Kampf gegen Kindesmissbrauch Justizminister gegen Chatkontrolle
Die EU will Kinder besser vor sexueller Gewalt schützen und dafür auch private Chats überwachen lassen. Die Bundesregierung hat Bedenken angemeldet. Justizminister Buschmann legte nun per Brief noch einmal nach.
Seit Monaten verhandelt die EU über Gesetzesvorschläge zur Bekämpfung von sexuellen Missbrauch an Kindern. Dafür will sie auch private Chats im Netz kontrollieren lassen. Die Bundesregierung hatte erhebliche Bedenken gegen einen Vorschlag der EU-Kommission geäußert und verlangt noch wesentliche Änderungen.
Die Haltung der Ampel-Koalition dazu ist immer noch nicht abschließend geklärt. Vor allem Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und FDP-Justizminister Marco Buschmann sind unterschiedlicher Auffassung. Im Ziel sind sie sich aber einig: Sexueller Missbrauch von Kindern soll stärker bekämpft werden. Doch wie das passieren soll, da gibt es unterschiedliche Vorstellungen.
Buschmanns Bedenken
Justizminister Buschmann machte seine Position nun in einem Brief deutlich, den er gemeinsam mit vier europäischen Kolleginnen und Kollegen geschrieben hat und der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.
Buschmann beschreibt darin, dass ihm die Pläne der EU zu weit gehen und unverhältnismäßig sind: Die Gesellschaft müsse vor anlassloser Überwachung besser geschützt werden.
Der Plan der Europäischen Kommission sieht nämlich vor, dass Internetunternehmen wie Google oder Meta, in einem mehrstufigen Verfahren dazu verpflichtet werden können, private Nachrichten aller Nutzerinnen und Nutzer auf illegale Missbrauchsbilder zu durchsuchen.
Justziminister Buschmann sieht EU-Pläne gegen Missbrauch als unverhältnismäßig an.
"Ernsthafte grundrechtliche Bedenken"
Buschmann und seine Mitautoren verweisen in ihren Brief auf Gutachten und Studien - unter anderem vom wissenschaftlichen Dienst des EU-Parlamentes. Die kommen zu dem Schluss, dass die Pläne der EU Grundrechte von Internetnutzern verletzten. Außerdem könnten sie sogar den Kampf gegen sexuellen Missbrauch erschweren: Beispielsweise könnten zu viele Falschmeldungen die Ermittlungsbehörden in ihrer Arbeit stärker belasten.
Mit dem Brief sendet Buschmann auch eine Botschaft an seine Kabinettskollegin, Innenministerin Nancy Faeser. Ihm sei bewusst, dass bei diesem Thema die Innenministerinnen und Innenminister federführend sind. "Da der Vorschlag jedoch ernsthafte grundrechtliche Bedenken aufwirft", halte er es für notwendig, dass sich auch der Justizminister in die Diskussion einbringt.
Mehr Kontrolle oder mehr Privatsphäre?
Grob skizziert liegt die Konfliktlinie zwischen stärkerer Überwachung und dem Schutz des Privatlebens. Innenministerin Faeser kann sich stärkere Eingriffe vorstellen als Justizminister Buschmann.
Faeser macht sich unter anderem dafür stark, dass unverschlüsselte Kommunikation wie bestimmte Chats, Mails oder Cloud-Dienste durchsucht werden, obwohl die Ampel laut Koalitionsvertrag jedes Scannen von privater Kommunikation ablehnt.
Umstritten ist unter anderem auch die Frage, ob Internetunternehmen die Daten nur nach bekanntem Material durchsuchen sollen oder mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz auch nach bislang unbekanntem Missbrauchsmaterial fahnden sollen.