Linke sucht Zukunft "Die Bundestagsfraktion ist politisch tot"
Die Linkspartei will nach dem Bruch mit Sahra Wagenknecht nach vorne blicken und politische Inhalte in den Mittelpunkt stellen. Das Ziel: eine Linke mit Zukunft, wenn auch ohne Bundestagsfraktion.
Die Linke will nach der Abkehr von Sahra Wagenknecht und ihren Getreuen neues Profil in der Wirtschafts- und Klimapolitik gewinnen.
"Wir haben heute den Startschuss für eine Linke mit Zukunft gelegt", sagte der Parteivorsitzende Martin Schirdewan nach einer Strategiekonferenz in Berlin. Von einem Fortbestand der Bundestagsfraktion wird dabei aber nicht mehr ausgegangen.
"Diese Bundestagsfraktion ist politisch tot", sagte deren Vorsitzender Dietmar Bartsch mit Blick darauf, dass durch den Parteiaustritt von Wagenknecht und der sie unterstützenden Abgeordneten sowie deren Ankündigung eines Verlassens der Fraktion die Mindestzahl für die Fraktionsstärke absehbar unterschritten wird. Zwar solle das weitere Vorgehen erst in der regulären Sitzung der Abgeordneten am Dienstag besprochen werden, klar sei aber: "Es wird keine Bundestagsfraktion in naher Zukunft geben."
Schluss mit "lähmender Selbstbeschäftigung"
Gleichwohl werde die Linke auch ohne Fraktionsstatus weiter im Bundestag aktiv sein und linke Politik vertreten, betonte Bartsch aber weiter. Dabei werde es wieder ein gemeinsames Agieren geben. "Die Zeit der lähmenden Selbstbeschäftigung muss vorbei sein." Erwartet wird, dass die Linke versucht, den Status einer Gruppe im Bundestag zu erreichen, die aber weniger Rechte und finanzielle Mittel hätte als bisher die Fraktion.
Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete hatten vor rund zwei Wochen ihren Austritt aus der Linken erklärt und ihr Ziel des Aufbaus einer Konkurrenzpartei angekündigt. Vor der Europawahl und den wichtigen ostdeutschen Landtagswahlen im Osten 2024 versucht die Linke nun, wieder Tritt zu fassen und schlechte Wahlergebnisse hinter sich zu lassen.
Inhalte und Geschlossenheit
Dafür setzt sie auf Inhalte - und Einigkeit. "Sie sehen die Partei heute in großer Geschlossenheit", sagte Parteichef Schirdewan nach den Strategieberatungen. Die Ampel hole den "Kürzungshammer" raus und halte "sklavisch" an der Schuldenbremse fest.
Das von der Linken nun vorgeschlagene "soziale Klimageld" von 200 Euro monatlich sollten dem Papier zufolge alle mit einem Einkommen von heute bis zu 4.000 Euro brutto im Monat bekommen. Zur Finanzierung wird konkret nichts gesagt. Das gilt auch für das geforderte "größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Republik" in Industrie, Energie und Verkehr. Das Papier wiederholt lediglich die Forderung nach Abkehr von der Schuldenbremse und nach Umverteilung.
Eine vom Bund finanzierte "Industriestiftung" soll nach den Ideen der Linken gezielt Anteile an wichtigen Unternehmen übernehmen und so kritische Infrastruktur wie Raffinerien, Pipelines, Energiespeicher oder Häfen vor ausländischen Übernahmen bewahren. Das Papier fordert zudem Finanzhilfen für Unternehmen zur Umrüstung auf klimafreundlichere Produktion sowie niedrige Energiepreise für Industriebetriebe.
Die Linken-Chefs Schirdewan und Wissler suchen nach einer Strategie für ihre Partei.
"Wir haben kein Flüchtlingsproblem"
Die Co-Vorsitzende Janine Wissler kritisierte zudem scharf den Kurs der Bundesregierung gegen irreguläre Migration. "Das ganze Gerede von Obergrenzen und Grenzkontrollen, das löst kein einziges Problem. Was wir tatsächlich brauchen, ist eine bessere Finanzierung der Kommunen", forderte sie und nannte Investitionen in bezahlbaren Wohnraum und Schulen. "Wir haben kein Flüchtlingsproblem, wir haben ein Verteilungsproblem in diesem Land."
Damit versucht die Linke wieder in die Offensive zu kommen. Monatelang hatte das Gezerre um Wagenknecht die Partei gelähmt, nach einer Serie von Wahlniederlagen in den Ländern liegt sie auch politisch am Boden. Für viele dürfte es daher fast eine Erleichterung gewesen sein, als Wagenknecht ihre Vereinsgründung bekannt gab und zugleich ihren Parteiaustritt. Neun Abgeordnete folgten ihr. Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" soll 2024 in die Gründung einer neuen Partei münden.