Rückzug von Bartsch Ein weiterer Schlag für die Linke
Mit seinem Rückzug als Fraktionschef will Dietmar Bartsch offenbar dem Chaos in der Linken entkommen. Noch muss sich aber zeigen, was sein Schritt für die Partei bedeutet. Es droht weiter der Abgrund.
Es ist ein weiterer Schlag für die Linke - für Partei und Fraktion. Auch der langjährige Fraktionschef, Dietmar Bartsch, hört auf. Der 65-Jährige will bei der Vorstandswahl Anfang September nicht mehr antreten. Damit steht fest: Die Fraktion wird ein völlig neues Gesicht bekommen, nachdem kürzlich auch seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ihren Rückzug angekündigt hatte.
Es sei keine leichte Entscheidung gewesen, sagte Bartsch bei einem kurzen Statement im Bundestag. Er werde weiter intensiv dabei sein. In einem Schreiben an die Fraktion erklärt er, dass die Entscheidung schon vor der letzten Bundestagswahl festgestanden habe. Und: "Ich bedanke mich für alle Unterstützung und Solidarität, die es in den zurückliegenden acht Jahren für mich gegeben hat. Stolz bin ich auf das Bundestagswahlergebnis 2017 von 9,2 Prozent, das ich gemeinsam mit vielen anderen, besonders mit meiner damaligen Mitspitzenkandidatin Sahra Wagenknecht und dem kompetenten Wahlkampfleiter Matthias Höhn erreichen konnte."
Auffällig daran: Das Wahlergebnis von 9,2 Prozent ist lange her, die aktuelle Realität sind 4,9 Prozent. Zudem dankt er nicht dem aktuellen Personal - sondern beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Matthias Höhn, der es 2021 nach Querelen nicht mehr in den Bundestag geschafft hat. Das zeigt: Das Verhältnis zum Parteivorstand ist alles andere als harmonisch. Seit Jahren gibt es einen tiefen Graben zwischen der Parteiführung und den jeweiligen Fraktionschefs - und Dietmar Bartsch war immerhin acht Jahre Teil der Fraktionsspitze.
Wagenknecht im Fokus
Der Rückzug von Bartsch könnte ein Signal sein, dass sich jetzt die Parteispitze, Janine Wissler und Martin Schirdewan, mit ihrer Sicht auf die Zukunft der Linken durchgesetzt haben. Man könnte es aber auch als "Auflösungserscheinungen" deuten, so wie der Abgeordnete Alexander Ulrich: "Nach Amira Mohamed Ali, Jan Korte als 1. PGF verlässt nun auch Dietmar Bartsch, dass unter dieser Parteiführung sinkende Schiff", so Ulrich beim Twitter-Nachfolger X. Er gilt als Vertrauter von Sahra Wagenknecht.
Wagenknecht ist ohnehin die Frau, um die sich bei der Linken gerade fast alles dreht: Wird sie eine eigene Partei gründen - und ihre bisherige politische Heimat damit in den Abgrund reißen? Die nächsten Wochen werden das zeigen. Einerseits ist noch offen, ob Wagenknecht tatsächlich ernst macht. Andererseits muss sich auch zeigen, ob die Parteichefs Recht behalten und die Linke wieder auf Kurs bringen können.
Fraktion auf wackligen Beinen
Dabei wird es vor allem auch darauf ankommen, wer künftig im Bundestag das Sagen hat - und ob Fraktion und Partei nach jahrelangem Streit wieder am selben Strang ziehen. Das Problem ist nur: Die Fraktion steht auf mehr als wackeligen Füßen. Sollten mehr als zwei Abgeordnete die Fraktion verlassen, würde sie ihren Status verlieren - und damit Geld, Posten und Sichtbarkeit. Sollte Wagenknecht wirklich abtrünnig werden, dürften einige Abgeordnete mit ihr gehen. Klaus Ernst, eines der bekannteren Gesichter in der Partei, hat das schon angekündigt.
Mit dem heutigen Tag ist klar, dass einer sich dieses Chaos offenbar nicht mehr länger antun will: Dietmar Bartsch. Auch, wenn er sich angeblich weiterhin für die Linke einsetzen wolle. Ob er das auch weiterhin in einer bestimmten Funktion tun will, ließ er offen.