Mangel an bezahlbarem Wohnraum Scholz will Bauboom "wie in den 70ern"
Nicht die hohen Zinsen seien die Ursache für fehlenden Wohnraum, sondern zu wenig Bauland, meint Kanzler Scholz. Außerdem würden Wohnungen gebaut, die niemand braucht. Stattdessen müssten neue Stadtteile entstehen - so wie vor 50 Jahren.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat ein radikales Umdenken in der Baupolitik gefordert. Das Problem für die lahmende Bauwirtschaft seien derzeit nicht die hohen Zinsen, sondern unter anderem fehlendes Bauland und der Bau nicht benötigter Wohnungen, sagte Scholz bei einer Veranstaltung der Zeitung "Heilbronner Stimme".
"Für ganz Deutschland kann man sagen: Wir brauchen wahrscheinlich 20 neue Stadtteile in den meist gefragten Städten und Regionen - so wie in 70er-Jahren", betonte der SPD-Politiker. Das Bauen auf der sogenannten grünen Wiese habe man in den vergangenen Jahren nicht gewollt, es sei aber notwendig, sagte er mit Blick auf den Wohnungsbedarf und die wachsende Bevölkerung. "Deshalb muss ein Umdenken in dieser Frage stattfinden", forderte der Kanzler. Es brauche zudem eine politische Verabredung, mehr Bauland zur Verfügung zu stellen und auch dort höhere Bauten zuzulassen, wo dies verhindert worden sei.
Scholz: "Nicht die richtigen Wohnungen geplant"
Scholz deutete zudem an, dass die Bundesregierung noch mehr Geld für den geförderten Wohnungsbau zur Verfügung stellen könnte. "Also, wenn wir die 18 Milliarden Euro für geförderten Wohnungsbau, die wir bereitgestellt haben, loswerden, gucken wir bestimmt, ob wir noch mehr packen können", sagte er. Aber die Mittel müssten überhaupt erst einmal abfließen. Scholz verwies darauf, dass es einen Überhang von Hunderttausenden Baugenehmigungen gebe, die Zahl der Neubauten aber dennoch zurückgingen.
Der Kanzler verwies zudem darauf, dass die Bundesregierung mit Vereinbarungen etwa zum seriellen Bauen, dem Bürokratieabbau und besseren Abschreibungsmöglichkeiten bereits viele Anreize für billigeres Bauen gesetzt habe. Er warf einigen Investoren vor, sich verspekuliert zu haben. "Es sind nicht die richtigen Wohnungen geplant worden", kritisierte Scholz und verwies darauf, dass viel zu viele hochpreisige Wohnungen gebaut worden seien. Er habe nichts dagegen, wenn Menschen beim Kauf 9.000 bis 11.000 Euro oder bei der Miete 18 bis 21 Euro pro Quadratmeter zahlen wollten. Die Frage sei aber, wie viele Menschen dies könnten. Der Kern sei, Wohnungen zu bauen, die auch gebraucht würden.
Wohnungswirtschaft hofft auf serielles Bauen
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GDW setzt - ebenso wie die Bundesregierung - große Hoffnung in das serielle Bauen. Darunter versteht man, dass große Bauteile vorgefertigt und vor Ort nur noch zusammengesetzt werden müssen. Verbandspräsident Axel Gedaschko kann sich vorstellen, dass das ein Lösungsansatz für die aktuelle Wohnungskrise sein könnte - vor allem, nachdem sich Bund und Länder vergangene Woche darauf geeinigt hatten, Planungsverfahren zu beschleunigen und zu vereinheitlichen.
"Gerade für unsere Unternehmen ist die quälend lange Prozesszeit, die sonst da war, bares Geld, das verloren geht", so Gedaschko in einem Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Denn je länger eine Baugenehmigung dauere, desto später könnten die Bauarbeiten starten und umso länger dauere es, bis ein Unternehmen Miete einnehmen kann, so Gedaschko.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sieht vor allem in staatlich vergünstigten Krediten Wege aus der Wohnungsbaukrise. So könnten Investoren animiert werden, wieder mehr Wohnungen zu bauen. Einige Unternehmen hätten noch Auftragsbestände für ein halbes Jahr, andere für ein Jahr, so Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio: "Den Wohnungsbau kann man mit einem Tanker vergleichen, der noch fährt. Der Motor ist schon aus, wir wissen aber nicht, wann er zum Stoppen kommt." Spätestens 2025 sei damit zu rechnen, dass der Wohnungsbau zum Erliegen kommt, schätzt Müller.
Mit Informationen von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio