Intensivpfleger versorgen einen schwer an Covid-19 erkrankten Patienten auf der Corona-Intensivstation im Universitätsklinikum in Halle/Saale.
FAQ

Personal im Gesundheitswesen Was für und gegen eine Impfpflicht spricht

Stand: 10.12.2021 12:48 Uhr

Die Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen ist beschlossen. Was spricht dafür und was dagegen? Was sagen die Betroffenen? Antworten auf wichtige Fragen.

Warum wurde die Impfpflicht für gewisse Bereiche beschlossen?

Im Gesetzentwurf heißt es dazu, dass dem Personal in Gesundheitsberufen "eine besondere Verantwortung" zukommt, da es "intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Infektionsrisiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf hat". Eine hohe Impfquote sei gerade dort essentiell - auch vor dem Hintergrund, dass viele Menschen erhöhten Unterstützungs- und Betreuungsbedarf haben und ihre Kontakte nur schwer beeinflussen können.

In Pflegeheimen waren immer wieder besonders viele Corona-Tote zu beklagen. Die Debatte um eine Impfpflicht im Gesundheitswesen wurde zuletzt durch Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt angefeuert. Zahlreiche Bewohner starben. In beiden Fällen war offenbar ein großer Teil der Pflegekräfte ungeimpft.

Um welche Bereiche geht es?

Zum Schutz besonders gefährdeter Gruppen müssen laut Gesetzentwurf all jene geimpft oder genesen sein, die in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen tätig sind. Die Pflicht gilt auch für Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderungen betreut werden. Erfasst von der Regelung sind außerdem Tageskliniken, Arztpraxen, Rettungsdienste oder sozialpädagogische Zentren. 

Für bestehende und bis zum 15. März 2022 geschlossene Tätigkeitsverhältnisse müssen die Nachweise bis zu diesem Datum vorgelegt werden. Die Neueinstellung von Personal, das weder geimpft noch genesen ist, wäre danach nicht mehr möglich. Eine Ausnahme von der Impfpflicht gibt es nur für jene, bei denen diese aus medizinischen Gründen nicht möglich ist - wenn ein entsprechendes Attest vorgelegt wird.

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Wie hoch ist die Impfrate des Personals?

Darüber gibt es keine genauen Zahlen. Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge lag die Impfquote beim Personal in Pflegeeinrichtungen bei 88,8 Prozent, beim medizinischen Personal bei 90,2 Prozent (Erhebungszeitraum 15.09. bis 18.10.). Der Gesetzentwurf nennt auch niedrigere Impfquoten (82 Prozent) eines RKI-Monitorings in 165 nicht-repräsentativen Altenpflegeheimen. Acht Altenpflegeheime hatten demnach eine Impfquote aller Beschäftigten unter 50 Prozent. Zum Vergleich: Insgesamt sind in Deutschland derzeit rund 80 Prozent der Über-18-Jährigen vollständig geimpft.

Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christina Vogler, sagte, die Impfquoten unter Pflegekräften seien bereits hoch. In den Krankenhäusern seien 90 bis 94 Prozent von ihnen gegen Corona geimpft, für die Pflegeheime gebe es Hinweise in ähnlicher Größenordnung. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hingegen bemängelt eine zu geringe Impfbereitschaft beim Pflegepersonal. Mindestens 80 Prozent müssten geimpft sein. Dies sei aber nicht der Fall.

Was sagen die betroffenen Berufsgruppen?

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hat kürzlich die Einführung einer berufsbezogenen Covid-19-Impfpflicht für Personen gefordert, die in medizinischen Einrichtungen, Alten- und Pflegeheimen sowie Schulen und Kindertagesstätten tätig sind.

Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Vogler, sprach sich gegen eine Corona-Impfpflicht nur für Pflegekräfte aus. Anstatt auf bestimmte Berufsgruppen zu zielen, müsse "einrichtungsbezogen" vorgegangen werden. Auch Reinigungs- und Küchenkräfte sowie die Angehörigen hätten Kontakt zu den besonders verletzbaren Bewohnern.

Was sind Argumente gegen die Impfpflicht?

Der Deutsche Pflegerat warnt vor zusätzlichem Frust in dieser Berufsgruppe. Auch die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, betonte, es sei äußerst wichtig, dass Pflegekräfte nicht das Gefühl hätten, die Impfpflicht richte sich nur an sie, während sich größere Teile der Bevölkerung weiterhin nicht impfen ließen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor Personalflucht. Sollten sich, wie aus Großbritannien berichtet, zehn Prozent der Altenpflegenden nicht impfen lassen, könnten zwischen 100.000 und 120.000 Beschäftigte nicht mehr in der Altenpflege eingesetzt werden. Vorstand Eugen Brysch betonte zudem, dass eine Impfpflicht erst mittelfristig Verbesserungen bringe.

Was sagt der Ethikrat zur geplanten Impfpflicht?

Der Deutsche Ethikrat hatte Mitte November für die rasche Prüfung einer berufsbezogenen Impfpflicht in Bereichen plädiert, in denen besonders gefährdete Menschen versorgt werden. Dazu gehören aber auch Mitarbeitende des Sozialdienstes, der Alltagsbegleitung oder der Hauswirtschaft.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, plädierte nach anfänglicher Skepsis ebenfalls für eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitssektor. Er forderte darüber hinaus aber eine zentrale Erfassung der Impfzahlen.

Ist eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen neu?

In Frankreich gilt bereits seit Mitte September eine Impfpflicht für Mitarbeiter von Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen, Pflegediensten sowie für Mitarbeiter von Rettungsdiensten und Feuerwehr. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Oktober hielt sich der überwiegende Teil der rund 2,7 Millionen Beschäftigten an die Vorgabe, zwischenzeitlich seien aber rund 15.000 Beschäftigte ohne Gehaltsfortzahlung suspendiert worden. Auch in Italien, Großbritannien und Griechenland gilt schon länger eine Corona-Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen.

In Deutschland gibt es ebenfalls bereits eine Impfpflicht: Das im März 2020 in Kraft getretene Masernschutzgesetz verpflichtet Beschäftigte in Arztpraxen, Pflegediensten, Flüchtlingsunterkünften und Kliniken zu einem Impfschutz. Vor der Aufnahme in eine Kindertagesstätte oder Schule müssen Eltern belegen, dass ihr Kind gegen Masern geimpft oder bereits immun ist.

Kommt auch eine allgemeine Impfpflicht?

Bund und Länder haben beschlossen, dass der Bundestag "zeitnah" über eine allgemeine Impfpflicht entscheiden soll. Sie kann erst dann greifen, sobald sichergestellt werden kann, dass alle zu Impfenden auch geimpft werden können, also etwa ab Februar 2022. Bund und Länder bitten den Ethikrat, hierzu bis Jahresende eine Empfehlung zu erarbeiten.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend sprachen sich 71 Prozent der Deutschen für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht für Erwachsene aus. Das sind 14 Punkte mehr als noch im Vormonat. Zuspruch findet eine allgemeine Impfpflicht in den Reihen aller Parteianhängerschaften mit Ausnahme der AfD. Innenminister und Verfassungsschützer warnen für den Fall einer allgemeinen Impfpflicht vor einer weiteren Eskalation der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen.

Uwe Jahn, Uwe Jahn, ARD Berlin, 10.12.2021 06:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Dezember 2021 um 20:10 Uhr.