Meuthen-Rückzug Nach rechts?
Der AfD-Vorsitzende Meuthen zieht sich zurück. Der Machtkampf gegen seinen Intimfeind Höcke scheint verloren. Die AfD dürfte nun noch weiter nach rechts rücken.
Jörg Meuthen räumt kampflos das Feld. In seiner internen Rundmail an die Parteimitglieder macht der langjährige AfD-Chef allenfalls Andeutungen, warum er im Dezember nicht noch einmal antritt. Er schreibt von "manchen Härten und Enttäuschungen", doch der wahre Grund dürfte lauten: Nicht wenige Getreue in der Partei waren Meuthen zuletzt abhanden gekommen. Der beim nächsten Parteitag drohenden Niederlage ist Meuthen damit wohl zuvorgekommen.
Denn parallel hatte sich schon in den vergangenen Wochen angedeutet, dass sein Gegenspieler, AfD-Rechtsaußen und prominentester Kopf des formal aufgelösten "Flügels", Björn Höcke, zunehmend an Einfluss gewann: Beim Parteitag in Dresden gelang es dem AfD-Landeschef von Thüringen, gegen den Widerstand des Meuthen-Lagers, radikale Positionen im Wahlprogramm unterzubringen. Auch der "Dexit", der Ausstieg Deutschlands aus der EU, fand sich dort wieder. Das dürfte für den Europa-Abgeordneten Meuthen ein harter Schlag gewesen sein. Meuthen hatte sich ausdrücklich gegen diese Forderung ausgesprochen.
Stimmverluste im Westen
Dass die AfD bei der Bundestagswahl im Westen deutliche Stimmverluste einstecken musste, in Sachsen und Thüringen jedoch zahlreiche Direktmandate gewann, wirkte wie ein Schub für die vom Ex-"Flügel" dominierten Ostverbände. Wer für die AfD mehr Wählerstimmen holen wolle, müsse es nur machen wie sie, glaubt man in diesen Landesverbänden.
Offen ausgebrochen war dieser Machtkampf zwischen den zwei Parteilagern und deren "Frontleuten", Meuthen und Höcke, im Streit um den Rauswurf des Höcke-Getreuen und "Flügel"-Strippenziehers Andreas Kalbitz. Im Mai 2020 warf Höcke Meuthen in einem Facebook-Video deswegen sogar "Verrat an der Partei" vor. Meuthen schlug beim Parteitag in Kalkar Ende 2020 zurück, als er in seiner Eröffnungsrede von "immer enthemmter auftretenden" AfD-Mitgliedern sprach, die "allzu gerne rumkrakeelen und rumprollen". Meuthen musste die "Flügel"-Leute gar nicht ausdrücklich nennen. Sie fühlten sich auch so angesprochen. Überbrückungsversuche der hier erneut offen zutage getretenen Partei-Gräben hat es nie ernsthaft gegeben.
Auch wenn Meuthen nun nicht den Komplett-Rückzug antritt, sondern in seinem Rundbrief ankündigt, er werde weiter seine "Stimme hörbar einsetzen", dürfte seine Entscheidung seine Gegner weiter beflügeln. Denn im als gemäßigt geltenden Meuthen-Lager ist nicht klar, wer dessen Nachfolge antreten könnte: Die hessische Digital-Politikerin Joana Cotar wird immer wieder genannt.
Chrupalla - der neue starke Mann
Auch der nordrhein-westfälische AfD-Landeschef und Verteidigungspolitiker, Rüdiger Lucassen, hatte im ARD-Interview bereits seinen Hut in den Ring geworfen. Der Name Peter Boehringer fällt gelegentlich. Doch sie haben, bislang jedenfalls, kaum den Rückhalt, den das Spitzenkandidaten- und Fraktionsvorsitzenden-Duo Alice Weidel und Tino Chrupalla genießt.
Es gilt als nicht unwahrscheinlich, dass die beiden nun auch nach dem Parteivorsitz greifen. Zumindest Chrupalla ist der neue starke Mann in der Partei. Weidel hingegen hat auch viele Feinde, wie zuletzt bei der Abstimmung über den Fraktionsvorsitz im Bundestag deutlich geworden ist. Eine Hoffnung des Meuthen-Lagers: Dass man diese Lösung mit dem Hinweis auf "Ämterhäufung" verhindern kann. Denn wie sollen sich die beiden auf ihre Aufgaben an Fraktions- und Parteispitze gleichzeitig konzentrieren können?
Dass Björn Höcke persönlich das Risiko eingeht, zwar einen Sieg, aber ein schwaches Ergebnis einzufahren, glaubt der Politikexperte Michael Lühmann von der Uni Göttingen eher nicht: "Er bleibt der Mann im Hintergrund", so Lühmann im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Klar ist aus seiner Sicht auch, dass Meuthen den Machtkampf - genau wie schon die vor ihm zurückgetretenen Bernd Lucke und Frauke Petry - gegen das Höcke-Lager verloren hat. Dass dies die Partei vom Meuthen-Kurs abbringen wird, daran zweifelt im Grunde niemand.