Schwangerschaftsabbrüche Union droht in Abtreibungsdebatte mit Klage
Über eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts ist neuer Streit entbrannt. Kommende Woche werden dazu Vorschläge einer Kommission vorgestellt. Die Spitzen der Unionsfraktion drohen mit einer Klage, sollte die Ampel den Vorschlägen folgen.
Unionsfraktionsmanager Thorsten Frei rechnet mit einer Klage der Unionsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht, sollte die Ampelkoalition Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen generell straffrei stellen.
Falls sich die Koalition entsprechende Vorschläge einer Arbeitsgruppe unabhängiger Experten der Bundesregierung zu eigen mache, "würde das zwangsläufig dazu führen", dass man in Karlsruhe klagen werde, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten.
Straffreiheit in den ersten zwölf Wochen?
Einem "Spiegel"-Bericht zufolge will die Arbeitsgruppe unabhängiger Experten die generelle Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der ersten zwölf Wochen empfehlen. Das Magazin bezog sich auf den Abschlussbericht der Kommission, die die Bundesregierung mit der Prüfung dieser Frage beauftragt hatte.
Bisher ist eine Abtreibung nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich strafbar, es sei denn, sie findet in den ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Laut "Spiegel" legen die Experten der Bundesregierung nahe, die grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Abbrüchen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu überdenken.
Frei und Dobrindt warnen vor Polarisierung
Frei warnte eindringlich davor, mit einem solchen Vorstoß gesellschaftliche Konfliktlinien nach dem Kompromiss um das Abtreibungsrecht aus den 1990er-Jahren wieder neu aufzureißen. Dies sei überflüssig in einer Situation, in der die Koalition ganz andere Probleme zu bewältigen habe wie etwa die Wirtschaftskrise oder die steigende Kriminalitätsrate.
"Es wäre grundfalsch, weitere gesellschaftliche Konflikte zu provozieren", meinte Frei. Es gebe zu dem Thema zwar noch keinen Beschluss der Fraktion. Aber "ich bin mir ziemlich sicher, dass ich da auch für die Fraktion sprechen kann".
Auch der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, drohte mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Dobrindt sprach von einem "weiteren Baustein in der Polarisierung der Gesellschaft". Mit dem Paragrafen 218 sei vor 30 Jahren ein schwieriger Kompromiss erarbeitet worden - "der für viele nicht zufriedenstellend ist, der aber einen gesellschaftlichen Frieden hergestellt hat über dieses Thema".
Die Linke befürwortet Liberalisierung
Die Gruppe Die Linke im Bundestag pochte auf eine rasche Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und auf ein Recht auf Beratung für Betroffene anstelle der derzeit geltenden Beratungspflicht. "Wir erwarten von allen demokratischen Parteien im Bundestag, dass sie den Empfehlungen der Kommission folgen." Die Bundesregierung müsse jetzt zügig einen Gesetzentwurf vorlegen.
Auch die Organisation Pro Familia mahnte dringenden Handlungsbedarf an. Die Regierung müsse bei einer Reform mögliche Gestaltungsspielräume umfassend nutzen und Abbrüche vollständig entkriminalisieren. Zudem müssten Beratungspflicht und Wartezeiten abgeschafft werden. Insgesamt müsse das Vertrauen in Schwangere sowie in Beratung, Ärztinnen und Ärzte im Vordergrund stehen.
Der katholische Wohlfahrtsverband Caritas erklärte dagegen, die jetzige Regelung sei ein ausgewogenes Konzept, das das Leben des Kindes über die Selbstbestimmung der Frau schütze. Deshalb sei nach Vorlage des Kommissionsberichts eine gründliche Diskussion notwendig. Dabei könne die Bedeutung einer guten Beratung und Begleitung werdender Eltern nicht genug unterstrichen werden.
Kommission laut "Spiegel": Jetziges Gesetz rechtswidrig
SPD, FDP und Grüne hatten die Einsetzung einer "Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung" im Koalitionsvertrag vereinbart, die unter anderem Regulierungen für Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen sollte. Dem Gremium gehören 18 Expertinnen und Experten aus Medizin, Psychologie, Soziologie, Ethik und Recht an.
Offiziell vorgestellt wird ihr Bericht am kommenden Montag. Darin heißt es laut "Spiegel", die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft sei nicht haltbar. Verwiesen werde darauf, dass die aktuellen Regelungen im Strafgesetzbuch einer verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung nicht Stand hielten.
Sobald ein Fötus eigenständig lebensfähig sei, sollten Abbrüche aber verboten bleiben. Die Grenze liege etwa in der 22. Woche seit Beginn der letzten Menstruation, empfehle die Kommission. Nicht strafbar ist ein Abbruch nach derzeitiger Rechtslage auch, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird.
Ampel will nicht kommentieren
Das Gesundheits- und das Familienministerium wollten den Bericht auf Anfrage zunächst nicht kommentieren und verwiesen auf eine geplante Vorstellung der Kommissionsempfehlungen in der kommenden Woche. Familienministerin Lisa Paus hatte in der Vergangenheit jedoch mehrfach angedeutet, sich eine Neuregelung vorstellen zu können.
Die Bundesregierung hatte bereits im ersten Jahr ihrer Amtszeit eine weitreichende Gesetzesänderung im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen auf den Weg gebracht: Sie schaffte den umstrittenen Paragrafen 219a ab, der zuvor das "Werbeverbot" für Abtreibungen geregelt und immer wieder dazu geführt hatte, dass Ärztinnen und Ärzte sich strafbar machten, wenn sie öffentlich Informationen dazu zur Verfügung stellten.