Nach Zustimmung durch den Bundestag So soll Cannabis legal werden
Der Bundestag hat grünes Licht für ein großes Projekt der Ampelkoalition gegeben: die Legalisierung von Cannabis. Was genau soll erlaubt werden, welche Bedenken gibt es und wie geht es jetzt weiter? Ein Überblick.
Nach jahrzehntelangen Diskussionen hat der Bundestag heute über eine teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland abgestimmt. An den Plänen der Ampelkoalition für eine kontrollierte Freigabe mit zahlreichen Vorgaben wurde bis zuletzt Kritik von mehreren Seiten laut.
Was genau soll erlaubt werden?
Das Gesetz sieht eine Freigabe der Droge mit zahlreichen Regeln vor. Anbau und Besitz bestimmter Mengen für den Eigenkonsum sollen demnach für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein.
Erlaubt werden soll für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei Cannabispflanzen legal werden und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum.
Zum 1. Juli sollen außerdem Clubs zum nicht kommerziellen Anbau möglich werden. Erlaubt werden sollen "Anbauvereinigungen" für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - im Monat höchstens 50 Gramm je Mitglied.
Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen sollen auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden können.
Welche Einschränkungen gibt es?
Der öffentliche Konsum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.
Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es eine erste Bewertung unter anderem dazu vorliegen, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.
Wie gut wird das Gesetz funktionieren?
Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte im Vorfeld: "Mit diesem Gesetz werden wir es erreichen, dass wir den Schwarzmarkt deutlich zurückdrängen werden, dass wir Kinder und Jugendliche besser schützen und dass wir für die Konsumenten, die konsumieren und älter sind, ein sicheres Produkt haben." Die jetzige Politik sei gescheitert, da es immer mehr Konsumenten gebe, auch bei Jugendlichen.
Auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), erwartet positive Effekte der Teillegalisierung. "Gegen das Kiffen helfen Verbote nicht weiter, und die derzeitige Kriminalisierung der Menschen hat nichts mit Gesundheitsschutz zu tun", sagte Blienert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Lebenswirklichkeit von 4,5 Millionen erwachsenen Cannabis-Konsumierenden im zurückliegenden Jahr mache dieses überdeutlich. Er sprach von einer neuen Drogen- und Suchtpolitik, "weg von Stigmatisierung und Kriminalisierung, hin zu mehr Schutz und Hilfen". Ob das Gesetz den Anspruch der Bundesregierung erfüllen kann, ist aber umstritten.
Welche Bedenken gibt es?
Warnungen kommen unter anderem von Medizinverbänden und von Innenpolitikern von Bund und Ländern, auch aus der mitregierenden SPD.
Der Deutsche Richterbund warnte vor einer Überlastung der Justiz durch eine im Gesetz vorgesehene Amnestieregelung. "Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Straferlasses bei Cannabis-Delikten nochmals zu überprüfen sind", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Für die Staatsanwaltschaften bedeute das Gesetz, "dass sie alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch daraufhin auswerten müssen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären". Auch auf Gerichte komme deshalb eine enorme Zusatzbelastung zu.
Mediziner warnen eindringlich vor den Gefahren der Droge. Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte dem WDR: "Cannabis ist eine Substanz, die erstens ein Abhängigkeitspotenzial hat, circa zehn Prozent der regelmäßigen oder der Nutzer von Cannabis haben eine Abhängigkeit." Zweitens könne es bei regelmäßigem Konsum bis zum 25. Lebensjahr zu bleibenden Schäden im Hirnreifungsprozess kommen. Er befürchtet, dass durch die Legalisierung zunächst mehr Menschen die Droge ausprobieren könnten.
Wo soll man Cannabis kaufen können?
Zunächst soll es "nicht-gewinnorientierte" Vereine geben, die gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben dürfen.
Der Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs rechnet nach einer Legalisierung mit einem Boom. "Ich gehe davon aus, dass wir binnen Jahresfrist in Deutschland 3.000 oder sogar 4.000 Clubs haben werden", sagte Verbandsvorsitzender Steffen Geyer dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Derzeit gebe es 300 Gruppen, die in der Gründungsphase für einen Club seien oder nur noch darauf warteten, dass das Gesetz endlich in Kraft trete.
Die ursprünglich geplanten "lizenzierten Fachgeschäfte", also Cannabis-Shops, wo die Droge legal ab 18 gekauft werden kann, soll es erstmal nicht geben. Eine Abgabe in Geschäften ist in einem zweiten Schritt zwar vorgesehen, aber nur noch wissenschaftlich begleitet in regionalen Modellprojekten. Darauf habe sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt, hieß es.
Welche Regeln sollen für die "Cannabis-Clubs" gelten?
Die angedachten nicht-gewinnorientierten Vereine sollen maximal 500 Mitglieder haben. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.
Auch hier sind Mengenbegrenzungen vorgesehen: Maximal dürfen pro Clubmitglied 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden. Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenem Gramm dazu.
In den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden, auch Alkoholausschank ist verboten. Zudem gilt ein Mindestabstand für die Clubs zu Schulen und Kitas.
Wie sollen die Modellprojekte aussehen?
Der mögliche zweite Schritt, die Modellprojekte, soll so aussehen: In Kreisen und Städten mehrerer Bundesländer sollen "kommerzielle Lieferketten" ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften.
Die Projekte sollen wissenschaftlich begleitet, auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt werden. Untersucht werden sollen die Auswirkungen auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt.
Diese zweite Säule der geplanten Legalisierung ist aber "voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig", wie es von der Bundesregierung heißt. Das bedeutet, dass wohl die EU mitreden darf. Lauterbach betonte, dass die wissenschaftliche Untersuchung dabei "ergebnisoffen" sei. "Ich kann nicht ausschließen, dass es bei der ersten Säule bleibt."
Geklärt werden muss auch noch, ob für sichere Lieferketten auch Cannabis-Import ermöglicht werden soll. Ein bundesweiter, freier Cannabis-Verkauf wäre also erst nach dieser fünfjährigen Testphase und einer erneuten Zustimmung der EU-Kommission möglich. Man werbe in der EU mit gleichgesinnten Ländern darum, dass man bis dahin die europäischen Regeln verändern könne, betonten Lauterbach und Özdemir.
Wie geht es nach dem Bundestag weiter?
Nach dem Beschluss im Bundestag kommt das Gesetz abschließend in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es dort aber nicht. Lauterbach sagte: "Ich rechne daher damit, dass das Gesetz so durchgeht, wie wir es jetzt über die Monate hinweg entwickelt haben."
Prinzipiell könnte die Länderkammer mit einer erforderlichen Mehrheit den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren so abbremsen. Bayern will sich dafür einsetzen. Ein entsprechender Antrag der Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern bekam am Donnerstag im Münchner Landtag die notwendige Mehrheit.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wird heute um 16 Uhr in einem Livestream auf dem Instagram-Kanal der tagesschau Fragen aus der Community zur geplanten Cannabis-Legalisierung beantworten.