Nach Kritik an Verflechtungen Wirtschaftsministerium prüft Postenvergabe
Familiäre Verflechtungen führender Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Habeck sorgen für scharfe Kritik der Opposition. Nun will das Ministerium eine aktuelle Personalie bei der Deutschen Energie-Agentur überprüfen.
Vor dem Hintergrund der laufenden Debatte um familiäre Verflechtungen hochrangiger Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will sein Ministerium eine aktuelle Personalentscheidung nochmals unter die Lupe nehmen. Das Verfahren zur Neubesetzung des Vorsitzes der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena) solle überprüft und gegebenenfalls neu aufgesetzt werden, teilte das Ministerium mit.
Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen informierte den Angaben zufolge Habeck zu Wochenbeginn darüber, dass der neue dena-Chef Michael Schäfer sein Trauzeuge war. "Mithin kann der Anschein einer möglichen Befangenheit nicht vollständig ausgeschlossen werden", erklärte das Wirtschaftsministerium. Habeck habe daraufhin unmittelbar zu Wochenbeginn um eine interne Prüfung gebeten.
Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Wenzel habe als Aufsichtsratsvorsitzender der dena am Donnerstag den Aufsichtsrat gebeten, das Verfahren zu überprüfen und gegebenenfalls neu aufzusetzen. "Es sind zwar rein rechtlich keine Fehler im Verfahren aufgetreten; die Beschlüsse des Aufsichtsrats der dena sind wirksam. Aber aufgrund eines Fehlers in einem vorgeschalteten Vorauswahlprozess könnte der Anschein einer möglichen Befangenheit entstanden sein." Zu diesem Ergebnis sei die von Habeck initiierte interne Prüfung gekommen.
Ministerium erläutert Auswahlverfahren
Das Auswahlverfahren für die Neubesetzung der dena-Geschäftsführung sei in mehreren Etappen erfolgt, so das Ministerium. Im Vorfeld sei eine Findungskommission gebildet worden. Diese habe bestanden aus Wenzel, dem fachlich zuständigen Staatssekretär Graichen, dem für die Beteiligungsführung zuständigen Referatsleiter sowie als Gast der zweiten dena-Geschäftsführerin. Ein externer Personaldienstleister sei mit der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten beauftragt worden.
"Die Findungskommission führte daraufhin Gespräche mit ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten, traf eine Vorauswahl und legte dem Aufsichtsrat der dena einen Personalvorschlag auf Basis der besten Qualifikation vor." Die Personalentscheidung selbst habe dann beim dena-Aufsichtsrat mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung gelegen.
Reihe personeller Verflechtungen
Die dena-Personalie reiht sich ein in die Debatte um andere Verflechtungen von führenden Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums. Hierüber hatte am Mittwoch auch der Bundestag debattiert. Die Schwester von Staatssekretär Graichen, Verena Graichen, arbeitet bei der Naturschutzorganisation BUND und, wie auch ein weiterer Bruder, beim Öko-Institut. Verena Graichen ist wiederum verheiratet mit dem parlamentarischen Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner.
Die verwandtschaftlichen Verbindungen von Patrick Graichen und Kellner wurden nach Angaben des Ministeriums bereits vor ihren Dienstantritten im Dezember 2021 im Haus "adressiert und entsprechend offengelegt". Die Tageszeitung "taz" berichtete schon damals darüber, zuletzt gab es weitere Medienberichte.
Die Verflechtungen führender Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium sorgen für scharfe Kritik der Oppositionsparteien.
Scharfe Kritik der Opposition
Aus der Opposition kam scharfe Kritik an den personellen Verflechtungen im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte: Die Grünen machen das BMWK zum Familienministerium: "Um bei Habeck Karriere zu machen, muss man offenbar Teil der Familie sein. Robert Habeck muss die Vetternwirtschaft im BMWK um den Graichen-Clan aufklären, Patrick Graichen ist nicht mehr als Staatssekretär haltbar."
Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban sprach am Mittwoch von "mafiösen Tendenzen", Stephan Brandner von der AfD-Fraktion, auf deren Betreiben der Bundestag das Thema in einer Aktuellen Stunde diskutierte, redete von "grünen Clanstrukturen". Der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst beklagte: "Offensichtlich begreifen sich die Grünen und ihr Umfeld heutzutage als große Familie, die es zu versorgen gilt, der man Einfluss verschaffen möchte und die man von äußeren Einflüssen fernhalten möchte."
Das Wirtschaftsministerium erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa, dass Vorkehrungen zur Verhinderung von Interessenkonflikten getroffen worden seien. Das gelte insbesondere für die Vergabe von Aufträgen oder Studien, die "organisatorische Vermeidung von möglichen Interessenkonflikten" sei bereits aus der Zeit von Vorgängerregierungen erprobt.
"Das ist schon nicht ohne"
In der Debatte im Bundestag am Mittwoch hatten zum Teil auch Abgeordnete der Koalitionsfraktionen erklärt, dass die personellen Verflechtungen ein "Geschmäckle" haben. "Das ist schon nicht ohne. Da gibt's keine Zweifel", merkte der SPD-Abgeordnete Markus Hümpfer an. "Aber verboten ist es eben auch nicht." Er warf der AfD vor, die Angelegenheit aufzubauschen: "Sie machen aus einer Mücke einen Elefanten. Das ist purer Populismus."
Till Steffen von den Grünen bezeichnete die von der AfD-Fraktion im Bundestag initiierte Debatte als "ein laues Lüftchen" und "eine lahme Nummer". Die AfD-Fraktion versuche, eine Kampagne gegen Habecks Klimaschutzpolitik am Laufen zu halten. Bereits bei der Berufung der beiden Staatssekretäre Graichen und Kellner vor 16 Monaten seien nach den Complianceregeln des Bundestages bereits mögliche Interessenskonflikte geprüft worden: "Herr Graichen ist deshalb nicht beteiligt an den Vergabeverfahren des Ministeriums, die das Öko-Institut betreffen", sagte der Grünen-Abgeordnete.