Förderung für Projekte und Vereine Banges Warten auf den Haushalt
Anfang Februar soll der Haushalt für 2024 stehen. Die Wartezeit bringt für Trägervereine Risiken mit sich. Sie bangen um Mitarbeiter und Mietverträge. Betroffen sind Demokratieprojekte, aber auch das THW.
Einsatzfahrzeuge durchchecken, Großübungen vorbereiten oder den Umgang mit dem Aufbrechhammer lernen - das machen Bufdis beim Technischen Hilfswerk (THW). Doch es könnte sein, dass davon in den nächsten Wochen weniger für eine Einsatzübung zur Verfügung stehen.
Denn die Haushaltskrise bremst die Träger aus: Eine "zweistellige Zahl" an Bewerbern für den Bundesfreiwilligendienst könne nun zum Januar nicht starten, sagt Janis Becker, Referatsleiter beim THW. Wenn die Bewerber zeitlich flexibel seien, versuche man einen späteren Beginn zu vereinbaren.
Da unklar ist, wann das sein wird, reicht das nicht allen: "Es gibt Fälle, in denen vom Absolvieren eines Bundesfreiwilligendienstes generell Abstand genommen wird", so Becker. Kein guter Jahresstart für eine Organisation, die so sehr auf Freiwilligkeit und Nachwuchsarbeit setzt.
Aus dem zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben heißt es nur, dass für 2024 "aktuell keine Haushaltsmittel für weitere Vereinbarungen zur Verfügung" stünden. Man wisse, dass "die derzeitige Haushaltssituation (…) mit erheblichen Unsicherheiten verbunden" ist - und befinde sich "in Klärung". Neben dem THW betrifft das zum Beispiel auch die Diakonie und andere Anbieter.
Entlassungen bei Ausstiegshilfen aus dem Rechtsextremismus
Das Warten auf einen Haushalt - vor allem für soziale Projekte und Dienste kann das existenzbedrohend sein. An manchen Stellen hat es schon zu Entlassungen geführt: Zehn Mitarbeiter seien "buchstäblich von heute auf morgen gekündigt worden", sagt Christian Pfeil, Vorstand im Dachverband "Ausstieg zum Einstieg", der Ausstiegshilfen aus dem Rechtsextremismus anbietet.
Modellprojekte laufen damit zum Jahresende aus, etwa die Fortbildung von Pädagogen, die lernen, mit rechtsextremen Jugendlichen weiter im Gespräch zu bleiben und ihnen beim Ausstieg zu helfen.
Auch bei den Beratungsstellen vor Ort habe es Entlassungen gegeben. "Es ist noch nicht absehbar, ob und wann diese Kündigungen zurückgenommen werden können", sagt Pfeil.
Selbst wenn die Trägervereine ihr Geld bald bekämen, bleibe womöglich ein Schaden: Hochqualifizierte Mitarbeiter könnten sich "nach neuen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt umsehen" und "teilweise mehrjährige Beratungsprozesse" mit Aussteigern aus der rechtsextremen Szene würden abgebrochen.
Risiko für Träger bleibt
Stark betroffen sind Projekte aus dem Programm "Demokratie leben", das vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Darunter sind landesweit auch 358 Partnerschaften für Demokratie, die zum Beispiel Schulhoftouren mitorganisieren und junge Menschen informieren, wie sie ihr Dorf mitgestalten können.
Fast zwei Drittel dieser Partnerschaften bekommen ihre Zusagen für jeweils ein Jahr. "Für die betroffenen Projekte wurde inzwischen ein Bescheid mit der Zustimmung zu einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn ab 1.1. 2024 versendet", schreibt das Familienministerium auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios. Das heißt, dass die Projekte weiterlaufen können und es wahrscheinlich weiter Fördermittel gibt - und trotzdem bedeutet es für die Träger ein Risiko.
Vereine müssen in Vorleistung gehen
Von einer "sehr bedrückenden Situation für viele Kollegen", spricht Mike Stampehl von der Partnerschaft für Demokratie im Westhavelland. Es gebe etliche Projekte, bei denen wegen der unklaren Aussicht Miet- oder Internetverträge gekündigt wurden.
Immerhin hätten viele Kommunen gezeigt, dass ihnen die Arbeit wichtig sei: "Teilweise sind sie eingesprungen und haben sich entschieden, bis zu drei Monate vorzufinanzieren", sagt Stampehl.
Für die Ausstiegsberatung, die ebenfalls über das Familienministerium gefördert wird, ist die Zusage eines "vorzeitigen Maßnahmenbeginns" noch keine Lösung. So lange mehrere Träger keine Zuwendungsbescheide haben, gilt: "Die Arbeit darf weiter fortgeführt werden, Geld für Löhne, Miete, Betriebskosten fließt aber erst später", so fasst es Christian Pfeil vom Verband "Ausstieg zum Einstieg" zusammen.
Trägervereine müssten in Vorleistung gehen: "Für größere Strukturen mag das noch auffangbar sein", sagt Pfeil. Kleinere Beratungen stünden so aber "mit dem Rücken zur Wand", da sie kaum finanzielle Rücklagen hätten.
Kürzungen erwartet
Die Diakonie als großer Träger sieht seine Demokratieprojekte zwar erst einmal als gesichert. Allerdings seien die Migrationsberatungen, die über kleine Träger und die Landesdiakonien angeboten werden, akut gefährdet: "Es ist nach wie vor unklar, wie viel Geld wir ab 2024 bekommen", sagt Hanna Steide-Glaßer von der Diakonie.
Massive Kürzungen seien angedroht - ein Drittel weniger Fördermittel: "Wenn das so kommt, werden Standorte schließen. Unser Angebot ist dann nicht mehr flächendeckend aufrecht zu erhalten."
Dabei steige die Nachfrage wegen der gestiegenen Migrationszahlen enorm: "Wir helfen bei der Suche nach Kitaplätzen, Wohnungen, Sprachkursen - das ist alles schwieriger geworden", sagt Steide-Glaßner.
Jede Woche zählt
Immer häufiger gehe es für die Sozialarbeiter oder Psychologen auch um den "sozialen Frieden" in einer Kommune. Sie würden vor Ort angefeindet und bekämen jetzt noch von der Haushaltspolitik wenig positive Signale: "Das sind Fachkräfte, die finden woanders locker was. Sie sind noch bei uns, weil sie idealistisch denken", so Steide-Glaßner. "Aber auf Dauer geht das nicht."
Sie alle eint: Es geht jetzt um jede Woche. Je länger die Haushaltsberatungen dauern, desto schwieriger wird es - etwa, weil Zwischenfinanzierungen auslaufen oder Fachkräfte woanders unbefristete Verträge bekommen.
Einige Ausstiegshelfer versuchen, ihre Arbeit gegen Rechtsextremismus ein paar Wochen "mit einer Notbesetzung zu überbrücken", sagt Vorstand Christian Pfeil. Anfang Februar soll der neue Haushalt stehen, so plant es die Politik. "Eine längere Pause bis in den März hätte das Ende der Projekte als Folge", warnt Pfeil.