zu uns kommen, werden geschleust, von hochprofessionellen, international organisierten Schleuserbanden", sagt Roßkopf.
Aus Erfahrungen mit Österreich wisse man seit vielen Jahren, dass Schleuserorganisationen innerhalb von Stunden reagieren und die stationären Kontrollen umfahren, so Roßkopf. "Die verdienen pro Migrant 8.000 bis 10.000 US-Dollar bei Schleusungsgarantie. Wer glaubt, dass wir das mit unseren 18 oder 19 stationären Grenzkontrollen verhindern können - das ist ein starker Trugschluss."
Von der Schleierfahndung hält aber auch Roßkopf viel. Und überhaupt müsse die Polizei besser ausgestattet sein. Mit modernen Kastenwägen, mobilen Büros, Notstromaggregat und Drohnentechnik. Vorbild sei die bayrische Grenzpolizei, die über modernes technisches Gerät verfüge. Roßkopf vermutet aber, dass trotz gewisser Zweifel an einer durchschlagenden Wirksamkeit die stationären Kontrollen vorläufig bleiben werden - mindestens bis Juli, bis die Fußball-Europameisterschaft vorbei ist.
Grenzfrust an der deutsch-polnischen Grenze
Für die deutsch-polnische Grenzregion jedenfalls sind die stationären Kontrollen eine Umstellung, die nicht allen Freude macht. Gerade zu Beginn der Kontrollen staute sich der Verkehr weit in die polnische Stadt Slubice hinein. Und zwar von Polen in Richtung Deutschland.
Ein polnischer Tankwart erzählt, dass die deutschen Kunden ausbleiben, weil sie nicht wissen, wie lange sie auf dem Rückweg im Stau stehen. Ein Student der Universität Viadrina, der regelmäßig mit einem größeren Auto nach Polen fährt, auch um Essen einzukaufen, berichtet, dass er nun jedes Mal von deutschen Beamten herausgewunken wird. Ihr Verdacht: Er würde Migranten über die Grenze bringen.
Mittlerweile hat sich die Situation etwas entspannt. Aber manch einer sehnt sich in die Zeit zurück, als jeder unbehelligt hin- und herfahren konnte.