Koalition in Bayern CSU und Freie Wähler im Bauern-Wettstreit
Die CSU und die Bauern gehörten lange untrennbar zusammen. Doch die Freien Wähler um den Landwirt Aiwanger machen den Christsozialen Konkurrenz. Es knirscht wieder in der selbsternannten "Kraftkoalition".
Allzu lang hielt der von Markus Söder gerühmte neue schwarz-orange Hausfrieden nicht. Noch im Dezember beschwor der bayerische Ministerpräsident in seiner ersten Regierungserklärung nach der Landtagswahl das "neu gefundene Vertrauen" in der "Kraftkoalition" aus CSU und Freien Wählern (FW).
Rund sechs Wochen später knirscht es wieder merklich. Reihenweise machten in den vergangenen Tagen CSUler ihrem Unmut über Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger Luft - und dessen Gegenschlag ließ nicht auf sich warten.
Kampf um die Stimmen der Bauern
Hintergrund sind die Bauerproteste: So einig sich CSU und Freie Wähler in ihrer Unterstützung der Landwirte sind, so stark konkurrieren sie um deren Wählerstimmen. Über Jahrzehnte galten Bauern als CSU-Kernklientel, mittlerweile haben die Christsozialen aber viele von ihnen an die erstarkten FW verloren.
Aiwanger, selbst studierter Landwirt aus einem niederbayerischen Dorf, hat es leichter als Anwalt des ländlichen Raums aufzutreten als Söder, der aus der zweitgrößten bayerischen Stadt Nürnberg stammt und promovierter Jurist ist.
In der vergangenen Woche war eine Art koalitionsinterner Wettstreit um die Gunst der Landwirte zu beobachten. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht mehrere bayerische Minister an Anti-Ampel-Kundgebungen von Bauern oder anderen Berufsgruppen teilnahmen.
Auf der Bauerndemo in Nürnberg wurden am Freitag Ministerpräsident Söder, Innenminister Joachim Herrmann und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) begrüßt. Zur gleichen Zeit beteiligten sich in München Aiwanger und Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) an einer Demo der Spediteure.
Aiwanger hat die Proteste zu seiner Sache gemacht
So überschwänglich der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner, selbst CSU-Kommunalpolitiker, auf der Kundgebung in Nürnberg Söder lobte - die Reaktionen der Mengen auf den Demos lassen auf einen anderen Punktsieger schließen: Aiwanger wurde mit Jubel und "Hubsi, Hubsi"-Rufen gefeiert. Wie kein anderer Politiker hat der Freie-Wähler-Chef und bayerische Wirtschaftsminister die Bauernproteste zu seiner Sache gemacht.
Vergangene Woche machte er in seinem Terminkalender bemerkenswert viel Platz, um an möglichst vielen Bauerndemos teilnehmen zu können. Gleich am ersten Tag der Protestwoche schaffte es der Vize-Ministerpräsident auf stolze fünf Kundgebungen.
Eigentlich sollte er am 8. Januar laut der "Passauer Neuen Presse" im bayerischen Chemiedreieck für einen neuen Windpark werben. Stattdessen hielt Aiwanger Reden auf Demos in Landshut, Karpfham, Schwandorf und Cham. Zwischendrin ließ er sich noch auf der Münchner Kundgebung feiern.
Bei seinen Auftritten ging es dabei nur zum Teil um die konkreten Anliegen der Bauern. Aiwanger hielt vielmehr Reden, die stark an seinen Bierzeltwahlkampf im vergangenen Jahr erinnerten. Im Mittelpunkt standen stets scharfe Attacken auf die Ampel, der er vorwarf, gezielt das Höfesterben zu forcieren und lieber Geld für "illegale Einwanderer" und "Taugenichtse" auszugeben als für wirklich Bedürftige.
Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef und Bayerns Wirtschaftsminister, nahm in der vergangenen Woche an vielen Bauerndemos teil.
Unüberhörbarer Unmut der CSU
Auch CSUler arbeiten sich gern an der Ampel ab. So weit wie Aiwanger wollen sie in ihrer Rhetorik aber nicht gehen.
Der Unmut in der CSU über den Koalitionspartner ist unüberhörbar. Generalsekretär Martin Huber rief den Wirtschaftsminister auf, sich lieber um die Aufgaben in seinem Ressort zu kümmern. Ähnlich äußerte sich im "Münchner Merkur" CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek und nannte Aiwanger einen "kleinen Problembären". Der Augsburger Allgemeinen sagte Holetschek, an Demonstrationen teilzunehmen sei "kein wirtschaftliches Konzept".
Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber stellte mit Blick auf Aiwanger klar: "Mein Ding ist Populismus nicht." Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel kritisierte im BR-Sonntags-Stammtisch, Aiwangers "populistische Art und Weise, Stimmungen zu bedienen und fördern" sei unmöglich.
Das Umgarnen der Landwirte lohnt sich
Bei der Landtagswahl im vergangenen Oktober schnitten die Freien Wähler mit 15,8 Prozent deutlich besser ab als fünf Jahre zuvor. Besonders im eher ländlich geprägten Niederbayern, Aiwangers Heimat: Dort waren sie mit 29,7 Prozent der Gesamtstimmen nur zwei Prozentpunkte hinter der CSU. In Mittelfranken, der Heimat von Söder, lagen die Freien Wähler mit 9,5 Prozent dagegen weit hinter den Christsozialen (40,6 Prozent).
Dass die Freien Wähler mit ihrem Frontmann Aiwanger auch im Wahlkampf schon die Bauern umgarnt hatten, zahlte sich offenbar aus: 37 Prozent der bayerischen Landwirte wollten bei der Landtagswahl für die Partei stimmen. Das zeigt eine Auswertung des angekündigten Wahlverhaltens nach Berufsgruppen, die von der Forschungsgruppe Wahlen erstellt wurde.
Der CSU wollten demnach 52 Prozent der Landwirte ihre Stimme geben. Für die Söder-Partei ein deutlicher Rückgang: Bei der Landtagswahl 2018 hatten noch 66 Prozent der Bauern angegeben, die CSU wählen zu wollen.
Aiwanger stichelt Richtung CSU
Nach dem Aufstieg in Bayern will Aiwanger nun auch bundesweite Erfolge für seine Freien Wähler (FW). Erklärtes Ziel: 2025 in den Bundestag einziehen und Teil einer bürgerlichen Bundesregierung werden. Die Sorge in der CSU, auch schon bei der Europawahl im Juni wertvolle Stimmen an die FW zu verlieren, ist groß.
Die aktuelle CSU-Kritik lässt Aiwanger nicht auf sich sitzen. Als Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident müsse er an der Seite der Bauern stehen. "Landwirtschaft ist Kernelement einer Wirtschaftspolitik." Und in Richtung CSU stichelte er: Die Freien Wähler würden als die wirklichen Interessenvertreter der Bauern wahrgenommen.
Vor wenigen Tagen verwahrte sich der Minister dann noch gegen Forderungen aus der CSU, weniger zu demonstrieren. "Die sollen ihre Arbeit tun und sollen mir nicht ständig sagen, wo ich hindürfte." Er brauche keine Tipps der CSU: "Ich gehe überall hin, wo das Volk mich ruft."