Abgeordnete nehmen an der 164. Sitzung des Bundestages teil.
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Nach Urteil des Supreme Court Immunität von Politikern - was gilt in Deutschland?

Stand: 03.07.2024 16:39 Uhr

In den USA hat der Supreme Court geurteilt, Donald Trump genieße weitgehende Immunität für offizielle Handlungen als Präsident. Wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion und Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion

In den USA war ein Urteil des Obersten Gerichtshofs nötig, um zu klären, ob ehemalige Präsidenten wie Donald Trump Immunität vor Strafverfolgung haben. In Deutschland ist die Rechtslage dagegen schon lange eindeutiger: Viele Fragen rund ums Thema Immunität sind im Grundgesetz geregelt. Ein Überblick.

Was genau bedeutet Immunität?

Die Immunität schützt politische Mandatsträger vor Strafverfolgung. Die Staatsanwaltschaft darf also in diesen Fällen selbst bei einem Verdacht nicht ohne weiteres ein Ermittlungsverfahren einleiten.

Der Gedanke dahinter: Das Parlament als Gesetzgebungsorgan soll nicht durch - möglicherweise politisch motivierte - Anzeigen gegen Abgeordnete in seiner Arbeit lahmgelegt werden. Anders als bei einem normalen Bürger gibt es für die Strafverfolgung von Abgeordneten also besondere Hürden.

Die Immunität kann in einem klar geregelten Verfahren durch den Bundestag aufgehoben werden. In diesen Fällen können potenzielle Straftaten dann also doch verfolgt werden.

Wer genießt in Deutschland Immunität?

In Deutschland genießen alle Bundestagsabgeordneten für die Dauer ihres Mandats Immunität. Das ist in Artikel 46 des Grundgesetzes geregelt.

Die Immunität bezieht sich nur auf die Verfolgung wegen einer Straftat - nicht auf zivilrechtliche Streitigkeiten. Ein Abgeordneter wird also beispielsweise nicht davor geschützt, wegen eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz verklagt zu werden.

Die Immunität gilt außerdem von vornherein nicht, wenn ein Abgeordneter "bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgendes Tages festgenommen wird". Auch die Abgeordneten der Landesparlamente haben Immunität.

Was gilt für Bundeskanzler, andere Regierungsmitglieder und Bundespräsident?

Der Bundeskanzler genießt keine "eigene" Immunität, bloß weil er Regierungschef ist. Das ist im Grundgesetz nicht geregelt. Seine Immunität ergibt sich aber daraus, dass er meistens neben seiner Rolle als Bundeskanzler auch Abgeordneter des Bundestags ist.

Das gleiche gilt auch für Bundesministerinnen und Bundesminister. Anders ist die Lage aber beim Bundespräsidenten: Er genießt laut Grundgesetz aufgrund seines besonderen Amtes politische Immunität im Inland. Diese kann aber durch Beschluss des Bundestages aufgehoben werden. Das gilt für den Bundespräsidenten und für die Parlamentarier.

Wie kann die Immunität aufgehoben werden?

Weil die Immunität grundsätzlich die Funktionsfähigkeit des Parlaments schützt, kann auch nur der Bundestag selbst die Immunität seiner Abgeordneten aufheben.

Welches Verfahren zur Anwendung kommt, hängt davon ab, ob es um die bloße Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft geht oder um andere Maßnahmen im Rahmen eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens, etwa die Durchsuchung oder sogar die Erhebung einer Anklage.

Ermittlungsverfahren gegen Bundestagsabgeordnete dürfen grundsätzlich ohne gesonderten Beschluss aufgenommen werden. Denn der Bundestag hat für die laufende Wahlperiode pauschal die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestags wegen Straftaten genehmigt.

Eine Voraussetzung gibt es aber: Bevor die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen einen Bundestagsabgeordneten einleitet, muss sie dies dem Bundestagspräsidenten und dem betroffenen Abgeordneten mitteilen. Frühestens 48 Stunden nach dieser Mitteilung darf das Ermittlungsverfahren dann tatsächlich eingeleitet werden.

Ist das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft schon in vollem Gang und geht es dabei um die Frage einer Durchsuchung, Verhaftung oder sogar um eine Anklageerhebung, muss vom Bundestag eine Einzelfallentscheidung getroffen werden.

Die Staatsanwaltschaft muss dann einen Antrag auf die Aufhebung der Immunität beim Bundestagspräsidenten einreichen, der diesen wiederum an den Immunitätsausschuss weiterleitet. Dort wird der Antrag umfassend geprüft. Dann spricht der Immunitätsausschuss seine Empfehlung an den Bundestag aus. Beschließt der Bundestag die Aufhebung der Immunität, ist sie aufgehoben.

Welche Folge hat die Aufhebung der Immunität?

Wenn die Immunität aufgehoben wurde, können die Strafverfolgungsbehörden das Strafverfahren einleiten. Wie das Verfahren dann ausgeht, ist aber offen.

Die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität sagt also noch nichts über die Schuld oder die Unschuld des jeweiligen Abgeordneten aus. Diese Frage wird erst am Ende des Strafverfahrens geklärt: Etwa wenn ein Gericht im Hauptverfahren urteilt, ob sich ein Angeklagter einer Straftat schuldig gemacht hat. Außerdem kann der Bundestag die Immunität eines Abgeordneten jederzeit wiederherstellen.

Was ist Indemnität?

Zu unterscheiden von der Immunität ist die sogenannte Indemnität. Sie schützt Abgeordnete vor Verfolgung wegen ihres Abstimmungsverhaltens oder wegen Äußerungen, die sie im Parlament oder in Ausschüssen getan haben. Es geht also nicht um Handlungen außerhalb des Bundestags, sondern gerade um das, was im Parlament geschieht. Dieser Schutz wirkt auch dann fort, wenn die Mandatszeit vorbei ist. Vergangene Äußerungen im Parlament können also auch nicht nachträglich sanktioniert werden.

Ausgenommen von der Indemnität sind lediglich verleumderische Beleidigungen. Der Gedanke dahinter: Im Parlament sollen Abgeordnete im Rahmen ihres Mandats grundsätzlich frei und ohne Angst vor negativen Folgen sprechen und abstimmen können. Die Indemnität dient also letztlich dem Schutz des freien Mandats. Anders als die Immunität kann das Parlament die Indemnität auch nicht aufheben.