Kleiner Parteitag der Grünen "Druck von allen Seiten"
Beim kleinen Parteitag bestärkt Wirtschaftsminister Habeck die Grünen darin, Kurs zu halten. In einer Demokratie müsse man auch immer für Mehrheiten arbeiten - ob beim Heizen oder beim Asyl. Vor allem über Letzteres gibt es Streit in der Partei.
Beim kleinen Parteitag im hessischen Bad Vilbel hat Wirtschaftsminister Robert Habeck die Grünen zum Kurshalten aufgerufen. "Es gibt Druck von allen Seiten auf uns", sagte der grüne Vizekanzler. Die Grünen dürften sich aber nicht in die Nische drängen lassen.
Jetzt, wo die Energiekrise handhabbar geworden sei, werde den Menschen deutlich, dass die Grünen regierten, so Habeck. "Wir verändern Deutschland", sagte der Wirtschaftsminister. "Noch nie wurde so viel für Klimaschutz getan wie in den letzten 15 Monaten." Deutschland sei auf dem Weg zu "klimaneutralem Wohlstand". Es sei viel getan worden für erneuerbare Energien und eine klimafreundlichere Handelspolitik - und nun komme auch ein Tierhaltungskennzeichen.
Habeck: Angespannte Gesellschaft
Der auch als Länderrat bezeichnete kleine Parteitag der Grünen begann am Mittag mit mehr als einer Dreiviertelstunde Verspätung. Habeck sprach in der Debatte zum Antrag des Vorstands mit dem Titel "Das Land zusammenhalten: mit klimaneutralem Wohlstand, Gerechtigkeit, Sicherheit". Darin heißt es unter anderem: "Wir müssen mit einer Infrastruktur für 100% Erneuerbare die Voraussetzungen für gute Jobs schaffen, für bezahlbare Energie für alle, für die Industrie von heute und morgen."
Veränderungen seien häufig auch Zumutungen, sagte Habeck. Daher müssten die Grünen darauf achten, jeweils eine politische Mehrheit für die nächste Veränderung zu schaffen. Die Notwendigkeit, weiter voranzugehen, treffe auf eine Gesellschaft, die angesichts vieler Krisen und Zumutungen angespannt sei.
Die Grünen müssten in ihrer Politik immer einbeziehen, dass sie in einer Demokratie für Mehrheiten arbeiten müssten - vom Heizen bis zum Asyl. Gegner von Veränderungen wollten die Partei an den Rand drängen. "Aber im Bundestag sitzen wir in der Mitte", betonte Habeck. Er appellierte an die Delegierten und Parteimitglieder, keine Sehnsucht nach der Opposition zu entwickeln. Die Grünen müssten streitbar und solidarisch zusammenstehen.
Kontroverse Debatten über Asyl erwartet
Auch wenn Habecks Beliebtheitswerte in Umfragen infolge der Diskussionen um das Heizungsgesetz und den inzwischen in den Ruhestand versetzten Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen abgestürzt sind, hat er es in der eigenen Partei in diesen Tagen leichter als Außenministerin Annalena Baerbock. Sie wird für ihre Zustimmung zur geplanten EU-Asylreform kritisiert.
Bei dem Treffen von knapp einhundert Delegierten und weiteren Parteimitgliedern werden am Nachmittag kontroverse Debatten zur Verschärfung des Asylrechts erwartet. Unter anderem die Grüne Jugend dringt darauf, sich von den EU-Beschlüssen deutlich zu distanzieren.
Baerbock verteidigt Zustimmung zum EU-Kompromiss
Baerbock verteidigte den EU-Kompromiss beim Parteitag. "Ich will nicht sagen, das war alles super", sagte die Außenministerin. "Auch mich hat es zerrissen." Es sei eine eine ganz schwierige Abwägung gewesen. Baerbock kritisierte besonders, dass es nicht gelungen sei, zumindest Ausnahmen für Kinder für die umstrittenen EU-Grenzverfahren mit haftähnlichen Aufnahmezentren zu erreichen. Deutschland sei in dieser Frage jedoch weitgehend isoliert gewesen.
Es habe die Gefahr bestanden, dass sich manche Länder in der Flüchtlingspolitik an gar keine Regeln mehr halten und Europa wieder in nationalstaatliche Vorgehensweisen zerfalle. Sie habe daher auch als Europaministerin verhandeln müssen. Das Ergebnis sei eine Zumutung - es sei aber ihr Job, sich genau das zuzumuten. Als positiv wertete Baerbock, dass es zumindest gelungen sei, eine begrenzte Ausweitung des europäischen Verteilmechanismus für Geflüchtete zu vereinbaren. "Wir stehen weiter ein für die Menschenrechte."
Ringen um eine gemeinsame Position
Vor Beginn des Parteitags hatte die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt, es brauche Nachbesserungen an der EU-Asylreform. "Für mich ist zentral, dass alle Kinder mit Familien von Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen ausgenommen werden", so Lang. Voraussetzung dafür, dass Deutschland der Reform zustimmt, sei aus Ihrer Sicht, dass die UN-Kinderrechtsreform und die Genfer Flüchtlingskonvention eingehalten würden.
Der Co-Vorsitzende Omid Nouripour rief seine Partei dazu auf, geschlossen aus dem innerparteilichen Streit hervorzugehen. Die zentrale Frage sei es, den Menschen an den EU-Außengrenzen zu helfen. "Das geht nur geschlossen. Das geht mit Kampfkraft", so Nouripour.
Hinter den Kulissen des kleinen Parteitages rang die Parteiführung weiter um eine gemeinsame Position zum EU-Asyl-Kompromiss. "Die Verhandlungen laufen noch, wir ringen um das beste Ergebnis", sagte Bundesgeschäftsführerin Emily Büning.
Lang: "Die Zeit für Klimaschutz ist jetzt"
Mit Blick auf Äußerungen von Rechtspopulisten und aus Reihen der Union sprach die Co-Vorsitzende Lang beim Parteitag von einem "Kulturkampf über soziale und ökologische Fragen". Es sei absurd, wenn CDU-Chef Friedrich Merz davon spreche, beim Klimaschutz gebe es noch zwanzig Jahre Zeit. Wer die Thesen der Rechten übernehme, stärke nur das Original.
"Die Zeit für Klimaschutz ist jetzt", so Lang. Klimaschutz sei nichts anderes als Menschheitsschutz, aber auch ein gewaltiger Jobmotor. Deutschland müsse im weltweiten Wettbewerb darum, wo sich Zukunftstechnologien ansiedeln, vorn liegen.
Büning: "Wir wollen die Verantwortung"
Auch Bundesgeschäftsführerin Büning griff Merz und CSU-Chef Markus Söder an: "Wer den Rechten das Wort redet, der macht sie stark." Merz und Söder erzählten Schauermärchen über die Grünen, so Büning.
Sie warb auch für Verständnis dafür, dass schwierige Kompromisse manchmal notwendig seien. "Wir wollten und wir wollen die Verantwortung", sagte Büning. "Wir haben uns auf den Weg gemacht, um dieses Land nach vorne zu bringen. Und das auch, wenn es manchmal schwierig wird."