Markus Söder
analyse

Söder-Kür vor Landtagswahl Plötzlich Tiefstapler

Stand: 06.05.2023 06:01 Uhr

Fünf Monate vor der bayerischen Landtagswahl kürt die CSU ihren Parteichef zum Spitzenkandidaten. Trotz guter Ausgangslage stapelt Markus Söder tief: Für ihn steht viel auf dem Spiel. Eigentlich alles.

Eine Analyse von Petr Jerabek

Das zeitliche Zusammentreffen ist Zufall: Während in London am Samstag König Charles III. gekrönt wird, kürt die CSU ihren Vorsitzenden Markus Söder in dessen Heimat Nürnberg zum Spitzenkandidaten für die bayerische Landtagswahl.

So prunkvoll wie die Zeremonie in Westminster Abbey wird der Parteitag nicht im Ansatz, reichlich christsozialen Pathos dürfte es in der Nürnberger Messe erfahrungsgemäß aber geben. Ein klares Votum für Söder ist dabei Formsache.

"Söder hat hier eine sehr konzentrierte Rede gehalten", Julian von Löwis, zu CSU-Parteitag in Nürnberg

tagesschau24, 06.05.2023 12:00 Uhr

Söders royale Ader

Eine gewisse royale Ader lässt auch Söder hin und wieder erkennen - nicht nur, weil er als Fastnacht-Fan mehrfach in königliche Kostüme schlüpfte. Für den Empfang von Gästen nutzt der Ministerpräsident gern mal eines der prächtigen bayerischen Königsschlösser - und verweist zuweilen auch auf die "royale Tradition" des Freistaats. SPD-Landeschef Florian von Brunn verspottet ihn regelmäßig als "seine Hoheit".

Sowohl die CSU als auch die bayerische Regierung hat Söder über die Jahre voll auf sich zugeschnitten. Der Franke wird in der Partei nicht unbedingt geliebt, ist aber die unumstrittene Nummer eins - auch, weil ihm niemand im Nacken sitzt. Der oberbayerischen CSU-Bezirkschefin Ilse Aigner wurde der Wettstreit mit Söder vor Jahren "zu blöd", der beliebte Parteivize Manfred Weber ließ die Chance auf den CSU-Vorsitz 2018 wegen seiner europapolitischen Ambitionen verstreichen. Aktuell ist er mit Ärger innerhalb der Europäischen Volkspartei beschäftigt.

Das dürfte in Söders Sinn sein. Er hat Gefallen am Regieren gefunden. 2018 hatte er sich als frischgebackener Ministerpräsident für eine Amtszeitbegrenzung auf zehn Jahre stark gemacht. Anfang dieses Jahres kassierte er seine eigene Idee und stellte ungefragt eine weitere Kandidatur 2028 in den Raum.

Fleiß und mediale Inszenierung

Derzeit konzentriert Söder aber alle Kräfte auf die Landtagswahl 2023. Unermüdlich tourt er durch alle Regionen Bayerns, hält Reden, eröffnet Feste, schüttelt Hände. In Pressekonferenzen und Interviews platziert der Medienprofi pointierte Forderungen, um sich im Gespräch zu halten. Ein Paradebeispiel: das "Angebot", das Atomkraftwerk Isar 2 in bayerischer Eigenregie zu betreiben - wohlwissend, dass es politisch nicht durch- und praktisch nicht umsetzbar ist. Die Kombination aus Fleiß und medialer Inszenierung war bisher stets Söders Erfolgsrezept und soll ihm am 8. Oktober ein gutes Wahlergebnis bescheren.

Aus der CSU-Historie weiß Söder nur zu gut: Auch ein starker Mann an der Spitze kann schnell weg sein, wenn die Macht der CSU zu bröckeln droht. Weder Horst Seehofer noch Edmund Stoiber gaben ihre Ämter ganz freiwillig auf. Die bisherigen Wahlen unter Söder waren für die CSU keineswegs Sternstunden, der Parteichef machte dafür jeweils andere verantwortlich. Für das Landtagswahlergebnis im Herbst allerdings wird er allein geradestehen müssen.

Gegen die "linke" Ampel in Berlin

Das Experiment, verstärkt die städtische und auch grüne Wählerklientel anzusprechen, hat Söder längst begraben. Im Landtagswahlkampf inszeniert er sich als Verfechter konservativ-bürgerlicher Politik und als Gegenmodell zur "linken" Ampel in Berlin. Attacken auf Rot-Grün-Gelb sind eine tragende Wahlkampfsäule. Bisher geht Söders Strategie auf, die Umfragekurve zeigt nach oben, eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern scheint sehr wahrscheinlich.

Aber dem CSU-Chef ist auch bewusst, wie schnell sich politische Stimmungen ändern können. Deshalb bemühte er sich zum Start ins Wahljahr, die Messlatte möglichst niedrig zu legen: Er wandte sich gegen die parteiintern weitverbreitete Erwartung, mindestens die vergleichsweise desaströsten 37,2 Prozent von 2018 übertrumpfen zu müssen: "Wenn es mehr als 2018 sind, ist es schön, aber wir machen keine Prozent-Diskussionen." Ziel sei "eine stabile Mehrheit".

Bescheidenheit passt nicht zur CSU

Diese Bescheidenheit passt nicht zum Selbstverständnis der CSU. Ilse Aigner stellte postwendend in der "Augsburger Allgemeinen" klar: "40 plus x halte ich durchaus für realistisch." Die mögliche Ausrede, solche Resultate seien auf Landesebene nicht mehr möglich, ist für Söder weggefallen, seit 2022 Daniel Günther (CDU) in Schleswig-Holstein und Anke Rehlinger (SPD) im Saarland auf jeweils mehr als 43 Prozent kamen.

Söder und die K-Frage

Auch um in der Union weiter zum Kreis möglicher Kanzlerkandidaten gezählt zu werden, braucht Söder ein starkes Ergebnis. Dass das Thema für ihn "erledigt" sei und er "nicht zur Verfügung" stehe, wie er diese Woche bei "Markus Lanz" sagte, nehmen ihm Beobachter nicht ab. Beim Treffen mit seinem NRW-Amtskollegen Hendrik Wüst (CDU) betonte Söder mehrfach: "Meine Aufgabe ist Bayern." Ein Satz, der sich kaum vom "Mein Platz ist in Bayern"-Mantra des Jahres 2020 unterscheidet.

Den Gast aus Düsseldorf empfing der CSU-Politiker übrigens in der königlichen Münchner Residenz. "Schön hier", befand Wüst und sprach von einem Ausdruck bayerischen Selbstbewusstseins. Ob er damit die einstigen oder den aktuellen bayerischen Regenten meinte, blieb offen. Für den zuweilen ungeduldigen Söder könnte angesichts möglicher Kanzler-Träume jedenfalls ein Blick auf die Krönung in London hilfreich sein: Von Charles lernen, heißt warten lernen.

Achim Wendler, BR, tagesschau, 06.05.2023 06:12 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 06. Mai 2023 um 08:08 Uhr.