Grünen-Parteitag zu Asylpolitik Emotionale Debatte endet mit Sieg der Parteispitze
Die Grüne Jugend wollte, dass grüne Regierungsmitglieder keine Asylrechtsverschärfungen mittragen dürfen. Doch der Antrag scheiterte. Nicht nur Vizekanzler Habeck hatte vor Konsequenzen gewarnt.
Wie erwartet kontrovers diskutieren am Samstagabend die Delegierten in Karlsruhe über Migration und Asyl. Die Grüne Jugend will mit einem Dringlichkeitsantrag erreichen, dass Grüne überhaupt keine Verschärfungen des Asylrechts mittragen - weder in Deutschland noch auf EU-Ebene.
Der Parteivorstand plädiert für einen schärferen Kurs, wie in der Ampelkoalition vereinbart. Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, Rückführungen, Kürzung von Sozialleistungen für Geflüchtete. Co-Parteichef Omid Nouripour wirbt zum Auftakt der Debatte um Verständnis: "Wir als Regierungspartei, wir werden danach bemessen, ob wir Lösungen liefern", sagt Nouripour. Es brauche Antworten, die machbar sind, wirksam und rechtens.
"Keinen Kompromiss mit konservativen Kräften"
Vor allem junge Delegierte üben in der Debatte scharfe Kritik an der Asylpolitik der Ampelregierung. "Es ist unehrlich über Begrenzung zu reden, während die Welt in Flammen steht", sagt Vasili Franco, Delegierter aus Berlin. "Liebe Freundinnen und Freunde, ich bitte Euch. Lasst uns nicht schon auf diesem Parteitag einen Kompromiss mit konservativen Kräften verabschieden", drängt Sophia Pott aus Lübeck.
Leon Schlömer, Delegierter aus Köln, ruft in die Menge: "Bitte lasst uns die Partei bleiben, die eben nicht sagt 'Wir müssen im großen Stil abschieben', sondern die Partei, die sagt 'Kein Mensch ist illegal'." Viel Beifall gibt es auch, als die Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Katharina Stolla, noch einmal für den Antrag grünen Jugendorganisation wirbt: "Wer Rechten hinterherläuft, der gerät ins Stolpern."
Habeck: Abstimmung hat Konsequenzen
Die Stimmung im Saal beginnt sich aber zu drehen - spätestens, als Vizekanzler Robert Habeck spricht und warnt, der Antrag der Grünen Jugend sei ein verkleidetes Misstrauensvotum. Die Delegierten sollten es nicht falsch verstehen, etwa als Drohung, er sage aber mit Ernsthaftigkeit: "Wie immer Ihr abstimmt, macht Euch klar, dass es kein Spiel ist, sondern eine Abstimmung, die eine Konsequenz hat."
Welche, das schildert auf eindringliche Weise Außenministerin Annalena Baerbock: "Wenn ich mir vorstelle, es geht um jedes Flüchtlingskind in Thessaloniki, soll ich dann sagen, ich kann leider nicht mitverhandeln, das soll jetzt mein ungarischer Kollege alleine machen? Soll Robert das nächste Mal, wenn er bei der MPK [Ministerpräsidentenkonferenz] sitzt, sagen, ich kann da nicht mitverhandeln, das soll jemand anderes machen?" Baerbock fleht regelrecht ihre Parteifreunde an, den Antrag der Grünen Jugend abzulehnen.
Parteitag nimmt Antrag des Vorstands an
Genau das geschieht nach über zweieinhalb Stunden hochemotionaler Debatte: "Wir sind uns hier oben einig, dass der Dringlichkeitsantrag mit einer Mehrheit abgelehnt ist," heißt es nach der Abstimmung. Angenommen ist damit der Antrag des Parteivorstands.
Sichtlich enttäuscht über das Votum zeigt sich nach der Abstimmung Katharina Stolla von der Grünen Jugend. "Ich glaube, was deutlich geworden ist, dass die Unzufriedenheit in der Partei über diesen asylpolitischen Kurs sehr, sehr groß ist, dass sehr viele Menschen diesen asylpolitischen Kurs nicht mittragen", sagt sie. Dies sei in der Debatte sehr klar geworden.
Die Bündnisgrünen machen sich an diesem Abend die Entscheidung nicht einfach. Aber mit dem Votum des Parteitags ist eine schwere Belastung für die Ampelkoalition abgewendet.