ifo-Studie Wie das Bürgergeld reformiert werden könnte
Das Bürgergeld ist seit Monaten politisch umstritten. Eine Studie des Münchner ifo-Instituts im Auftrag der Bundesregierung regt nun Änderungen beim Bürgergeld an, um Arbeit attraktiver zu machen.
"Arbeit muss sich lohnen!" Das ist ein Statement, das auf Wahlplakaten steht und immer wieder in Talkshows zu hören ist. Nur wie? Das ifo-Institut hat einige Ideen durchgerechnet. In einer Studie haben die Forscher ermittelt, mit welcher Reform sich Arbeit für Bürgergeld-Bezieher und Menschen mit niedrigem Einkommen mehr lohnt.
Wer arbeitet, aber nicht viel verdient, der steckt in einem Dilemma: Das Geld reicht nicht. Deswegen hilft in solchen Fällen der Staat. Es gibt beispielsweise einen Zuschuss zur Miete, das sogenannte Wohngeld, oder zusätzliches Geld für Kinder, den sogenannten Kinderzuschlag. Man bekommt weniger, je mehr man hinzuverdient. Das System hat aber Tücken und Lücken, sagt ifo-Forscher Andreas Peichl. Nämlich beispielsweise die sogenannte Niedrigeinkommensfalle. "Es lohnt sich immer, ein bisschen zu arbeiten," so der Experte. "Aber es lohnt sich nicht, Arbeit deutlich auszuweiten."
Arbeitsanreize schaffen und das System effizienter machen
Hier wollen er und sein Team ansetzen. Das Ziel: "Mehr Arbeitsanreize schaffen und das System effizienter machen." Nach der vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Studie des ifo-Instituts müsste man dafür die Sozialleistungen besser aufeinander abstimmen. Beispiel: Mietkosten. Dabei hilft der Staat dem arbeitslosen Bürgergeld-Bezieher ebenso wie dem arbeitenden Geringverdiener. Allerdings gibt es zwei verschiedene Systeme, nach denen diese Hilfen verwaltet und berechnet werden: im Bürgergeld die Kosten der Unterkunft (KdU) und bei Geringverdienern das Wohngeld.
In einem der Modelle der ifo-Studie würde nun das Wohngeld in das Bürgergeldsystem integriert werden. "Man könnte das Wohngeld einfach abschaffen, das hätte die gleiche Wirkung," erklärt Peichl. "Es ist halt die Frage, was am Ende einfacher ist." Außerdem sollen die Einkommensgrenzen überarbeitet werden, ab denen staatliche Leistungen verringert werden oder wegfallen. Damit würden die Regeln erstmal großzügiger für die Einzelnen: Wer arbeitet, bekommt anfangs mehr dazu.
Das heißt auch: Der Staat müsste mehr Geld ausgeben. Den ifo-Forschern zufolge wird eine solche Reform allerdings das Arbeiten für viele attraktiver machen: voraussichtlich kämen so viele zusätzliche Arbeitsstunden zusammen, dass diese 144.000 Vollzeitstellen entsprechen würden. Ein ordentliches Ergebnis in Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel, durch das der Staat sicher zusätzliche Einnahmen hätte, sodass am Ende dennoch keine Mehrkosten entstehen sollen.
FDP hält Reform für erstrebenswert
"Der Sozialstaat bestraft Mehrarbeit," sagt Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld in der FDP-Bundestagsfraktion: "Wer sich Stück für Stück herausarbeiten möchte, der soll belohnt und nicht bestraft werden." An diesen Konstruktionsfehlern im Sozialstaat müsse gearbeitet werden, denn gerade im Übergangsbereich zwischen verschiedenen Sozialleistungen gebe es "erhebliche Defizite, die Behörden-Ping-Pong schaffen". Teutrine rechnet damit, dass es noch in diesem Jahr Änderungen beim Bürgergeld und bei den Zuverdienstregeln geben wird.
Auch die Grünen sehen Änderungsbedarf: "Wir brauchen ein viel einfacheres System, das die Menschen auch verstehen", sagt Stephanie Aeffner, Berichterstatterin für Sozialpolitik. Das Bürgergeld-System auszuweiten auf zusätzlich rund 1,6 Millionen Geringverdiener, wie in dem ifo-Modell gerechnet, ist für sie die falsche Lösung. "Wir wissen, dass viele Menschen Wohngeld wegen Stigmatisierung oder Unkenntnis nicht beantragen", sagt Aeffner. Da mache sie sich große Sorgen, denn gerade die Stigmatisierung sei beim Bürgergeld doch noch viel krasser: "Deshalb werden viele Menschen die Leistungen nicht in Anspruch nehmen und in verdeckte Armut fallen."
Ähnliche ifo-Studie blieb bisher folgenlos
Die SPD verweist auf eine andere Studie des ifo-Instituts aus dem Januar, die das Sozialministerium in Auftrag gegeben hatte. Auch die damalige Studie hatte die positiven Effekte von weniger Kürzungen betont. Das ist nun acht Monate her, die SPD betont: "Auf dieser Basis laufen bereits koalitionsinterne Gespräche."
Die erste ifo-Studio im Januar hatte aber nicht auf die Zweiteilung von Bürgergeld und Wohngeld geschaut und die möglichen Effekte, wenn daraus eine einheitliche Grundsicherung gemacht würde. An die Lücken im System will auch die SPD sich heranmachen, sieht aber die Integration des Wohngeldes als "technisch und rechtlich als sehr herausfordernd". Besonders arbeitende Familien müssten von einer Reform profitieren, so Rosemann: "Das ließe sich beispielsweise erreichen, indem sie beim Kinderzuschlag mehr behalten dürfen."
Und so dürfte die zweite ifo-Studie zwar neue Diskussionen erzeugen über Änderungen am Bürgergeld im Rahmen der Wachstumsinitiative der Ampel. Beim Wie allerdings gehen die Meinungen auseinander. Zumindest beim Problem ist sich die Ampel einig: Das System ist zu komplex und daran soll gearbeitet werden.