Migrationspolitik Faeser lehnt Obergrenze für Geflüchtete ab
Wie umgehen mit Flüchtlingen und illegaler Migration? Sachsens Ministerpräsident Kretschmer fordert Grenzkontrollen, sein bayerischer Kollege Söder eine Obergrenze für Geflüchtete. Letzteres hat Bundesinnenministerin Faeser jetzt abgelehnt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den Vorschlag einer jährlichen Obergrenze für Geflüchtete von CSU-Chef Markus Söder abgelehnt. Das internationale Recht spreche dagegen, sagte die SPD-Politikerin am Sonntagabend in der ARD-Sendung Anne Will. Sie verwies unter anderem auf die Genfer Flüchtlingskonvention.
Mit Obergrenzen mache man Menschen nur vor, etwas werde besser, sagte die Ministerin. "Das Einzige, was wirklich helfen wird, ist eine europäische Lösung", so Faeser. Da müsse seitens der EU mehr kommen an Verteilung. Die Kommunen seien an der Belastungsgrenze.
Söder fordert Obergrenze von 200.000 Geflüchteten
Der bayerische Ministerpräsident Söder hatte eine "Integrationsgrenze" für die Aufnahme von Geflüchteten von etwa 200.000 Menschen ins Gespräch gebracht. Bei Anne Will bekräftigte er, bei der Zahl 200.000 gehe es um eine Richtgröße, "in der Integration in unserem Land noch gelingen kann". Man benötige Grenzschutz, den Stopp von Sonderaufnahmeprogrammen, die nur Deutschland mache, es brauche Rückführung und eine Veränderung der Anreize, beispielsweise beim Bürgergeld.
Für einen Deutschland-Pakt gegen unkontrollierbare Zuwanderung stehe er sofort bereit. Er forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, bei dem Thema Migration Führung zu zeigen.
Aus Ländern und Kommunen kamen zuletzt zunehmende Warnungen vor einer Überlastung. Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dazu kommt, dass wegen des russischen Kriegs mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchten, die keinen Asylantrag stellen müssen.
Kretschmer verweist auf Grenzkontrollen in Nachbarländern
Zuvor hatte sich Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer für schnelle und strikte Maßnahmen ausgesprochen. Als Beispiel nannte er systematische Grenzkontrollen zu den Nachbarländern Polen und Tschechien. "Die Situation ist dramatisch", sagte der CDU-Politiker im Bericht aus Berlin. Stationäre Kontrollen seien daher nötig, um die Situation in den Griff zu bekommen und Menschen auch zurückweisen zu können. "Es bleibt uns gar nichts anderes übrig."
Faeser hatte sich am Wochenende offen für vorübergehende stationäre Grenzkontrollen ausgesprochen, um Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen. Außerdem müsse die Schleierfahndung in den Grenzgebieten ausgeweitet werden, sagte sie. Die Union warf ihr daraufhin vor, unklare Ankündigungen zu machen, und forderte dauerhafte Grenzkontrollen.
Kretschmer kritisierte die Bundesregierung zudem für das aus seiner Sicht lange Zögern. "Wir sprechen seit einem Jahr mit der Bundesregierung hinter verschlossenen Türen, aber es passiert nichts." Das gelte auch für die Themen Rückführungsabkommen und sichere Herkunftsstaaten. Man müsse etwa an die nordafrikanischen Staaten und die Menschen dort "ein klares Signal senden: Es hat keinen Sinn, sich auf den Weg zu machen." Das ließe sich etwa durch die Einstufung als sicheres Herkunftsland erreichen.
Zudem müsste Deutschland diese Länder dazu bringen, ihre in Deutschland ausreisepflichtigen Staatsbürger zurückzunehmen. Diese Länder bekämen Entwicklungshilfe, es gebe wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Breite Debatte
Im Laufe des Wochenendes hatten sich bereits zahlreiche Politiker zu Wort gemeldet. Dabei wurden Appelle für ein parteiübergreifendes Vorgehen lauter - doch die Debatte wird auch zusehends gereizt. Vertreter von Bundesregierung und Union forderten am Wochenende zu gemeinsamen Lösungen auf.
CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte in der "Augsburger Allgemeinen" eine Inkonsequenz bei Zurückweisungen und Abschiebungen. Am Samstag hatte er die Bundesregierung scharf attackiert: "Ich biete Ihnen an: Lassen Sie uns das zusammen machen, und wenn Sie das mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen - aber wir müssen dieses Problem lösen", sagte er beim CSU-Parteitag in München.
Warnung vor Populismus
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warnte vor Populismus. Die eine "Zaubermaßnahme" gebe es nicht, betonte er in der "Bild am Sonntag". Es dürfe jedenfalls nicht das individuelle Grundrecht auf Asyl infrage gestellt werden. Klingbeil sprach sich für mehr Grenzkontrollen und eine stärkere Bekämpfung von Schleusern aus. Wer in Deutschland bleiben dürfe, müsse rasch eine Arbeitserlaubnis bekommen; wer dagegen nicht bleiben könne, müsse das Land verlassen.
Ein gemeinsames europäisches Asylsystem sollte schnellstmöglich eingeführt werden, forderte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der "Bild"-Zeitung.
Ampel streitet
Doch auch innerhalb der Ampelkoalition gibt es Streit. Die FDP forderte ein Umdenken bei den mitregierenden Grünen beim Thema Begrenzung der Migration. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte: "Wir brauchen eine parteiübergreifende Lösung für die Herausforderungen in der Migrationspolitik." In diesem Zusammenhang seien die Grünen aufgefordert, ihre "Blockaden" aufzugeben.
"Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer: Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen", kritisierte Djir-Sarai.