Machtfragen in der Union Wie die Merz-CDU auf die Wahlen schaut
Die Union kann dem Wahlsonntag eigentlich ziemlich gelassen entgegensehen, deuten sich doch gleich zwei Wahlsiege an. Doch die Erfolge in Bayern und Hessen könnten für Parteichef Merz auch Probleme bringen.
Ein Wahlsieg mit mehr als 30 Prozent der Stimmen - für die Bundes-CDU ist das keine Selbstverständlichkeit mehr. Den Christdemokraten in Hessen könnte das am Sonntag aber gelingen. Auch die Schwesterpartei CSU in Bayern sieht einem ungefährdeten Wahlsieg entgegen, wenn auch wohl keinem glanzvollen Ergebnis.
Die Bundes-CDU kann den Landtagswahlen also eigentlich gelassen entgegensehen. Allerdings könnte die Frage, was die Wahlsiege für Parteichef Friedrich Merz bedeuten, dessen Vorfreude etwas trüben.
Rheins Einfluss könnte wachsen
Hessens CDU-Spitzenkandidat Boris Rhein hat vergangenes Jahr das Amt des Ministerpräsidenten von Volker Bouffier übernommen. Damit konnte er mit Amtsbonus in den Wahlkampf starten. Rhein gilt als ein gemäßigter Konservativer in der CDU. Mit allzu klaren Standpunkten oder offener Kritik an Parteichef Merz ist er bisher überregional nicht aufgefallen.
Kürzlich musste er sich aber doch positionieren. Merz hatte zuvor mit der Äußerung für Empörung gesorgt, wonach sich abgelehnte Asylbewerber in Deutschland die Zähne machten. Rhein stellte klar: "Das ist eine Wortwahl, die hätten Sie so von mir nicht gehört." Aber man müsse über Migration auch in der Mitte der Gesellschaft debattieren und es nicht den rechten Rändern überlassen.
Gewinnt Rhein die Wahl in Hessen deutlich, dürfte das seinen Einfluss in der Bundespartei stärken. Seine Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein nutzen ihre Position, um sich eher von Merz abzugrenzen und ein moderneres Bild der CDU zu prägen. Zudem koalieren Hendrik Wüst in NRW und Daniel Günther in Schleswig-Holstein mit den Grünen.
Wer gibt die Richtung vor? CDU-Chef Merz (links), CSU-Chef Söder und Hessens Ministerpräsident Rhein Ende Juni im Konrad-Adenauer-Haus.
Grüne Hauptgegner?
Auch Rhein regierte in Hessen zuletzt zusammen mit den Grünen. Er spricht von einer "zuverlässigen, pragmatischen und vertrauensvollen Zusammenarbeit" seit mehr als zehn Jahren. Tatsächlich lief die Regierungsarbeit trotz nur einer Stimme Mehrheit und grundsätzlicher Differenzen weitgehend geräuschlos. Und der CDU-Mann kann sich eine Fortsetzung offenbar gut vorstellen.
Das passt weniger zu Merz' Kurs auf Bundesebene. Der Parteichef hatte die Grünen als Hauptgegner in der Bundesregierung ausgemacht, als ideologisch verbrämte Verbotspartei. Dagegen stehen die Beispiele auf Landesebene, wo CDU und Grüne miteinander regieren.
Innige Harmonie zwischen Merz und Söder
Eine Koalition mit den Grünen kommt für Markus Söder in Bayern nicht infrage. Mehrfach hatte er Schwarz-Grün kategorisch ausgeschlossen. Söder will die "bürgerliche Koalition", wie er es nennt, mit den Freien Wählern fortsetzen. Die Grünen griff er in jeder Wahlkampfrede an. Auch sonst ist er mit Merz inhaltlich weitgehend auf einer Linie. Die Zusammenarbeit sei "so gut wie noch nie" zwischen CDU und CSU, betonte Söder bei der Sommerklausur in Andechs. Das bestätigt auch Merz bei seinen zahlreichen Auftritten in Bayern im Trachten-Janker.
Ebenso beteuern beide einvernehmlich: Eine Situation wie 2021 werde sich nicht wiederholen. Damals lieferten sich Söder und CDU-Chef Armin Laschet einen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur, den Laschet zwar gewann, die Bundestagswahl aber ging verloren.
Zweifel an Söders Bayern-Bekenntnis
Heute betont Söder, sein Platz sei in Bayern. Beim politischen Frühschoppen in Gillamoos sagte er: "Was die Kanzlerkandidatur betrifft: Mich interessiert das ja null", was ihm schallendes Gelächter im Bierzelt einbrachte. Und auch bei der CDU mag man ihm das nicht wirklich abnehmen.
Das Wahlergebnis am Sonntag könnte einen Hinweis darauf geben, ob Söder noch einmal die Machtfrage stellt. Sollte er unter 37 Prozent landen, also dem historisch schlechten Ergebnis von 2018, dürfte die Wahrscheinlichkeit geringer ausfallen. Schneidet die Söder-CSU besser ab, könnte ein Türchen offenbleiben. Zumal Söder darauf pocht, dass die Union erst nach den Landtagswahlen im Osten über die Kanzlerkandidatur entscheidet. Im Herbst 2024 wird in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewählt. Das könnte auch zum Stimmungstest für einen möglichen Kanzlerkandidaten Merz werden. Wohlfühlergebnisse wie an diesem Wahlsonntag sind dann eher nicht zu erwarten.