Gesetzentwurf im Kabinett Deutliche Kritik an Lauterbachs Cannabis-Plänen
Gesundheitsminister Lauterbach hat die Pläne zur Teillegalisierung von Cannabis verteidigt, nachdem der Gesetzentwurf am Vormittag vom Bundeskabinett gebilligt worden ist. An Kritik wurde nachgelegt.
"Niemand darf das Gesetz missverstehen. Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem", betonte Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs zur Teillegalisierung des Cannabis-Anbaus und -Konsums. Am Vormittag hatte das Kabinett seinem Entwurf zugestimmt.
Dieser Schritt sei ein "wichtiger Wendepunkt" einer "leider gescheiterten Cannabis-Drogenpolitik", so Lauterbach. Dabei verwies er auf den wachsenden Drogenkonsum in Deutschland. Gegen diese Entwicklung habe die Politik bisher keine Antwort gefunden. Auch die Drogenkriminalität nehme zu, und die Produkte auf dem Schwarzmarkt würden durch Beimischungen gefährlicher, erklärte Lauterbach weiter. Cannabisdelikte machten inzwischen 50 Prozent der Drogenkriminalität aus.
Mit einer "kontrollierten Legalisierung" wolle man genau dem begegnen, sagte der Minister und sprach von einem "Gesetz mit Augenmaß". Er sei sich sicher, so den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückzudrängen sowie das Dealen mit gestreckten oder toxischen Substanzen einzudämmen. Entgegen der vielfach genannten Bedenken könne man so die Konsumentenzahlen drücken.
Besitz von 25 Gramm Cannabis straffrei
Lauterbachs Entwurf sieht unter anderem vor, dass Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. Bis zu 25 Gramm Cannabis sollen demnach für erwachsene Privatpersonen straffrei sein. Zudem können Privatpersonen mit bis zu drei Pflanzen selbst Cannabis anbauen.
In neu zu gründenden Vereinen soll eine kontrollierte Produktion möglich gemacht werden. An Mitglieder dürfen bis zu 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Die Bundesländer entscheiden aber selbst, ob sie solche Anbaugruppen zulassen. Für Jugendliche bleiben Besitz und Konsum verboten.
Özdemir begrüßt Entscheidung
Zustimmung kam vom Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der von einem "bedeutenden Schritt für eine fortschrittliche, realitätsnahe Drogenpolitik" sprach. Das Gesetz sorge für die überfällige Entkriminalisierung der zahlreichen Menschen, die Cannabis lediglich zum Eigenbedarf nutzten und stärke gleichzeitig den Jugendschutz.
Den Schutz von Kindern und Jugendlichen hob Lauterbach bei der Pressekonferenz nach dem Kabinettsbeschluss hervor: "Cannabiskonsum hat nichts zu suchen bei Kindern und Jugendlichen“. Daher werde man präventive Schutzmaßnahmen ausdehnen und für mehr Aufklärung sorgen, versicherte er. Die Regierung plane in diesem Zuge eine begleitende Kampagne während des Gesetzgebungsverfahrens. Noch müssen Bundestag und Bundesrat über den Entwurf beraten - Ende 2023 soll das Gesetz dann in Kraft treten.
Union hält das Vorhaben für "schweren Fehler"
Bereits im Vorfeld wurde der Gesetzentwurf heftig diskutiert. Nun legen die Kritiker nach. Die Union hat Lauterbach aufgefordert, die geplante Teillegalisierung zu kippen. Die Bundesregierung dürfe die breite Kritik von Ärzten, dem Deutschen Richterbund und der Gewerkschaft der Polizei nicht länger ignorieren, forderte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). "Wenn Lauterbach immer noch nicht zur Vernunft kommt, muss Bundeskanzler Scholz die Notbremse ziehen und den aberwitzigen Legalisierungskurs stoppen."
Ärzte sowie Kinderpsychologen wiesen auf Gefahren für das noch nicht ausgereifte Gehirn bei Heranwachsenden hin und warnten vor Depressionen und Angststörungen. "Medizinisch nicht verantwortbar" nannte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann das Vorhaben und lehnte den Beschluss strikt ab. "Ich halte dieses Gesetz für einen Fehler, einen schweren Fehler", sagte er der Nachrichtenagentur dpa und mahnte, dass das Gesetz erst gar nicht auf den Weg gebracht werden dürfe.
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP bezeichnete CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das "'Cannabis-für-alle'-Gesetz" als "Anschlag auf den Jugend- und Gesundheitsschutz in Deutschland."
FDP fordert erhebliche Nachbesserungen
Auch die FDP übt weiter scharfe Kritik und forderte nach dem Kabinettsbeschluss Nachbesserungen. "Durch viele kleinteilige Regularien entsteht ein unkontrollierbares Bürokratiemonster, das die Strafverfolgungsbehörden zusätzlich belastet" , sagte die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke.
Ziel der FDP-Fraktion sei es nun, in den parlamentarischen Beratungen das Gesetz "grundlegend zu überarbeiten und weitreichende Änderungen vorzunehmen, um am Ende ein praxistaugliches und sinnvolles Gesetz zu verabschieden", erklärte Lütke.
Lauterbach selbst warb für seinen Gesetzentwurf mit den darin enthaltenen strikten Auflagen in Sachen Jugendschutz und betonte, dass mit der Teillegalisierung die Justiz sogar entlastet werden könne. Sein Ministerium rechnet mit milliardenschweren Entlastung für Strafverfolgungsbehörden, Gerichte und Gefängnisse.
Polizeigewerkschaft befürchtet "Bürokratiemonster"
Von einem "Bürokratiemonster ersten Grades" sprachen auch die Gewerkschaften der Polizei und des Zolls, "das schon wegen seiner Überkomplexität zum Kontrollverlust in der Realität führen wird", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. "Von einer eigentlich vorgesehenen Entlastung von Polizei und Justiz kann keine Rede sein."
Die Polizeigewerkschaft führte mehrere Kritikpunkte an. So sei bislang völlig offen, wie mit Kraftfahrern im Straßenverkehr umgegangen werden soll, die unter Cannabis-Einfluss stehen. Verkehrsminister Volker Wissing hatte angekündigt, Obergrenzen für den Konsum des Rauschmittels beim Autofahren vorzulegen.