Debatte über Transparenz Wer entscheidet über Waffenlieferungen?
Wenn es um Waffenexporte geht, ist eigentlich der Bundessicherheitsrat zuständig. Doch der Ausschuss hat seit Beginn des Ukraine-Krieges offenbar nicht einmal getagt. Wie kann das sein? Gibt es ein wenig transparentes Parallelgremium?
Wenn es um deutsche Waffenexporte geht, dann ist der geheim tagende Bundessicherheitsrat seit 1955 das entscheidende Gremium. Aktuell gehören ihm neben Kanzler Olaf Scholz unter anderem der Chef des Bundeskanzleramts Wolfgang Schmidt, Außenministerin Annalena Baerbock, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, Finanzminister Christian Lindner, Innenministerin Nancy Faeser, Justizminister Marco Buschmann, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Entwicklungsministerin Svenja Schulze an.
Das ist bekannt. Doch dann wird es nebulös. Denn fragt man nach, bestätigt einem die Regierungssprecherin noch nicht einmal, ob der Bundessicherheitsrat getagt hat oder nicht.
Eine parlamentarische Anfrage der CDU wirft Fragen auf
Diese totale Zurückhaltung ist zumindest erstaunlich, denn das Verteidigungsministerium hat zu einer parlamentarischen Anfrage des CDU-Abgeordneten Thomas Röwekamp zuletzt zumindest einige, durchaus überraschende Details öffentlich gemacht.
Dort heißt es unter anderem, dass "der Bundessicherheitsrat im Jahr 2022 bisher keine Genehmigungsentscheidungen zum Export von Rüstungsgütern, dazu zählen auch Waffenlieferungen aus Bundeswehrbeständen, getroffen" hat. Offenbar hat der zuständige Kabinettsausschuss seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs Ende Februar also noch kein einziges Mal offiziell getagt.
Schriftlichen Anfrage bleibt unbeantwortet
Stattdessen ist in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage die Rede davon, dass "Genehmigungsentscheidungen über die Ausfuhr von Kriegswaffen sowie bestimmte Hochwertgüter derzeit regelmäßig auf Leitungsebene vom Bundeskanzleramt und den Bundessicherheitsressorts getroffen" werden.
Eine schriftliche Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios an das Bundespresseamt, wer sich hinter dieser Leitungsebene verbirgt und wer die Entscheidungen über Rüstungsexporte getroffen hat, blieb unbeantwortet. Letztlich bleibt also unklar, wer in der Regierung über Rüstungsexporte an die Ukraine, wie den Flugabwehrpanzer "Gepard" oder die Lieferung der Panzerhaubitze 2000 aus Bundeswehrbeständen, entschieden hat.
Verteidigungsministerin Lambrecht sorgt für Verwirrung
Noch verwirrender wird es, wenn man sich die Aussagen von Verteidigungsministerin Lambrecht in der Regierungsbefragung vom 22. Juni anhört. Damals hatte die SPD-Politikerin nämlich behauptet, dass die Anträge zu Rüstungsexporten "selbstverständlich auch weiterhin vom Bundessicherheitsrat entschieden" würden und dass dessen Sitzungen "nicht unbedingt in Präsenz stattfinden".
Man könne über Waffen-Lieferungen auch schriftlich, im sogenannten Umlaufverfahren abstimmen. Wer entscheidet also? Der CDU-Abgeordnete Röwekamp vermutet ein Parallelgremium, mit dem die "selbstauferlegte Berichts- und Kontrollpflicht des Parlaments" umgangen werden soll.
Denn der Bundessicherheitsrat hat eine offizielle Satzung, die grundsätzlich eine schriftliche Unterrichtung des Bundestags vorsieht. Allerdings auch nur, wenn "verfassungsrechtliche Interessen einer Veröffentlichung nicht entgegenstehen".
Regierung veröffentlicht auf Druck Rüstungsexportliste
Fest steht, Kanzler und Verteidigungsministerin haben bei Waffenexporten in die Ukraine wochen- und monatelang gemauert - angeblich aus sicherheitspolitischen Gründen. Erst einen Tag bevor die Union die mangelnde Transparenz zum Bundestagsthema machen wollte, hat die Bundesregierung reagiert.
Seit 21. Juni werden gelieferte Waffen und Hilfsleistungen im Netz öffentlich gemacht. Allerdings ohne die Entscheidungen zu begründen. Außerdem fehlen Informationen zu den beteiligten deutschen Unternehmen und zum finanziellen Gesamtvolumen der Waffen-Exporte. Dem Unionsabgeordneten Röwekamp reichen diese öffentlich zugänglichen Informationen nicht aus, er ist aber als Oppositionspolitiker weitgehend machtlos.
Debatte schwelt seit Langem
Denn der Streit zwischen Abgeordneten und Regierung um die mangelnde Transparenz bei Waffenlieferungen schwelt nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Schon 2014 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Informationsanspruch der Abgeordneten bei Waffenlieferungen nicht grenzenlos ist und die Bundesregierung ihre Waffen-Exportgenehmigungen durch den Bundessicherheitsrat auch nicht begründen muss. Damals stellte die Union die Kanzlerin und die Grünen hatten wegen geplanten Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien geklagt.
Aktuell regiert die Ampel-Koalition, die noch in ihrem Koalitionsvertrag mit einem Rüstungsexportkontrollgesetz mehr Transparenz versprochen hat. Doch dann kam der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dazwischen.