Stephan Weil (links), Olaf Scholz (Mitte) und Boris Rhein (rechts)
analyse

Beschlüsse des Bund-Länder-Treffens Zweieinhalb Seiten reichen

Stand: 21.06.2024 02:57 Uhr

Die Sitzung der Länder mit Kanzler Scholz dauerte lang - doch zu verkünden gab es wenig. Eine Drittstaatenlösung soll erarbeitet werden, beim Thema Abschiebungen blieb es vage. Einigkeit herrschte bei der Bezahlkarte.

Eine Analyse von Stephan Stuchlik, ARD Berlin

Drei Landtagswahlen zeichnen sich am Horizont ab, und bereits im Vorfeld der Konferenz wird sehr viel über Zuwanderung gesprochen. Denkbar schlechte Voraussetzungen also, dass das Treffen zwischen dem Kanzler und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder zügig und mit konkreten Ergebnissen beendet wird. 

Und so gibt es eine lange Sitzung im Kanzleramt: Es ist 22.20 Uhr, als Olaf Scholz, Boris Rhein und Stephan Weil vor die Kameras treten. Substanziell zu verkünden haben sie nicht viel. 

"Es wird den einen großen Weg nicht geben", Christoph Mestmacher, ARD Berlin, über die Ministerpräsidentenkonferenz

tagesschau24, 21.06.2024 14:00 Uhr

"Es ist fest vereinbart, dass wir den Prozess fortführen", sagt der Kanzler, ein typischer Scholz-Satz. Er spricht von der Drittstaatenlösung, also der Idee, Asylverfahren möglicherweise außerhalb von Deutschland stattfinden zu lassen. Der Bund, so steht es in der Vereinbarung, solle auf Wunsch der Länder bis Dezember konkrete Modelle entwickeln, wie das zukünftig möglich sei. Auch mögliche Änderungen in EU-Regulierungen und nationalem Asylrecht mögen angegangen werden.

Modelle im Ausland machen skeptisch

Wer den Sachstandsbericht der Bundesregierung zu bereits bestehenden Drittstaat-Modellen aufmerksam liest, der fragt sich, welche Ideen wohl im Dezember in der Ministerpräsidentenkonferenz zur Diskussion stehen werden.

Das Vereinigte Königreich versucht gerade, irregulär Schutzsuchende nach Ruanda auszufliegen und dort nach ruandischem Recht einem Asylverfahren zu unterziehen. Italien und Albanien haben ein Memorandum ratifiziert, das es italienischen Behörden ermöglicht, in dem Balkanland Asylverfahren nach italienischem Recht durchzuführen.

Für jedes der Modelle listet das Expertenteam der Regierung eine erhebliche Anzahl rechtlicher Schwierigkeiten auf. 

Beim Vortreffen wurde es laut

Es ist genau dieser Punkt, an dem es beim Vortreffen der Länderchefs und -chefinnen am frühen Donnerstagnachmittag laut geworden war, wie Teilnehmer berichten. Schon den Ländern selbst war es schwer gefallen, eine einheitliche Position zur sogenannten Drittstaatenlösung zu finden. Bereits an dieser Stelle war der eigentliche Zeitrahmen der Gespräche in Berlin Geschichte.

Die unionsgeführten Bundesländer wollten härtere Maßnahmen zur Begrenzung der Migration, es müsse "sofort" etwas passieren, hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zu Protokoll gegeben und damit den Ton gesetzt. Auf mehr als die Aufforderung an den Bund, konkrete Vorschläge zur Drittstaatenregelung zu machen, konnten sich aber auch die Länder nicht einigen.

Auf Versöhnung folgen Bedenken

Man wünsche sich alles wesentlich schneller, meinte der hessische CDU-Ministerpräsident Boris Rhein am Ende des Tages auf der Pressekonferenz, aber man müsse auch das Bemühen der Bundesregierung würdigen. Das setzte einen erstaunlich versöhnlichen Ton für wenige Minuten.

Bis Stephan Weil, SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, noch einmal seine Bedenken gegen Drittstaatenlösungen vortrug und dem Sinn nach anmerkte, man müsse bei Prüfaufträgen auch mal mit negativen Ergebnissen rechnen. Zu Deutsch: Vielleicht stelle sich eine Drittstaatenlösung für Deutschland auch als nicht machbar heraus.

Die könne höchstens ein "Bausteinchen" einer zukünftigen Migrationspolitik sein, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Nachmittag zum Thema gesagt, mehr muss man über die Einstellung besonders der SPD-Minister in der Bundesregierung nicht wissen.

Kaum mehr als vage Andeutungen

Aber: Mehr Konsequenz in der Flüchtlingspolitik müsse sein, mahnt der Kanzler in der Pressekonferenz und kündigt an, die Bundesregierung werde Anstrengungen unternehmen, straffällige Staatsangehörige aus Afghanistan und Syrien in ihre Heimatländer zurückzuführen. Wie genau Verhandlungen mit den beiden umstrittenen Regierungen aussehen könnten, auch dazu gab es kaum mehr als vage Andeutungen.

Dafür sagt der Bund zum ersten Mal, mit welchen Ländern er Rückführungsabkommen schließen will: Georgien, Moldau, Kirgistan, Usbekistan, Kenia, Philippinen, Marokko, Kolumbien und Ghana.

Der größte Erfolg des Tages, so die Ministerpräsidenten, sei die Einigung der Länder auf die Auszahlungsobergrenze von 50 Euro bei den Bezahlkarten für Flüchtlinge. Das wiederum hatte sich abgezeichnet und wäre wohl auch ohne das Gespräch mit dem Bundeskanzler zustande gekommen.

Nächste Beschlüsse dürften umfangreicher sein

Vollständig einig waren sich die Länder auch in ihrer Forderung, für Opfer besonders von Naturkatastrophen wie etwa Überschwemmungen pflichtgemäß eine Elementarschadenversicherung einzuführen, damit zukünftig nicht allein Bund und vor allem Länder den Betroffenen finanziell unter die Arme greifen müssten. Dagegen hatte sich aber in der Konferenz der Bundesjustizminister wortreich gewehrt. Man bleibe darüber im Gespräch, sagt Boris Rhein zum Abschluss. Es klingt allerdings nicht sehr hoffnungsfroh. 

Am Ende passen die Beschlüsse der Besprechung von Bundeskanzler und Regierungschefinnen und -chefs auf zweieinhalb Seiten DIN-A-4-Papier. Die nächsten Beschlüsse im Winter würden umfangreicher ausfallen, heißt es aus den Verhandlungsdelegationen. Immerhin: Zumindest die Landtagswahlen werden dann Geschichte sein. 

Dagmar Pepping, ARD Berlin, tagesschau, 21.06.2024 05:14 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. Juni 2024 um 02:40 Uhr.