Kritik an Ärzte-Protesten "Praxisschließungen treffen Kranke und Schwache"
Viele Menschen in Deutschland können heute nicht zum Arzt. Denn aus Protest öffnen Tausende Mediziner ihre Praxis nicht. Die Konsequenzen treffen aber die Falschen, findet Patientenschützer Brysch. Auch der Gesundheitsminister kritisiert die Aktion.
Tausende Haus- und Fachärzte haben ihre Praxen aus Protest gegen die Gesundheitspolitik nicht geöffnet. Es geht um schmerzhafte Sparmaßnahmen, den Fachkräftemangel, die enorme Bürokratie und einiges mehr. Doch nun regt sich auch Kritik an den protestierenden Ärztinnen und Ärzten.
"Jede Berufsgruppe kann für bessere Bezahlung kämpfen. Doch Praxisschließungen treffen in erster Linie kranke und schwache Menschen", sagte Patientenschützer Eugen Brysch der Nachrichtenagentur dpa. Hingegen bleiben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Krankenkassen nach seiner Einschätzung von den Aktionen der Kassenärzte unberührt.
"Für andere Freiberufler wäre es undenkbar, sich gegen ihre Kunden zu stellen. Das macht deutlich, dass Patienten im Gesundheitssystem nicht mal den Status eines Kunden in der Wirtschaft haben", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.
Lauterbach übt Kritik
Gesundheitsminister Lauterbach selbst hatte die Forderungen der Ärzte nach mehr Geld bereits vor dem Streik infrage gestellt. "Am Brückentag schließen viele Praxen, wie die Apotheker wollen auch sie mehr Geld. Im Mittel (Median) verdienen sie aber nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr", schrieb der Sozialdemokrat auf der Internet-Plattform X. Und er fragte - offensichtlich rhetorisch: "Soll der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen, damit das Honorar weiter steigt?"
So begründen die Ärzte ihren Protest
Der Verband der Praxisärzte, der Virchowbund, hatte zu dem Protest aufgerufen, weitere knapp 20 Ärzteverbände sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen schlossen sich an. Den Verbänden zufolge zwingt die Politik die niedergelassenen Mediziner seit Jahren zu "schmerzhaften Sparmaßnahmen". Hinzu kämen Fachkräftemangel, Inflation, hohe Energiekosten und ein enormer Bürokratieaufwand, das alles setze die Praxen zusätzlich stark unter Druck.
Der Virchowbund wirft Lauterbach vor, sich zwar für die Krankenhäuser zu interessieren, die Nöte niedergelassener Ärzte aber zu ignorieren. Der Verband nennt auch andere Summen als Lauterbach und spricht in einer Beispielrechnung von einem Praxisüberschuss von 172.903 Euro im Jahr und einem Nettoeinkommen - nach Abzug von Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung sowie Einkommenssteuer - von 85.555 Euro.
Ärger mit der Abrechnung
Der Vorsitzende des Virchowbunds, HNO-Arzt Dirk Heinrich, sagte bei tagesschau24: "Die Praxen sind durch verschiedenste Regelungen, insbesondere aber auch durch Beschränkungen der Abrechnungsmöglichkeiten, mittlerweile so stranguliert, dass sie Leistungen einschränken müssen, weil sie das nicht mehr finanzieren können."
Ein Problem ist etwa die Abrechnung: Für jede Behandlung gibt es Geld von der Krankenkasse. Insgesamt ist die Summe jedoch gedeckelt. Wenn die Praxen mehr Menschen behandeln, bekommen sie ihre Kosten nicht voll erstattet.
Eine Ausnahmeregelung, die sogenannte Neupatientenregelung, wurde kürzlich abgeschafft. Gesundheitsminister Lauterbach begründete das damit, dass die Regelung wenig bewirkt habe.