Hilfe für Langzeitarbeitslose Was Teil II des Bürgergelds bringen soll
Das Bürgergeld, das seit Januar Hartz IV ersetzt, tritt in die nächste Phase: Sie soll fast vier Millionen Menschen in der Grundsicherung durch Aus-und Weiterbildung den Weg in Jobs ebnen. Die Neuerungen im Überblick.
Ein Wort fällt oft, wenn es um die zweite Stufe des neuen Bürgergeldes geht: "Augenhöhe". Nachdem die erste Stufe vor einem halben Jahr das von vielen ungeliebte Hartz IV abgelöst hat, treten zum 1. Juli weitere Regelungen in Kraft. Sie sollen das Leben von Menschen in der Grundsicherung verbessern - sie aber vor allem zurück in den Arbeitsalltag holen. Auch das Image der Jobcenter als eine Behörde, bei der Menschen als Bittsteller kommen, soll durch das Bürgergeld besser werden. Durch Wertschätzung, Kooperation und einfachere Sprache. Was sich schon mit dem Bürgergeld geändert hat und was kommt jetzt dazukommt - ein Überblick:
Warum hat die Bundesregierung Hartz IV durch das Bürgergeld ersetzt?
Die alte Hartz-IV-Regelung war mit zu vielen Problemen behaftet, die nicht einfach mit einer Angleichung der Regelsätze an höhere Lebenshaltungskosten zu lösen waren. 70 Prozent der 1,7 Millionen Arbeitslosen in der Grundsicherung haben keinen formalen Berufsabschluss. 880.000 Menschen gelten als langzeitarbeitslos, die Hälfte von ihnen ist schon mehr als vier Jahre aus dem Berufsleben raus. Als Hartz IV im Jahr 2005 eingeführt wurde, stellte sich die Situation völlig anders dar - damals waren viele gut qualifizierte Menschen arbeitslos geworden und fanden keinen Job mehr. Der Arbeitsmarkt war das Problem, nicht die Qualifizierung. Heute ist es umgekehrt. Langzeitarbeitslose für den Markt zurückzugewinnen, gilt daher als ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel.
Was unterscheidet die zweite von der erste Stufe beim Bürgergeld?
Bei der ersten Stufe zum Jahreswechsel ging es, grob gesagt, vor allem ums Geld. Die Regelsätze wurden angehoben, um 53 Euro auf nun 502 Euro für Alleinstehende ohne Kind. In der zweiten Stufe geht es jetzt um Leistungen, die helfen, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. "Das ist nach 17 Jahren einer der größten Weiterentwicklungsschritte", sagt Daniel Terzenbach, Vorstand bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Es gehe darum, Anreize zu schaffen, Bildungsangebote anzunehmen. So kann etwa auch die Weiterbildung bezahlt werden - sogar mit Erfolgsprämien. "Bisher war es für einen Langzeitarbeitslosen häufig finanziell attraktiver, einen Ein-Euro-Job anzunehmen als eine längerfristige Qualifizierung", sagt Terzenbach.
Es geht also um eine nachhaltige Qualifizierung?
Die steht im Fokus. So wurde der "Vermittlungsvorrang" aufgehoben. Die Maßnahmen im Rahmen des Bürgergelds sollen beispielsweise auch dazu beitragen, dass es für Ungelernte weniger attraktiv ist, eine Kurzzeitbeschäftigung anzunehmen.
Stattdessen soll das Bürgergeld dazu dienen, das Qualifikationsniveau deutlich anzuheben, etwa mit gestreckten Ausbildungszeiten für Alleinerziehende und vielen anderen Instrumenten. Dazu zählt auch ein ganzheitliches Coaching etwa für Langzeitarbeitslose. Wem Lese-, Mathe- oder Computer-Kenntnisse fehlen, der kann diese Grundkompetenzen leichter aufbessern. Die Förderung richte sich stärker an der individuellen Lebenslage aus und dem Einstieg in Arbeitsleben als an der schnellen Vermittlung, so die Bundesagentur für Arbeit.
Was kostet die Reform?
Viel Geld. Denn die Maßnahmen sind zum Teil sehr teuer. Ein Beispiel: Bei den Bürgergeldregelungen wurden auch die ursprünglich befristeten Maßnahmen des sogenannten Teilhabechancengesetzes unbefristet weitergeführt. Hier können Arbeitgeber für bestimmte Zeit bis zu 100 Prozent der Lohnkosten erstattet bekommen, wenn sie Langzeitarbeitslose einstellen und langfristig beschäftigen. Allein das kostet schätzungsweise mehr als eine Milliarde Euro im Jahr. Die Befürworter sind jedoch sicher, dass sich die Ausgabe langfristig lohnt.
Allerdings müssen diese Mittel auch den Jobcentern zur Verfügung stehen. "Zusätzliche Aufgaben erfordern mehr Geld", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Bundesagentur für Arbeit, Landkreistag und Deutschem Städtetag. Angesichts der bereits im Haushalt für 2023 vom Bund gekürzten Mittel müssten die Jobcenter mehr als eine halbe Milliarde Euro von den Geldern zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen zu den Verwaltungskosten umschichten. "Dies schränkt die Handlungsmöglichkeiten der aktiven Arbeitsmarktpolitik noch weiter ein", kritisieren die Behörde und die beiden Spitzenverbände. Die BA sowie Städte, Gemeinden und Landkreise sind vielerorts gemeinsam Träger der Jobcenter, die für das Bürgergeld und Langzeitarbeitslose zuständig sind. Im Bundeshaushalt 2023 sind zur Finanzierung von Bürgergeld inklusive Wohngeld und anderen Leistungen rund 43 Milliarden Euro veranschlagt.
Was sagen Kritiker zu der Reform?
Besonders die Union hat das Bürgergeld immer wieder und teils heftig kritisiert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa sagte wiederholt, die Einführung bedeute eine Abkehr vom Prinzip "Fördern und Fordern". Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte zu Bedenken gegeben, ein Bürgergeld-Empfänger sei unter Umständen besser gestellt, als jemand, der in seinem Job 2500 Euro brutto verdiene. Solche Berechnungen sind jedoch in der Fachwelt höchst umstritten. Sozialverbände hingegen konstatieren, die Regelsätze seien nicht ausreichend erhöht worden, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten bestreiten zu können.